Professor Marston & the Wonder Women

Blu-ray Review

Professor Marston & the Wonder Women Blu-ray Review Cover
© 2017 PMWW LLC. All Rights Reserved, 29.03.2018

OT: Professor Marston and the Wonder Women

 

 


Was ist normal?

Von polyamorer Liebe und Comics.

Inhalt

Harvard-Uni 1928: Professor William Marston ist beliebter Psychologe an der Fakultät und hat mit Elizabeth eine ebenso intelligente Frau an seiner Seite. Gemeinsam haben sie einen ersten Entwurf eines Lügendetektors entwickelt, sind aber gleichzeitig frustriert über die Tatsache, dass Frauen nach wie vor ungleich behandelt werden. Gerade Elizabeth, die schon lange einen Doktortitel verdient hätte, ist darüber verärgert. Um ihre neue psychologische These der DISC-Theorie zu erörtern, nach der sich der Mann einem Matriarchat unterwerfen solle, engagieren sie mit Olive Byrne eine studentische Assistentin. Während William sie direkt anziehend findet, lässt Elizabeth keine Zweifel daran, dass sie ihrem Mann das Herz brechen könne. Doch das soll sich ändern. Denn im Verlaufe der Zeit entwickelt sich eine polyamore Beziehung zwischen den Dreien und aus ihren ausgelebten Bondage-Fantasien entstehen Motive, die Marston in einen Comic verpackt: Wonder Woman …

Wohl nur wenige, die in den letzten Jahren den Boom von Comic-Verfilmungen verfolgten und mochten werden wissen, wer im Einzelnen genau hinter den diversen Comic-Figuren steckt. Einer der ungewöhnlichsten Schöpfer ist William Moulton Marston. Der Uniprofessor schuf Wonder Woman und etablierte damit den ersten feministischen Charakter im Universum der Zeichenfiguren. Dass er dafür seinerzeit nicht nur Lob einheimste, liegt an den autobiografischen Elementen, die er in seine Geschichten einfügte. So lassen sich im goldenen Lasso der Heldin zweifelsohne ebenso die Fessel-/Bondagefantasien des Schöpfers sowie dessen Arbeit am Lügendetektor erkennen. Dass seine Comic-Amazone zweifelsohne ein feministischer Charakter ist, muss nicht erst erklärt werden und rührt tatsächlich aus der DISC-Theorie (Dominanz, Antrieb, Unterwerfung, Einhaltung), nach der der Mensch sich wohl fühle, wenn er sich einer liebevollen Autorität ergeben kann. Und weil Marston für ein Matriarchat plädierte darf man ihn wohl als Vordenker einer Gender-Mainstreaming-Bewegung sehen. Er war liberal, forderte gleichgeschlechtliche Liebe als natürlich ein und dürfte deshalb einer der streitbarsten Männer seiner Zeit gewesen sein.
In Professor Marston & the Wonder Women beleuchtet Angela Robinson (The L-Word) nun dessen Leben und nutzt dafür natürlich nicht ganz zufällig die Zeit, in der Marstons Comic-Figur ihren zweiten (Film)Frühling erlebt. Strukturell ist der Film rückwärts erzählt. Marston muss sich in den 1940er für seinen Comics erklären, während Robinson nach und nach den Werdegang der Dreierbeziehung zwischen dem Professor und seinen beiden Frauen aufdröselt.

Dabei bleibt der Film allerdings etwas zu sehr an der Oberfläche und vermeidet Kritik an seinem Titelhelden. Marston, so viel weiß man heute, zwang seiner Frau mit der Drohung, die Ehe zu beenden, die Dreierbeziehung auf – wenngleich Elizabeth ihrerseits eine liebevolle Zuneigung zu Olive entwickelte. Verschwiegen wird außerdem, dass Olive für diese Verbindung praktisch jeden beruflichen Erfolg aufgeben musste und ihren zwei gemeinsamen Kindern mit Marston jahrzehntelang den wahren Vater verschwieg. Was allerdings gut herausgearbeitet wird, sind die erotischen Spannungen zwischen den Dreien. So „missbrauchen“ sowohl Marston als auch Elizabeth immer wieder einen „Test“ des Lügendetektors, um herauszufinden, was jeder der Drei gerade empfindet; wen er liebt und mit wem er gerne schlafen würde. Darstellerisch ist das außerdem durchweg super gespielt. Luke Evans als Marston hat eine unnachahmliche Mischung aus leicht überheblicher Arroganz und spielerischer Neugier. Rebecca Hall in der Rolle der Elizabeth gibt dem Trio die kühle Dominanz und Bella Heathcote (Stolz und Vorurteil und Zombies) schenkt dem Film die (gar nicht mal so) unschuldige erotische Note. Entsprechende Szenen wurden zudem wunderschön gefilmt und versprühen mehr Erotik als die ganze Fifty-Shades-of-Grey-Trilogie.
Auch der eingestreute Humor funktioniert gut – beispielsweise, wenn Olive und Elizabeth ihrem William ein erstes (nicht gerade erbauliches) Feedback zu dessen Comic-Idee geben. Auch Oliver Platt als abgebrühter Pionier der Comic-Szene gefällt und sorgt für Witz, wenn er feststellen muss, dass die Wonder-Woman-Comics von der Nationalen Behörde für Anstand mit Zensurauflagen belegt wurden. Schmissig wird es dann in den Szenen, in denen das polyamore Trio die Geschichten der Comics nachspielt. Hier merkt man Angela Robinson an, dass sie unheimlich viel Spaß an der lockeren Inszenierung und am damaligen Tabubruch hatte.

Bild- und Tonqualität

Professor Marston & the Wonder Women hat ein äußerst lebhaftes, sehr kontrastreiches und kräftiges Bild. Die Farbgebung ist ein wenig wärmer, was wunderbar zum Thema und der Zeit passt. Die Farbauflösung ist prima und selbst in der rot beleuchteten Szenerie der Bar gibt’s keine Vermatschungen (15’00). Die Schärfe ist auf sehr hohem Niveau und homogen verteilt – ohne jedes Randproblem.
Für einen dialogbasierten Film ist Professor Marston & the Wonder Women erstaunlich räumlich. Der Filmscore beispielsweise fächert sich wunderbar auf und wird präzise über die Lautsprecher verteilt – gerade nach etwa zehn Minuten, wenn er klatschend einer Melodie folgt. Auch die Atmosphäre in der Bar ist sehr realistisch (13’30). Die Stimmen gelangen sehr gut verständlich ans Ohr und wenn es mal etwas lauter wird, begleitet der Sound das dynamisch.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Professor Marston & the Wonder Women warten neben gelöschten Szenen insgesamt drei Featurettes. In „Die geheime Identität von Charles Moulton Motion Comic“ versucht in einem Comic-Strip die Geschichte von Marston zu erzählen. „Ein dynamisches Trio: Die Geburt einer feministischen Kultfigur“ erzählt indes von den Hintergründen und Inspirationen, die Marston dazu brachten, seinen ikonischen Comic-Charakter zu erschaffen. „Ein wichtiger Blickwinkel: Die Regieführung bei Professor Marston & The Wonder Women“ indes kümmert sich vor allem um Regisseurin Angela Robinson, die erzählt, wie sie sich den Figuren genähert hat.

Fazit

Auch wenn Professor Marston & the Wonder Women ein bisschen naiv mit der Wahrheit umgeht, zeigt er doch drei hervorragend aufgelegte Schauspieler und beleuchtet eine ebenso ungewöhnliche wie für den damaligen Zeitpunkt unglaublich wichtige Geschichte von Feminismus und Toleranz.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 75%

Anbieter: Sony Pictures Entertainment
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Angela Robinson
Darsteller: Luke Evans, Rebecca Hall, Bella Heathcote, Connie Britton, JJ Feild, Maggie Castle, Alexa Havins, Christopher Paul Richards, Allie Gallerani, Chris Conroy
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 108
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Professor Marston

Professor Marston & the Wonder Women - Official Trailer - At Cinemas November 10

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