R100 – Härter ist besser

Blu-ray Review

R100 - Härter ist besser Blu-ray Review Cover
Donau Film/AL!VE, seit 29.07.2016

OT: R100

 


Lust & Schmerz

Ein Film, den man nur verstehen kann, wenn man „100 Jahre alt geworden ist“.

Inhalt

Kurz nachdem die schlanke Frau im Latex-Outfit dem konservativen Bettenverkäufer Takafumi brutal zusammengetreten und die Treppen hinuntergestoßen hat, huscht dem Mittvierziger das erste Mal an diesem Abend ein Lächeln übers Gesicht. Takafumi ist seit kurzem Mitglied im S/M-Club „Bondage“ und hat für eine spezielle Behandlung bezahlt. Vom ersten Moment an wird er von verschiedenenen Dominas in der Öffentlichkeit begleitet und gedemütigt oder gleich vollkommen unvorbereitet „heimgesucht“ und gezüchtigt. Teil des Kontrakts ist allerdings, dass der Vertrag nicht frühzeitig aufgekündigt werden kann. Takafumi zögert nicht und geht den Vertrag ein. Während seine Frau komatös im Krankenhaus liegt und er sich um Söhnchen xx kümmert, wird er fortan immer wieder von den bezahlten Damen besucht und entsprechend erniedrigend behandelt. Das sind mitunter die einzigen Momente, in denen der traurige Mann etwas Freude und Erlösung finden kann. Doch die Behandlungen der Dominas werden immer heftiger und dehnen sich auch auf die Familie aus. Dumm, dass das Jahr noch nicht vorbei ist und es auch kein Safe Word gibt …

Hitoshi Matsumoto, der mit Kumpel Masatoshi Hamada eines der bekanntesten Comedy-Duos Japans repräsentiert, nimmt sich nach seinem bizarren Shinboru und dem wunderbaren Saya-Zamurai nun des im Land nach wie vor (Tokio Dekadenz lässt grüßen) aktuellen Themas Sadomasochismus an. Dies tut er in R100 – Härter ist besser allerdings mit dem ihm typischen Humor. Der mag gerade für jene, die an die Dekadenz-Reihe dachten, zunächst verwirrend wirken, doch gerade der Kontrast zwischen den teils absurd-witzigen Konfrontationen mit den Dominas gegenüber dem tieftraurigen Inneren des Protagonisten ist es, der den Reiz dieser filmischen Extravaganz ausmacht. Matsumoto belässt es aber nicht bei den irrwitzigen Behandlungen und Eigenschaften der Dominas (von einer Stimmen-Imitatorin über eine Spuckerin bis zur Schluckerin ist fast alles vertreten, was man sich eben NICHT vorstellen mag), sondern nimmt R100 auch noch zum Anlass, der selbstverliebten Filmindustrie einen erbosten Mittelfinger zu zeigen. So wird das eigentliche Geschehen immer wieder von einer paar Filmproduzenten unterbrochen, die aus der Vorstellung eben des Films herauskommen, den wir gerade sehen. Sie diskutieren über die Absurdität des Gezeigten, über die Logikbrüche und die unverständlichen „Erdbeben“. Am Ende tun sie es als künstlerische Freiheit ab. Diese Momente sind von herausragendem Humor, denn Matsumoto macht sich genüsslich lustig über seine eigenen Werke und über das Filmgeschäft im Allgemeinen. Je länger R100 läuft, desto häufiger wiederholen sich zwar Absurditäten, doch spätestens, wenn man der Königin des Schlingens begegnet, weiß man, dass man seit Human Centipede nichts vergleichbares mehr gesehen hat – und übrigens auch gehört. Denn was der Regisseur hier an Filmmusik einbettet, könnte kaum eine größere Spreizung, einen größeren Spagat hinlegen. Die größte Actionsequenz des Films unterlegt er beispielsweise mit softer japanischer Fahrstuhlmusik, während an anderer Stelle Beethovens 9. ertönt. Nein, R100 ist nichts für Film-Feinschmecker und solche, die einen Sinn im Treiben auf der Leinwand suchen. Das wird nicht spätestens aber doch noch mal überdeutlich, wenn die CEO vom „Bondage“ ihren hysterischen Auftritt hinlegt – den muss man wirklich gesehen haben, um es zu glauben. Kaum zu glauben ist auch das hochexplosive Finale, indem unser Protagonist plötzlich erlebt, dass er Erlösung auch aus sadistischem Tun erfahren kann, nicht nur aus masochistischem. Und wenn zur „Ode an die Freude“  noch einmal alle Gewalttaten, Erniedrigungen und Gesichtsverzerrungen abgespult werden, erinnert das nicht von ungefahr an Clockwork Orange.

Bild- und Tonqualität

Die junge Domina schminkt sich in der Toilette des Restaurant und legt neuen Lippenstift auf, die danach im satten Rot neu erstrahlen – oder vielmehr erstrahen sollten. Denn das Bild von R100 – Härter ist besser liefert nahezu nur Braun- und Grautöne. Dazu gesellt sich ein deutliches Korn, das im Verbund mit dem nur wenig kontrastreichen Geschehen für eine schmuddelige, dem Thema angepasste Optik sorgt. Die Schärfe ist aufgrund der starken Körnung ebenfalls nicht gut.
In Sachen Raumakustik muss man sich bei R100 im Verzicht üben. Die deutsche Fassung liefert lediglich eine 2-Kanal-dts-HD-Master-Spur. Die ist zwar klar und gibt die vorhandenen Geräusche gut wieder, leidet aber auch ein wenig unter der etwas schwachen Synchronisation, mit der fernöstliche Filme öfter mal zu kämpfen haben. Die Schwierigkeit, das exaltierte Sprachverhalten der Japaner zu synchronisieren, ist oft sicht- und hörbar. Der 5.1-dts-HD-Master-Ton des japanischen Originals kommt da deutlich homogener und räumlicher daher, wenngleich auch der keine Bäume ausreißt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von R100 – Härter ist besser findet sich neben dem Originaltrailer noch ein japanischer TV-Spot und ein alternativer Originaltrailer.

Fazit

R100 entzieht sich beinahe über die gesamte Laufzeit einer Bewertung und einem Verständnis. Matsumoto zelebriert schlicht die Tatsache, dass er’s einfach machen kann. Wer Experimente mag, sollte dieses Werk gesehen haben, alle anderen lassen tunlichst die Finger davon.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 50%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 10%
Film: 60%

Anbieter: Donau Film/AL!VE
Land/Jahr: Japan 2013
Regie: Hitoshi Matsumoto
Darsteller: Nao Omori, Mao Daichi, Suzuki Matsuo, Shinobu Terajima, Atsuro Watabe, Hairi Katagiri, Ai Tominaga, Eriko Sato, Naomi Watanabe, Gin Maeda
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 98
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)

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