Stillwater – Gegen jeden Verdacht

Blu-ray Review

Universal Pictures, 20.01.2022

OT: Stillwater

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Frieden finden

Matt Damon in ungewohnter Rolle.

Inhalt

Bill ist ein stiller Typ. Einer, der sein Leben lang geschuftet hat, um irgendwie über die Runden zu kommen. Einer, der anpackt, wenn man ihn denn lässt; der sich aufreibt, um seinen Job zu machen und Kollegen unter die Arme zu greifen. Doch weil die Arbeit in seiner Gegend knapp ist, haben ihn die Arbeitgeber schon des Öfteren vor die Tür gesetzt. Was soll man ihm schon zuteilen, wenn einfach nichts zu tun ist? Weil er aber als aufrechter Amerikaner auch dann einspringt, wenn Not am Mann ist, hilft er deshalb auch schon mal, Tornadoschäden zu beseitigen. Vielleicht auch als Wiedergutmachung dafür, dass er schon mal im Knast saß. Seine Frau ist schon lange tot und die Schwiegermutter, die er oft besucht, ist von der Sauerstoffflasche abhängig. Doch die wahre Herausforderung wartet nicht in einem Job, sondern im privaten Bereich. Bills Tochter Allison sitzt seit fünf Jahren in einem Gefängnis in Frankreich. Angeblich hat sie sich des Mordes an ihrer Mitstudentin und Affäre Lina verantwortlich gemacht. Als Bill mal wieder nach Frankreich reist, um seine Tochter zu sehen, drückt diese ihm einen Brief in die Hand. Mit dem Geschriebenen soll er eine Anwältin aufsuchen, da scheinbar vor Kurzem ein Junge auf einer Party sich mit dem Mord an Lina gebrüstet hat. Die Rechtsanwältin lehnt ein Aufrollen des Falles jedoch ab, da es lediglich Gerüchte seien und alle rechtlichen Mittel bereits ausgeschöpft wären. Privatdetektive kann sich Bill nicht leisten, weshalb er auf eigene Faust Nachforschungen anstellt. Währenddessen lernt er in Paris die alleinerziehende Mutter Virginie und deren Tochter Maya kennen und freundet sich mit ihnen an. Virginie hilft Bill auch beim Übersetzen des Briefs der Tochter, in dem Allison schreibt, ihr Vater wäre damit überfordert. Bill versucht daraufhin, mit einem Ex-Polizisten an die DNA-Spuren des Jungen von der Party zu gelangen, um einen Abgleich zu ermöglichen. Derweil wird die Kommunikation mit seiner Tochter nicht einfacher – zumal er Allison gegenüber angegeben hat, die Anwältin würde sich ihres Falles noch mal annehmen …

Erinnert sich noch jemand an den Fall Amanda Knox? Die US-amerikanische Studentin saß von November 2007 bis 2011 in einem italienischen Gefängnis, nachdem man sie und ihren Freund Raffaele Sollecito der Mittäterschaft an der Ermordung der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher beschuldigte. 2009 zunächst zu 26 Jahren Haft verurteilt, entließ man sie 2011 nach einem Berufungsverfahren. Nach einer Wiederaufnahme und einer erneuten Verurteilung zu 28,5 Jahren Haft im Jahre 2013, wurde der Schuldspruch zwei Jahre später in letzter Instanz wieder aufgehoben. Medial wurde die Geschichte weltweit mit größter Aufmerksamkeit verfolgt und fürs Kino stand die Geschichte schon diverse Male Pate – beispielsweise für Ruggero Deodatos Ballad in Blood oder Michael Winterbottoms Die Augen des Engels. Nun hat sich auch Tom McCarthy (Regie und Drehbuch für meinen ewigen Favoriten Station Agent) am wahren Hintergrund bedient, um eine fiktive Geschichte darauf aufzubauen. Und zwar eine, die sich nicht um die Schuld oder Unschuld der jungen Studentin dreht, sondern um einen Vater, der nach zahlreichen Rückschlägen wieder versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen.

Stillwater ist dabei einer dieser Filme, die es schon nach drei Minuten schaffen, den Zuschauer auf eine bestimmte Weise zu berühren – jedenfalls denjenigen, der eine gewisse grundmelancholische Stimmung zu schätzen weiß und darauf anspricht. Die Kamera beobachtet eher als dass sie kommentiert und der von akustischen Gitarrenklängen dominierte Score trifft mitten ins Herz. Dazu gesellt sich die zurückgenommene Darstellung des Bill durch einen (sichtlich gewichtigeren) Matt Damon, der seiner Rolle auch durch diese körperliche Transformation eine spürbare Schwere verleiht. Nach und nach bekommen wir Einblicke in das Wesen dieses Bill. Wir erfahren, warum er und seine Tochter nicht den besten Draht haben und welches Schicksal über der Familie liegt. Einige dieser Details offenbaren sich auch, wenn Bill mit der Theaterschauspielerin Virginie unterwegs ist. Virginie hilft dem Amerikaner immer wieder als Dolmetscherin und muss sich dabei durchaus auch schroffe Kommentare von Bill anhören – offenbar hat dessen Vergangenheit so viele Narben hinterlassen, dass ihm sozialer Kontakt alles andere als leicht fällt. Selbst wenn man ihm nur Gutes will. Natürlich ändert sich das im Laufe des Films, bzw. ändert sich Bill. Im Kontakt zu Virginies Tochter Maya findet er die Möglichkeit, Versäumtes nachzuholen und ein wenig Selbstvergebung zu finden. Natürlich ist das hier als Kompensation zu dem, was er seiner eigenen Tochter gegenüber nicht imstande zu geben war, zu sehen.

Ein wenig europäisches Flair und damit auch eine gewisse Atmosphäre versprüht Stillwater durch seinen Schauplatz Marseille. Thematisch angepasst zeigt der Film hier auch nicht die schönsten Touristengegenden, sondern jene, in die man als Besucher klassischerweise nicht gehen würde. Doch auch in diesen Gegenden ist Marseille ein toller Schauplatz, der sich wohltuend von den typischen US-Schauplätzen abhebt. Eine zusätzliche Dynamik entsteht dabei aus dem Aufgreifen sozialpolitischer Befindlichkeiten. So ist Virginies Freundin nicht nur daran interessiert, ob Bill Trump gewählt habe, sondern begegnet das Duo aus liberaler französischer Schauspielerin und grobschlächtigem US-Ölarbeiter auch innerhalb Marseilles immer wieder Vorbehalten gegenüber Zuwanderern. Dass es da zwangsläufig zu Konflikten kommt, liegt auf der Hand. Diese Dinge verhandelt McCarthy stets ausgewogen und ohne erhobenen Zeigefinger – ganz so, wie man es von ihm gewohnt ist. Was man Stillwater ein wenig vorwerfen könnte, ist seine Zweigeteiltheit. Während die Rahmenstory das erste und letzte Viertel bestimmt, liegt die eigentliche Stärke des Films im langen Mittelteil. Dort, wo Bill nach und nach mehr von sich und seiner Vergangenheit preisgibt und wo er die Chance nutzt, seinen früheren Verfehlungen ein gewisses egalisierendes Moment gegenüber zu stellen. Die Verbindung zwischen ihm, dem wenig feinsinnigen „Anpacker“ und der feingliedrigen Künstlerin Virginie funktioniert inhaltlich und darstellerisch – entgegen der Vermutung, dass eine solche Konstellation auch hätte Schiffbruch erleiden können. Ändert Stillwater dann zum Finale hin noch mal die Stimmung, ist hingegen zu viel Zufall und Genrekonvention drin. Weder Bill noch der Film kommen an dieser Stelle glaubwürdig rüber. Abseits davon ist Stillwater durch seine zurückgenommene Regie, die tiefgründige Figurenzeichnung, das tolle Spiel von Damon und Virginie-Darstellerin Camille Cottin sowie einen grandiosen Schlusssatz ein echtes Highlight im Drama-Fach.

STILLWATER – GEGEN JEDEN VERDACHT [Blu-ray]
Preis: 9,99 €
(Stand von: 2024/04/19 8:06 am - Details
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9 neu von 8,99 €5 gebraucht von 5,50 €
Studio:
Format: Blu-ray
Spieldauer:
Erscheinungstermin: Thu, 20 Jan 2022
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Bild- und Tonqualität

Stillwater wurde mit Kameras vom Typ ARRI Alexa Mini LF und ARRI Alexa Mini aufgenommen. Die Auflösung lag ausgangsseitig in 3.4K und 4.5K vor, was über ein 4K-Digital-Intermediate auf die Disk gemastert wurde. Wir haben es also mit einem (fast) nativen 4K-Prozess zu tun, auf dem die Blu-ray basiert. Gute Voraussetzungen also für eine ebenso gute Umsetzung der Disk und die Scheibe schlägt sich in der Praxis dann auch recht wacker. Die Bildruhe ist selbst in dunkleren Momenten sehr gut und vermeidet ein digitales Rauschen weitgehend. Wer genau hinschaut, sieht es hier und da etwas wuseln, aber das ist nichts, was wirklich störend auffällt. Die vorhandene Ausgangsauflösung von 3.4K bis 4.5K sorgt für ein meist recht knackiges Bild, das bis auf vorhandene, objektivbedingte Randunschärfen für einen klaren und scharfen Eindruck sorgt – auch wenn nicht das letzte Quäntchen an Auflösung herausgeholt wird. Um dem Film eine gewisse Stimmung zu verpassen, hat man sich dazu entschlossen, nachträglich einen relativ deutlichen Gelbfilter über das Geschehen zu legen. Das wirkt zwar insgesamt ein bisschen kränklich, intensiviert aber durchaus die melancholische Schwere, die über dem Ganzen liegt.
Nicht unüblich ist es, dass Universal bei den „kleineren“ Titeln schon mal lediglich eine komprimierte DTS-Spur fürs Deutsche integriert, während der O-Ton bei Stillwater in DTS HD Master Audio vorliegt. Hörbar dynamischer ist die englische Fassung allerdings nicht, zumal der dialogzentrierte Film wahrlich keine großen Lautstärkesprünge vollzieht. Richtig räumlich wird’s beispielsweise erstmalig nach 94 Minuten, wenn das Geschehen ins Fußballstadion wechselt und die Fans lautstark aus allen Speakern zu hören sind. Allerdings klingt das dann weder über die Synchro noch über den O-Ton sonderlich authentisch, sondern eher ziemlich artifiziell. Die Filmmusik, die nach 96 Minuten für etwas Dramatik sorgt, ist da angenehmer auf die Rears verteilt. Dialoge und Stimmen bleiben indes stets sauber auf dem Center und sorgen für eine sehr gute Sprachverständlichkeit.

STILLWATER – GEGEN JEDEN VERDACHT [Blu-ray]
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Bonusmaterial

Drei Featurettes hält das Bonusmaterial bereit. Beginnend mit „Eine Alchemie der Sichtweisen“, das sich grundsätzlich um die Geschichte und die Besetzung kümmert. Hier kommen einige Beteiligte zu Wort und reden angeregt über die Produktion. Das zweite Hintergrundmaterial kümmert sich um den Drehort in Marseille und ist beinahe eine Liebeserklärung an die Stadt. Was wiederum kein Wunder ist – wer schon einmal dort war, weiß warum. Das letzte Featurette wiederum portraitiert die Arbeit von Regisseur McCarthy etwas mehr. Auch wenn man hier noch etwas mehr in die Tiefe hätte gehen können, wie auch bei den anderen beiden. Denn insgesamt kommt hier nur eine Laufzeit von etwas über zehn Minuten zustande.

Fazit

Tom McCarthy ist ein Ausnahme-Regisseur im hollywood’schen Einerlei. Das beweist er auch mit Stillwater. Selbst wenn die düstere Aktion zum Schluss nicht richtig rund wirkt, bleibt ein bewegender, manchmal schmerzhaft ehrlicher und wirklich toll gespielter Film über einen Mann, der viel Schuld auf seine Schultern genommen hat und am Ende nur eine Teilerlösung erfährt. Die Blu-ray liefert dazu ein atmosphärisches, leicht gelbbetontes Bild sowie einen passenden, aber nicht sonderlich aktiven Ton.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Tom McCarthy
Darsteller: Matt Damon, Abigail Breslin, Camille Cottin, Deanna Dunagan, Lilou Siauvaud, Anne Le Ny
Tonformate: dts: de // dts HD-Master 5.1: en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 139
Codec: AVC
FSK: 12

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures)
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Trailer zu Stillwater

Stillwater - Official Trailer (Universal Pictures)


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Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
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2 Kommentare
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Rüdiger Petersen

Gibt es die Scheibe nicht in 4k ? Bei Prime habe ich mir den 4k Stream zugelegt was dann wohl mal wieder eine Mogelpackung sein dürfte. Werde mir den Film erst am Wochenende anschauen. Aber die Bewertung der BD liest sich ja ganz gut und da wird der sogenannte 4k Stream Dementsprechend auch gut aussehen……..so hoffe ich mal.