Reality

Blu-ray Review

Reality Blu-ray Review Cover
Pierrot Le Fou/Universum, seit 19.11.2015

OT: Réalité

 


„Kubrick kann mich mal!“

Wer den Filmstil von Quentin Dupieux kennt, muss Reality unbedingt sehen!

Inhalt

Die kleine Reality findet in den Innereien einer Wildsau, die ihr Vater gerade erlegt hat, eine VHS-Kassette. Ihre Eltern glauben ihr natürlich nicht, denn wie soll ein Videoband in das Schwein hineingelangt sein? Reality lässt sich aber nicht beirren und will unbedingt wissen, was auf dem Tape ist. Währenddessen hat Kameramann Jason vor, einen eigenen Film zu drehen und sieht im Moderator der Kochshow, für die er arbeitet, seinen idealen Hauptdarsteller – und das obwohl der sich gerade aufgrund unsichtbarer Ekzeme ständig überall kratzt. Jason geht mit seiner Filmidee zu Produzent Marshall, der seinen potenziellen Schützling erst einmal dazu zwingt, eine Kippe zu rauchen. Dafür verspricht er den Film zu realisieren, wenn Jason innerhalb von 48 Stunden das perfekte, oscarreife Stöhnen für seine von Strahlen angegriffenen Opfer hinbekommt. Das übt er von nun an intensiv und stört damit die Therapiesitzungen seiner Frau mit Schuldirektor Henri. Der läuft nämlich gerne in Frauenklamotten rum und erklärt verdutzten Rentnern, dass sie von nun an keine Blumen mehr von ihm bekommen …

… klingt komisch, fragt ihr euch? Ist es auch! Denn immerhin hat Quentin Dupieux, Regie-Enfant-Terrible aus Frankreich und kreativer Kopf hinter dem Musikprojekt Mr. Oizo, wieder zugeschlagen. Nach Rubber, Wrong und Wrong Cops liefert er nun erneut vollkommen abstruses Kino ab. War gerade Letzterer beinahe schon kommerziell geraten, geht der Filmemacher in Reality wieder zurück zu seinen abgedrehten Wurzeln und liefert mit seinem Werk, das in mehrere Parallel-Erzähl- UND Zeitstränge zerfasert, ein an kreativ-absurden Ideen reiches Panoptikum exzentrischer Figuren ab. Ganz nebenbei erfüllt Reality auch alle Anforderungen an eine Filmsatire und beleuchtet das arroogante Geschäft mit dem Zelluloid kritisch von innen heraus. Überdies nimmt sich Dupieux natürlich selbst ebenfalls nicht ernst, wenn er bspw. an der Tafel des örtlichen Kinos „Rubber 2“ ankündigt. Zum Brüllen komisch ist es, wenn Jason mit seinem Bandrekorder im Auto Schreie und Stöhnen simuliert oder dafür in die lokalen Fitnessstudios geht, um die angestrengten Geräusche der Trainierenden aufzunehmen. Doch abseits vom Humor und der Satire gelingt dem Regisseur auch mal eben der überzeugendste Beitrag, den man in Sachen Film-im-Film seit langer Zeit zu Gesicht bekommen hat. Nach gut 85 Minuten Spielzeit hat man zwar verstanden, welcher Struktur Reality folgt, doch nachzählen, wie viele Ebenen es wirklich gibt, ist praktisch unmöglich. Umso begnadeter hat Dupieux seinen Film am Schneidetisch zusammengefügt, denn die Überblendungen im Finale sind schlicht genial ausgedacht und umgesetzt. Apropos Genialität: Kongenial begleitet wird Reality durch einen einzigen elektronischen Song, der stets die für die Hauptfiguren wichtigen und entscheidenden Momente unterlegt und immer dann abrupt endet, wenn die Protagonisten aus ihren Träumen erwachen oder in ihren Aktionen unterbrochen werden.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Reality ist zwar extrem hell und dadurch ziemlich kontrastflau, doch die Auflösung, Bildruhe und Schärfe suchen dafür ihresgleichen. Erstaunlich, wie plastisch die Details rüberkommen, obwohl man das Gefühl hat, Dupieux habe seinen Film mit fünf Blenden überbelichten lassen. Akustisch ist Reality hingegen vollkommen unauffällig. Einzig der immergleiche Filmscore-Elektrosong wirkt ein wenig räumlich. Ansonsten dominieren die Dialoge vom Center und ein paar moderate Stereoeffekte. Dynamik, Bassdruck oder ähnliche Kapriolen schlägt der Film beim Sound überhaupt nicht.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Reality bringt uns der Produzent des Films in „Dupieux – Eine andere Realität“ die Person des Phänomens Quentin Dupieux näher. Dabei ist er ebenso ehrlich wie alle anderen, die man hier auch kurz zu Wort kommen lässt, und gibt zu, dass man die Filme des Regisseurs nicht verstehen muss.

Fazit

Nur ein Traum oder surreales Meisterwerk? Quentin Dupieux‘ jüngster Schaffenserguss sprengt Genregrenzen und vereint die Talente des Regisseurs aus seinen letzten Werken in einem einzigen Film. Reality ist Pflicht für alle, die schon Rubber mochten und von den kreativen Einfällen des Ex-Musikers nicht genug kriegen können.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 20%
Film: 80%

Anbieter: Neue Pierrot Le Fou/Universum
Land/Jahr: Frankreich/Belgien 2014
Regie: Quentin Dupieux
Darsteller: Alain Chabat, Jonathan Lambert, Élodie Bouchez, Kyla Kenedy, Eric Wareheim, John Glover
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 87
Codec: AVC
FSK: 16