Red Dot [Netflix]

Blu-ray Review

Netflix, 11.02.2021

OT: Red Dot

 


Verdammt kalt(blütig)

Kleines Thriller-Highlight aus Schweden – exklusiv bei Netflix.

Inhalt

Ja, die beiden sind auf einer öffentlichen Toilette

David und Nadja sind noch nicht lange verheiratet. Doch das Paar, das ihr Eheversprechen auf einer öffentlichen Toilette vollzogen hatte, hat knapp ein Jahr nach diesem Event so seine Probleme. Während Davids Karriere ihre Zeit fordert und er Abends lieber vor der Spielekonsole sitzt, kommt Nadja kaum aus ihren Büchern fürs Medizinstudium heraus und schmeißt nebenbei noch den Haushalt. Entsprechend sank zuletzt der Anteil gemeinsam verbrachter Zeit, während man die verbliebene Zeit für Diskussionen und Streits vergeudete. Die Tatsache, dass Nadja von ihrer Schwangerschaft weiß, es David aber noch nicht erzählt hat, sorgt zusätzlich für eine schwierige Stimmung. Um der Gesamtsituation etwas zu entfliehen, bucht David einen Trip in den verschneiten Norden Schwedens. Ein bisschen Ski-Hiking im Bear Valley und Zelten unter freiem Himmel mit Nadja und Hund Boris. Doch noch bevor es zu ein paar schönen und romantischen Momenten kommen kann, scheint der Ausflug eine Wendung zu nehmen. Eine kleine Unachtsamkeit beim Tanken ruft ein Jäger-Pärchen auf den Plan, das sich irgendwie feindselig verhält. Zwei weitere Aufeinandertreffen später hat man sich offenbar echte Feinde gemacht. Während der eiskalten Nacht im Zelt sehen sich David und Nadja dann plötzlich mit roten Punkten aus einem Laserpointer auf ihrem Körper konfrontiert. Und das sind tatsächlich keine albernen Kinderspäße, sondern ganz offenbar die Zielhilfen aus Gewehren. Denn Laserpointer aus Kinderhänden feuern in der Regel keine Schüsse ab …

Ein Bild aus guten Zeiten

Und weil es so schade ist, dass es 2020 kaum Produktionen ins Kino schafften; weil es so bitter ist, dass deshalb auch der Heimvideomarkt ziemlich danieder liegt; weil deshalb Streaming mehr und mehr in die Wohnzimmer und Heimkinos gerückt … deshalb bildet sich das momentan auch hier auf dem Blog entsprechend ab. Kaum ahnend, dass sich dieser Trend einmal so verfestigen würde, hätte ich damals bei der Namensgebung für diesen Webblog aus heutiger Sicht wohl ein wenig anders betiteln müssen. Aber da dieses Kind nun schon mal in den Brunnen gefallen ist und die Zeit nicht still steht, gibt’s nun ein erneutes Netflix-Review. Und zwar eins von einem Netflix-Original. Kein eingekaufter Film, weil der ursprüngliche Verleih die Auswertung für den Weltmarkt plötzlich nicht mehr haben wollte (siehe Neues aus der Welt), sondern eine echte Produktion des Streaminganbieters. Im Rahmen des Filmfestivals von Stockholm gab Netflix 2019 bekannt, den ersten schwedischen Langfilm auf den Weg zu bringen: Red Dot. In Kooperation mit der Svensk Filmindustri und Film i Dalarna produzierte man das knackige Genrewerkt, das seit dem 11. Februar über die Streamingplattform angeboten wird. Als Regisseur und Drehbuchautor verdient sich Alain Darborg, der einige TV-Produktionen auf seiner Vita hat und auch für das Quasi-Reboot der Jönssonligan-Filme verantwortlich zeichnet.

Ein Bild aus schlechten Zeiten

In Red Dot nimmt er sich nun das Thrillergenre vor und verknüpft es mit einer eisigen Atmosphäre. Den schwedischen Norden zur Winterzeit hat sich Darborg für seinen von ihm erdachten Film ausgesucht und schickt sein Pärchen auf eine zunächst sehr vertraut wirkende Reise. Wie oft hat man zuvor schon die Geschichte vom Paar, das sich auseinandergelebt hat und in einem Trip irgendwohin seine Heilung sucht, nur um dort einer viel schlimmeren Gefahr zu begegnen als der Entfremdung und sich daraufhin wieder zusammen zu raufen, gesehen?
Dieser extralange Satz ist die Essenz der Geschichte zahlreicher sehr ähnlicher Genrevertreter. Das Grundgerüst der Story mag als Satz kompliziert wirken, ist aber erzählerisch für 90 Minuten Film natürlich ziemlich dürftig. Da muss man dann schon ein paar sehr überraschende Einfälle liefern, oder aber ganz besonders das erzeugen, was dem 08/15-Vertreter dieser Filmgattung oft nicht aufzubauen gelingt: Spannung.
Und das schafft Red Dot immer wieder. Beispielsweise schon damit, dass er den Ereignissen vorgreift und einen blutüberströmten David zeigt, der etwas von „Schuld“ redet. Kurz darauf sehen wir Nadja um ihr Leben rennen. Erst dann schneidet der Film zurück und zeigt David bei der Übergabe seines Diploms. Blendet ein, wie eng die beiden mal zusammen waren. Man ist also angefixt. Und das erfolgreich. Denn was passiert da bitte so Schlimmes, dass es diesem Paar an den Kragen geht?

Ob Nadja sich da wohl mit den Falschen anlegt?

Offenbar legen sich David und Nadja kurz vor dem Eintreffen an ihrem schneereichen Ort unter den Polarlichtern mit den falschen Typen an. Ein paar zerkratzte Lackteile sowie eine Rassismus-Tirade später scheinen die Fronten geklärt zu sein, oder? Red Dot spielt mit den Erwartungshaltungen der Zuschauer und macht das ziemlich gut. Während er einerseits die beiden Hauptfiguren kurz umreißt und gerade so viel preisgibt, dass man sich mit ihnen verbunden fühlt, baut er schon alleine durch die Kürze der Ereignisse eine gewisse Atmosphäre auf. Geschickt ergänzt der Film sein Szenario der eisigen Nacht um ein paar nette Ideen, die aus David und Nadja scheinbar wehrlose Opfer werden lassen könnten. Die Laserpointer sind nur eine davon. Versierte Zuschauer und Genrefans mögen die eigentliche Überraschung des Films erahnen. Doch Regisseur Darborg macht das wirklich geschickt; lässt seine beiden Protagonisten immer wieder in Situationen geraten, in denen man sich fragt, wie man selbst wohl gehandelt hätte.
Auch in puncto Spannungsaufbau lässt sich Red Dot gut an und die Tatsache, dass David und Nadja es nicht nur mit Heckenschützen, sondern auch mit ihren eigenen Dämonen zu tun bekommen, erweitert das Mysterium des Films um eine extrem bittere Komponente. Eine Komponente, die den Tonfall von Red Dot im letzten Drittel noch mal deutlich ändert, aber auch moralisch fragwürdig werden lässt. Man sollte also eine gewisse kritische Distanz zum Gezeigten einnehmen.
Interessant ist übrigens, dass Red Dot einer der ersten fertigen Langfilm-Produktionen ist, die weltweit einem größeren Publikum zugängig gemacht wurde, welche unter Covid-19-Bedinungen zustande kam. Um die Geschichte und das gemeinsame Agieren zu realisieren, wurden strenge Hygienevorschriften erarbeitet: Regelmäßige Temperatur-/Fiebertests sowie die Einteilung des Sets in mehrerer Zonen, in denen sich definierte Crewmitglieder bewegen durften stehen dafür Pate. Dass man im Gesamten mit relativ wenig Darstellern auskam, spielte diesen Voraussetzungen natürlich in die Hände.

Bild- und Tonqualität

Von wem werden Nadja und David gejagt?

Red Dot ist digital gefilmt worden. Mehr lässt sich über die Produktion leider nicht herausfinden. Ob hier in 4K gedreht wurde oder nicht, lässt sich nicht klären. Netflix bietet den Film indes lediglich in 1080p und ohne HDR/Dolby Vision an. Aus dem 1080p-Stream holt der Anbieter in diesem Fall relativ viel heraus. Lediglich in den ganz dunklen Szenen auf der Schneefläche nimmt die Körnung im Hintergrund eine etwas farbig-wuselnde Eigenschaft an und Schwarz dürfte auch etwas knackiger sein. Hin und wieder wirken die Rauschmuster etwas stehend, was bei einer fixen Datenrate von 2.98 Mbps letztlich aber auch nicht verwunderlich ist. Dass bei ~ 3 Mbps kein Ultra-High-Definition mit perfekt glattem und artefaktfreien Bild zu erzielen ist, sollte jedem klar sein. So zeigen sich dann bei 28’20 auch leichte Banding-Probleme im Hintergrund von Davids Gesicht, während er davonrennt. Die vernebelten Szenen des nächsten Tages sind allerdings erstaunlich problemlos. Farben, die zu Beginn noch häufiger auftreten als später auf dem Schnee, werden natürlich und recht kräftig wiedergegeben. Close-ups von Gesichtern sind dazu schön knackig.
Akustisch bietet Red Dot leider auch nur sparsame Kost, denn er liegt lediglich in 5.1 vor, egal in welcher Sprache man ihn schaut. Die Dolby-Digital-Plus kodierten Spuren klingen aber immerhin sehr authentisch in den Dialogen und weisen schon beim Waschmaschinen-Zugucken eine tolle Räumlichkeit auf. Die Filmmusik, die während der Ankunft am Zielort ertönt, klingt räumlich und der Nachhall sowie die Windgeräusche beim ersten Kontakt mit dem Laserpointer kommen stimmig und realistisch rüber. Richtig klasse ist der lange Widerhall der Schüsse, die noch sekundenlang schwer in der Luft liegen bleiben und über die Rears verhallen. Das macht wirklich Laune! Ebenso wie die Drohne, die bei 63’50 direktional von den Rearspeakern aufsteigt.

Fazit

Skandinavien kann Genrefilm. Das ist schon lange klar. Auch in diesem kleinen, aber feinen Thriller geht’s spannend, atmosphärisch und bis zum konsequenten Ende vor allem sehr überraschend zu. Gehört definitiv zu den besseren Exklusiv-Filmen beim Streaminganbieter Netflix.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%

Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%

Film: 75%

Anbieter: Netflix
Land/Jahr: Schweden 2020
Regie: Alan Darborg
Darsteller: Nanna Blondell, Johannes Kuhnke, Anastasios Soulis, Kalled Mustonen
Tonformate: Dolby Digital Plus: de, sw, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 86
Datenrate: 2.98 Mbps / 1080p
Altersfreigabe: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)

Trailer zu Red Dot

Red Dot | Official Trailer | Netflix


So testet Blu-ray-rezensionen.net

Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Streams, BDs und UHD-BDs bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.

Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:

Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen. Streaming-Filme werden zudem über mehrere unterschiedliche Apps Kontrolle geschaut, um etwaige deutliche Differenzen auszumachen.

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4 Kommentare
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FrankIII

Hallo Timo, ich lese hier schon eine ganze Weile mit, uns liebe Deine Reviews und die Mühe, die Du da rein steckst. Sind immer gute Kaufhilfen, gerade bei 4K UHD Blu-ray’s. Wenn Dir, wie Du oben schreibst und deshalb schreibe ich es hier, die Titel zum testen ausgehen, da hätte ich einige Wünsche an Katalogtiteln, die Du noch nicht getestet hast. Jetzt in der Flaute neuer Titel wäre ein guter Zeitpunkt 😉
Die UHD Blu-ray’s von:
– Bram Stokers Dracula
– Und täglich grüßt das Murmeltier
– Sakrileg
– Illuminati
– Inferno
– Spider Man 1 2 und 3, die von Sam Raimi mit Tobey Maguire
– Alle Harry Potter Filme (ich weiß Du magst sie nicht 🙂 )

Das sollte doch erstmal reichen 🙂 . Würde mich wirklich interessieren, ob ein Upgrade von der Blu-ray hier lohnt.

Danke

Bianca Geiselsöder

Hi Basti, ich habe Red Dot auch gesehen, aber ich muss ehrlich mir persönlich hat er nicht silo gefallen.

Basti

Moin Timo,

ich habe Red Dot gerade gesehen.
Der Trailer hat gehalten, was er versprochen hat.
Kurzweilig, aber spannend und na ja ein ganz guter Twist.

LG,
Basti