Blu-ray Review
OT: Al morir la matinée
Augen zu im Kino
Derber Slasher für Fans des 70er-Jahre-Horrorfilms.
Inhalt
Ein altes Kino, mitten in Montevideo. Während sich ein (ziemlich ungleiches Pärchen) einfindet, lugt der kleine Junge, der sich aus der vorherigen Vorstellung noch versteckt hatte, um auch den nächsten Film noch sehen zu können, zwischen den Sitzen hervor. Er bekommt mit, wie ein älterer Herr sich über drei Jugendliche aufregt, die ziemlich stoned durch die Reihen torkeln. Mit im Kino sitzt auch noch ein weiterer alter Herr, der offenbar zum Schlafen vorbeigekommen ist. Außerdem kommt noch eine einzelne Frau hinzu und im Vorführraum hat sich die junge Ana eingefunden. Sie legt den Film für ihren Vater in den Projektor, während dieser in den verdienten Feierabend geht. Da sie eh noch lernen muss, kommt ihr die Ruhe ganz Recht. Für den kleinen Jungen ist es hingegen alles andere als ein ruhiger Abend, da er die schaurigen Szenen des Films kaum ertragen kann. Dass es aber bald nicht mehr bei fiktiven Bildern auf der Leinwand bleibt, dafür sorgt ein weiterer Fremder, der durch die Reihen zieht. Ein Typ mit Tasche in der Hand, dessen Leidenschaft offenbar ist, eh schon unterbesetzte Kinovorstellungen noch weiter auszudünnen – und zwar mit blutiger Konsequenz …
Amerika, England, Spanien, Frankreich, Italien, Südkorea, Japan, Kanada, Australien. Ja, sicher auch Neuseeland und einige skandinavische Staaten – das alles sind Länder, die einem einfallen, wenn man ans Genre des Horrorfilms denkt. Uruguay gehört jetzt allerdings nicht unbedingt zu den typischen Vertretern von Filmen des Genres. Wenn überhaupt, so fällt der Name Gustavo Hernández, der mit You Shall Not Sleep oder The Silent House immerhin schon zwei Filme beisteuern kann. Vor allem aber auch Ricardo Islas (Frankenstein – Day of the Beast), der zahlreiche Genreproduktionen verantwortet hat und in Red Screening als Killer auftritt.
Regisseur Contenti hingegen liefert mit Red Screening erst seinen zweiten Langfilm nach seinem Debüt von 2008. Und sein erklärtes Ziel war, es dem Genre Tribut zu zollen. Konkret, den beiden Subgenres des italienischen Giallo und des us-amerikanischen Slashers. Gleichzeitig ging es ihm auch darum, eine Hommage ans Kino an sich auf den Weg zu bringen – kein Wunder also, dass sein Film exakt dort spielt: Im Kino.
Und zwar in einem der alteingesessensten und bekanntesten Lichtspielhäuser Montevideos, dem Cinemateca 18 room, das 1993 (also jenem Jahr, in dem der Film spielt) noch Nuevo 18
Dass es Contenti ernst war, mit seinen Zitaten aus den 70er-/80er-Jahre-Horrorslashern und dem italienischen Giallo, merkt man schon bei den Klängen des ersten Filmsongs, der auch aus einem Argento-Film kommen könnte. Ohnehin ist der Score ein absolutes Highlight des Films. Mal klingt er nach Carpenter, mal nach den italienischen Vorbildern und beides gleichzeitig. Stets dient er aber der Unterstützung der tollen Atmosphäre. Die wird natürlich vornehmlich auch deshalb erzeugt, weil der Dreh in diesem altehrwürdigen Kino kaum authentischer hätte sein können. An den Holzlehnen der Stühle blättert der Lack ab, die Kunstleder-Bepolsterung ist so klassisch wie sie heute in keinem Lichtspielhaus mehr verwendet wird und irgendwie scheint noch der Nebel im Raum zu hängen, der aus der Zeit stammt, als in den Vorstellungen noch geraucht werden durfte (was für 1993 ja ohnehin noch hätte gelten dürfen – selbst wenn der Film hier schon vom Rauchverbot spricht). Natürlich sind die Filme, die über den Vorführraum abgespielt werden, noch analoger Natur und die Leinwand hat schon seit Jahrzehnten keiner mehr gereinigt. Im Aushang sind Plakate von Klassikern und der Projektorraum hält sogar kleine Schätze an Postern und Filmblättchen parat. Wer so viel Sinn für Setdesign und Atmosphäre hat, kann nur ein Fan des Genres sein.
Weil Contenti mit Red Screening aber durchaus nicht nur stimmungsvoll arbeiten, sondern auch für Schrecken sorgen wollte, gibt’s erstaunlich grafische Gewalt zu sehen. Zum einen ist da der Film auf der Leinwand (tatsächlich läuft Islas Frankenstein – Day of the Beast), der schon recht blutig gerät und zum anderen beginnt der Killer nach gut 25 Minuten sein blutiges Werk. Zunächst noch verhalten, wird die Schilderung des zweiten Opfers schon deutlicher. So deutlich, dass man sich hier tatsächlich über die FSK-18-Einstufung wundern darf. Dem geneigten Fan wird’s gefallen, wenn im Verlaufe Hälse zu klaffenden Wunden umfunktioniert und Augen aus ihren Höhlen geschnitten werden. Natürlich täuschen solche gelungenen und glücklicherweise praktisch ausgeführten Maskeneffekte ein wenig darüber hinweg, dass Red Screening keinerlei Story und noch weniger Figurentiefe zu bieten hat. Man erfährt nichts über die Hintergründe des Killers und genauso wenig über die einzelnen Opfer. von Ana weiß man letztlich nur, dass sie eine Prüfung vor der Brust hat – und das ist schon mehr als man über jeden einzelnen der anderen erfährt. Red Screening konzentriert sich einzig auf das Geschehen im Kino. Hier dominiert also ganz klar Stil über Substanz – Atmosphäre und klassische Kameraeinstellungen gehen über Tiefgründigkeit oder komplexes Erzählen. Wer damit leben kann, hat zwar immer noch mit der einen oder anderen ungelenk inszenierten Actioneinstellung sowie mit teils etwas hölzernem Schauspiel zu kämpfen, wird aber mit einem Film belohnt, der aus einem extrem geringen Budget eine erstaunliche Menge an stimmungsvollen Bildern produziert und damit seinen Vorbildern die Ehre erweist.
Bild- und Tonqualität
Das Bild von Red Screening ist durchaus von guter Qualität. Zwar ruckelt es zu Beginn etwas, was aber möglicherweise auch gewollt sein kann. Jedenfalls tut’s das kurz darauf nicht mehr. Farben geraten durchweg kräftig und der Kontrastumfang geht in Ordnung. Im Schwarz könnte die Durchzeichnung hier und da etwas besser sein, da auf dunklen Haaren schon mal Details verloren gehen Die Bildruhe ist durchweg auf einem guten Niveau. Es gibt zwar etwas Rauschen, aber das bleibt durchgängig auf dem gleichen Niveau und wird nie störend. Sobald der Film seine farblichen Stilmittel nutzt und Bilder teilweise in blutrote Hintergründe taucht, wird auch das sehr stimmungsvoll wiedergegeben und erinnert unwillkürlich an die visuelle Kraft der Giallos.
Beim Sound kann man durchaus von einer recht offenen Atmosphäre sprechen, die direkt zu Beginn schon den Score sowie den Regen ziemlich räumlich darstellt. Es prasselt rundherum und auch das Gewittergrollen wird sehr weiträumig gestaltet. Bisweilen klingt das etwas gewollt und arg hallig, aber wenn Autos durchs Bild rollen, gibt’s dafür spürbaren Tiefbass. Für etwas Dynamik ist also durchaus gesorgt. Realistisch wird’s im Vorführraum, wo der analoge Filmprojektor das typische Rattern liefert und es auch sonst schon mal ein bisschen knackt. Die akustische Wiedergabe des Films im Film wird dann mit dem typischen Sound erreicht, den man noch aus der Zeit kennt, wenn man selbst mal in einem großen leeren Kino saß, in dem der dünne Sound von den hohen Wänden reflektierte. Schön aufgelöst erklingt nach 66 Minuten eine zerberstende Scheibe, während das Eintreten der Tür nach 72 Minuten für eine satte Bassattacke sorgt.
Bonusmaterial
Das Mediabook von Red Screening lockt zunächst mal mit der Blu-ray an sich, die im Bonusbereich zwei Featurettes liefert. Zum einen ein „Behind the Screen“ und zum anderen ein „Making-of der Special-Effects“. Im untertitelten Behind the Scenes gibt’s zahlreiche Kommentare der Filmbeteiligten – von den Darstellern über die Produktionsdesignerin bis hin zum Kameramann. Alle gehen auf die Hintergründe zum Film selbst ein und auf die speziellen Herausforderungen, die der Film mit sich brachte. Das Special-Effects-Featurette zeigt unkommentiert, wie die jeweiligen Masken realisiert wurden, was wirklich spannend anusehen ist. Dazu gibt’s natürlich obendrauf ein 24-seitiges Booklet, das die Story des Films und die Querverweise zu den Vorbildern des Regisseurs in einem Text von Rouven Linnarz abhandelt. Außerdem wartet noch ein Interview mit dem Regisseur, das vom Deadline-Magazin geführt wurde. Und als Goodie hat man dem Mediabook auch noch ein Poster beigelegt.
Fazit
Red Screening trägt das Herz am rechten Fleck. Trotz der nicht immer professionell agierenden Darsteller und dem papierdünnen Inhalt, weiß man Contentis Film vor allem dann zu schätzen, wenn man in seinem Wirken die großen Zitate der noch größeren Vorbilder entdeckt. Dass der Film ungeschnitten kommt und mit ziemlich drastischen praktischen Slasher-Effekten aufwartet, wird den Genrefan natürlich richtig freuen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 60%
Film: 70%
Anbieter: Pierrot Le Fou
Land/Jahr: Uruguay 2020
Regie: Maximiliano Contenti
Darsteller: Luciana Grasso, Ricardo Islas, Julieta Spinelli, Franco Duran, Pedro Duarte
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, sp
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 88
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Pierrot Le Fou)
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Trailer zu Red Screening
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
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- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
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- Heights: 4 x Canton Plus X.3
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- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
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