Red Sniper – Die Todesschützin

Blu-ray Review

Red Sniper - Die Todesschützin Blu-ray Review Cover
Meteor/AL!VE, seit 18.03.2016

OT: Bitva za Sevastopol

 


Lady Death

Von einer russischen Kriegsheldin, die zur Symbolfigur wurde …

Inhalt

309 tote Nazis – die Statistik der Scharfschützin Lyudmila Pawlitschenko ist durchaus eindrucksvoll. 1941 war die junge Frau der russischen Armee beigetreten, um damit auf den Angriff der deutschen Wehrmacht in Russland zu reagieren. Da sie mit dem Gewehr äußerst geschickt umgeht, steigt sie innerhalb des Militärs trotz massiver Vorbehalte gegenüber Frauen an der Waffe schnell empor und wird aufgrund ihrer Zielgenauigkeit und den damit verbundenen Opfern auf deutscher Seite bald zur „Lady Death“. Doch der Krieg zieht auch an Lyudmila nicht spurlos vorbei und fordert seine Opfer. In den 50er Jahren wird sie unter der schützenden Hand von Präsidentengattin Roosevelt sogar in den USA zur Frau der Stunde und wirkt aufgrund ihrer (für die Landesmedien überraschenden) Intelligenz und Analysekraft auch auf die Politik ein. Allerdings fordern die Dämonen der Vergangenheit ihren Tribut …

„Der Krieg ist kein Ort für Feiglinge!“ – Ludas Antwort auf den Kommentar ihres Freundes, dass der Krieg nichts für Frauen sei, zeigt eindeutig, mit welcher Intention Red Sniper seine historische Figur zu filmischem Leben erweckt. Mokritsy Film dient sowohl der Huldigung einer Nationalheldin als auch der Auseinandersetzung mit den Schrecken des Kriegs sowie der Darstellung, dass es eben nicht nur Männer waren, die im Kampf gegen die Nationalsozialisten eingesetzt wurden und ihr Leben gaben. Selten genug, dass es Kriegsdramen gibt, in denen eine Frau die zentrale Rolle spielt, handelt es sich bei Lyudmila Pawlitschenko doch in der Tat um eine authentische Figur, die als erste russische Frau ins weiße Haus eingeladen wurde und so etwas wie eine Freundin der First Lady wurde. Red Sniper ist vornehmlich ein Kriegsdrama mit auflockernden Szenen zwischen der Protagonistin und der US-Präsidentengattin, die während des grundlegend ernsten Erzähltons eine willkommene Abwechslung bieten. Obwohl sich der in Rückblenden erzählte Film zunächst gut 40 Minuten Zeit lässt, bis er Kriegsgeschehen auch im Bild darstellt, sind die Szenen, in denen Lyudmila erstmals zur Waffe greift und ihre Skrupel beim Töten des Feindes überwindet, höchst emotional und aufwühlend inszeniert. Red Sniper zeigt eindrucksvoll, wie sich der anfängliche Heldenmut der Titelfigur im Auge des Schreckens in Furcht und Zögerlichkeit verwandelt, bevor dann der erste Schuss alles verändert. Von da an wird die junge Frau nicht mehr dieselbe sein. Der Krieg und ihre Einsätze werden sie abstumpfen. So sehr, dass sie irgendwann ihre Zielobjekte nicht einfach ausschaltet, sondern zuvor durch gezielte nicht-tödliche Schüsse quält. Trotz dieser Bilder ist nicht nur die fesselnde Inszenierung bewundernswert, sondern vor allem das Fehlen fast jeder patriotischer Übertreibung. Es gibt Szenen, in denen russische Soldaten im Angesicht schwerer Verwundungen ihr Wasser teilen und keine der beiden Seiten wird übertrieben dämonisiert oder vorbehaltlos verehrt. Klar, es geht um eine russische Kriegsheldin; klar, der Ausgangspunkt ist der, dass die Sowjetunion von den Deutschen überfallen wurde, doch für falsche Heroisierung ist in Red Sniper kein Platz. So wie eben in dem Moment als Luda ihr Opfer nicht gleich ausschaltet und ihr Schützenkumpan Leonid dies mit den Worten „was soll das?“ für sie übernimmt. Yuliya Peresild, die die Luda spielt, leistet über die volle Laufzeit von 120 Minuten bisweilen Großartiges. Von dem entschlossenen Mädchen, das in den Krieg ziehen will über die taffe Sniper-Schützin bis hin zur gebrochenen Kriegsheldin – die junge Russin spielt gekonnt auf der Klaviatur der Gefühle und bleibt stets absolut glaubwürdig und zentraler Mittelpunkt der Geschichte. Selten hat man zuletzt eine derart starke Hauptdarstellerin gesehen – schon gar nicht in einem Kriegsfilm. Dankenswerterweise nutzt Red Sniper die Scharfschützen-Szenen nicht für billige 3D-Ego-Shooter-Spielereien, sondern setzt ein authentisches Kimme und Korn ein, missbraucht die entsprechenden Sequenzen nicht für reißerische Action, sondern inszeniert sie gerade durch die geduldige Ruhe äußerst fesselnd.
Richtig ärgerlich ist hingegen der deutsche/internationale Verleihtitel. Nicht nur ist er effektheischend, sondern auch noch politisch eingefärbt – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Zusammenhang mit Kriegsfilmen mit russischer Beteilung schwingt im Wörtchen „Red“ immer auch das negative „Kommunismus-Feindbild“ mit (siehe John Milius‘ ultra-reaktionärer und kommunistenfeindlicher Die rote Flut). Darum aber geht es in Mokritskys Film, der im Original viel treffender mit Schlacht um Sewastopol betitelt ist, gar nicht. Schade, dass man da auf Seiten des Anbieters trivialsiert und auf den Zug der seit ein paar Jahren modischen Sniper-Filme aufspringen möchte.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Red Sniper liefert kräftige Farben und satte Kontraste. Entgegen vieler Kriegsfilme sind die nicht auf dem Feld spielenden Szenen ausnahmsweie mal nicht sepiafarben oder bräunlich gefiltert. Die Schärfe geht insgesamt in Ordnung und präsentiert die Abzeichen und Orden auf den Uniformen ziemlich plastisch. Während der Szenen auf dem Feld oder (zuvor) bei den Übungen reduzieren sich freilich die Farben und das bekannte Grau-Braun dominiert. Hier passt es und trägt zur Stimmung bei.
Akustisch herrschen zu Beginn klar verständliche Dialoge und eine angenehme Raumatmosphäre. Wenn dann nach gut 40 Minuten die Kriegsaction hinzukommt, setzt es teils trockene Schüsse aus dem Gewehr, bombastische Explosionen oder zahlreiche direktionale Effekte während der Angriffe durch die Kampfflieger (67’45). Wenn die Propellermaschinen über die Boote hinwegrasen geht man unweigerlich in Deckung und die schwere Abwehr-Artillerie setzt dem Heimkino mächtig zu – ein klasse Sound, den Red Sniper hier aufs Parkett zaubert.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Red Sniper findet sich ein Making-of sowie ein Behind the Scenes. Das limitierte Steelbook enthält außerdem ein Poster und Sammelkarten.

Fazit

Mal abgesehen vom „deutschen“ Titel ist Red Sniper ein äußerst gelungenes Kriegsdrama mit fesselnden Schilderung von der Front und einer herausragend guten Hauptdarstellerin. Noch dazu gab es lange keinen Genrefilm, der ausgewogener und weniger gefärbt darstellte, was an der russischen Front geschah.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%

Anbieter: Meteor/AL!VE AG
Land/Jahr: Ukraine/Russland 2015
Regie: Sergei Mokritsy
Darsteller: Yuliya Peresild, Joan Blackham, Ewgenj Tsyganow, Anatoliy Kot, Oleg Wasilkow, Nikita Tarasow
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, ru
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 123
Codec: AVC
FSK: 16

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!