Remember – Vergiss nicht, dich zu erinnern

Blu-ray Review

Remember - Vergiss nicht, dich zu erinnern Blu-ray Review Cover
Tiberius Film, ab 09.06.2016

OT: Remember

 


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Atom Egoyan schickt uns auf eine tragische Reise in die Vergangenheit.

Inhalt

Zev Guttman ist mittlerweile 90 Jahre alt und es ist gut sieben Jahrzehnte her, dass er seine Familie in einem KZ verlor. Nun sitzt er in einem Zug – getürmt aus dem Altenheim, in dem der langsam dement werdende alte Herr lebt und ausgestattet mit ein paar Notizen auf einem Zettel. Die hat ihm sein Kumpel Max aufgeschrieben, damit sich Zev auf seiner Reise an die wichtigen Dinge erinnert (beispielsweise, dass seine Frau vor kurzer Zeit verstarb). Sein erster Weg führt ihn zum lokalen Waffenverkäufer, der ihm eine gute alte Glock andreht – immerhin will sich Zev an den damaligen Peinigern rächen, die er in den USA in Gestalt eines Ex-KZ-Wärters zu erkennen glaubt. Der erste von vier Verdächtigen, die scheinbar alle unter dem Namen Rudy Kurlander leben (großartig: Bruno Ganz in einer kurzen Rolle), vermittelt jedoch glaubhaft, nicht in Auschwitz stationiert gewesen zu sein. Bleiben noch drei Weitere übrig, die Zev besuchen muss. Dabei wird die Reise immer mehr zu einer unangenehmen Konfrontation mit unbequemen und vor allem überraschenden Wahrheiten …

Atom Egoyan, der zuletzt mit Devil’s Knot und The Captive kleine und feine Dramen realisiert hatte, nimmt sich nun mit Remember erneut einer nicht ganz einfachen Thematik an. Ohnehin mit einer nicht alltäglichen Prämisse ausgestattet, in der ein greiser alter Herr Rache an Ex-Nazis nehmen will, gibt sich Egoyan aber eben nicht damit zufrieden, eine simple Vergeltungsgeschichte im Zeichen historischer Grausamkeiten  zu erzählen. Vielmehr macht er es sich alles andere als einfach, wenn er einerseits den Tätern von damals ein Gesicht verpasst und auch noch Argumente liefert und andererseits ist es nicht einfach mitanzusehen, wenn ein 90-jähriger die Waffe gegen einen gleichaltrigen Anderen erhebt. Schade ist allerdings, dass der Film die Konfrontation mit Ganz‘ Kurlander nicht weiter ausarbeitet – hier bleibt Konflikt- und Vergangenheitsbewältigungs-Potenzial auf der Strecke. Remember erzählt seine Geschichte dabei zwar linear, nutzt aber dennoch Elemente von Memento, wenn er seine Hauptfigur immer wieder auf den Zettel schauen lässt, damit der die wichtigen Fakten im Kopf behält. Was bei Nolans Ausnahmethriller der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses war, ist hier analog die Demenz von Zev. Seinen ersten dramatischen Höhepunkt hat das Drama, wenn Zev auf den Sohn von Kurlander #3 trifft – einen überzeugten Nazi, der dem greisen Gast voller Stolz die Devotionalien des Vaters zeigt. Diese Szene schließt dann ebenso drastisch wie konsequent ab. Das ist indes nicht immer der Fall, denn hin und wieder ist das Gleichgewicht zwischen dramatischem Historien-Background und aus der Demenz resultierenden Situationskomik nicht ganz gelungen.

Aufgrund der ausnahmslos überzeugenden Darsteller (allen voran der herausragende Christopher Plummer) mag man aber gern über solche Details hinwegsehen. Zwischendrin gibt’s überdies auch noch ein bisschen Kritik an der US-Waffenpolitik, wenn Zev von einem Sicherheitsbeamten im Kaufhaus durchsucht wird und der den „Fund“ der Glock lapidar damit kommentiert, dass die Knarre ihn an seine erste eigene Waffe erinnere. Allerdings bleibt auch so manches Klischee nicht ungenutzt. So ist es beispielsweise ein bisschen platt, dass der deutsche (na klar) Schäferhund von John Kurlander „Eva“ heißt. Gut gelungen hingegen ist die Analogie zwischen Zevs beginnender Demenz und dem leidenschaftlichen Plädoyer des Films, die historischen Ereignisse eben nicht zu vergessen. Während Zevs Erinnerungen also nach und nach schwinden, ist genau dies die Bedrohung für eine Generation Menschen, die bald vollkommen verstorben sein wird und deren Nachfahren (direkt oder eben „nur“ außenstehend) auch heute noch verinnerlichen sollten, welches Übel damals geschah und wie es entstand. Egoyan hat den Titel „Remember“ deshalb sicherlich nicht von ungefähr gewählt, was im überraschenden Finale noch tragischer zur Geltung kommt. Denn wenn der greise Held unserer Geschichte dann am Ende seiner Reise auf die „Zielperson“ trifft, wird das ganze Ausmaß des Vergessens sichtbar.

Bild- und Tonqualität

asRemember lockt mit einem sauberen und sehr ruhigen Bild, das kaum Körnung oder Rauschen aufweist. Die Kamerafahrten sind durchweg ruhig und die Naheinstellungen der Darsteller offenbaren sämtliche Furchen und Falten der alten Herren. Die mit leichter Braun-Gelb-Tönung versehenen Farben wirken angenehm und werden überdies mit einem ausgewogenen Kontrast transportiert, der für gute Schwarz- und Helligkeitswerte sorgt.
In Sachen Sound und Dynamik dominieren in Remember die Dialoge, die begleitet werden von der dauerhaft unterlegten Filmmusik. Beim Treffen mit dem Nachkommen des dritten Kurlanders hört man des Öfteren einen Fliegeralarm im Hintergrund, der etwas Bass und Druck vermittelt. Großartige Action- und Effektszenen gibt es (ausgenommen weniger Schüsse aus der Glock) selbstredend nicht.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Remember findet sich neben den Trailern und Programmtipps noch ein knapp achtminütiges Making-of. Das erzählt davon, wie die Beteiligten zu dem Projekt kamen und dass man von Beginn an Christopher Plummer im Sinn hatte, um die Hauptrolle zu besetzen. Alle vier Hauptdarsteller kommen zu wort, was einem Stelldichein der alten Garde gleichkommt.

Fazit

Remember ist ein herausragend gespieltes Drama vor dem Hintergrund der Schrecken von Nazi-Deutschland und gleichsam ein flammendes Plädoyer wider das Vergessen – und das, obwohl Egoyan nicht zu jeder Zeit das Gleichgewicht zwischen unbequemem Drama und auflockerndem Humor hält. Darüber lässt allerdings das überraschende und konsequente Ende hinwegsehen, mit dem man zuvor einfach nicht rechnet.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: Tiberius Film
Land/Jahr: CA/D 2015
Regie: Atom Egoyan
Darsteller: Christopher Plummer, Martin Landau, Dean Norris, Bruno Ganz, Jürgen Prochnow, Heinz Lieven, Henry Czerny
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 95
Codec: AVC
FSK: 12

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