Blu-ray Review
OT: Replicas
Moderner Frankenstein
Keanu Reeves darf ein bisschen Gott spielen.
Inhalt
William Foster und sein Kollege Ed Whittle sind Biowissenschaftler im Dienste einer großen Firma in Puerto Rico. Foster ist darauf spezialisiert, die Neuroaktivitäten des menschlichen Gehirns zu analysieren und Whittles Spezialgebiet ist das Klonen menschlicher DNA. Als der Versuch, das Gehirn eines physisch toten Soldaten in einen Androiden zu übermitteln funktioniert, scheint die Arbeit der beiden Kollegen erfolgreich. Doch das Bewusstsein des derart Transferierten rebelliert und Foster ist gezwungen, den Stecker zu ziehen. Kein gutes Omen, denn die Aktionäre der Firma drohen mit dem Shutdown, wenn er das Experiment nicht erfolgreich zu Ende bringt. Als er am Wochenende mit seiner Frau und den drei Kids zu einem Bootsausflug aufbricht, gerät die Familie in einen Autounfall. Alle außer Will sterben. Der kann dies nicht akzeptieren und eine Kurzschlusshandlung später überzeugt er Ed, ihm dabei zu helfen, Klone ihrer Körper zu erstellen, damit er ihre neurale Aktivität in diese übertragen und wieder mit der Familie zusammen sein kann. Eine fatale Entscheidung, wie sich zeigen wird. Denn schon die erste Hürde verlangt unmögliches von William …
Keanu Reeves hatte mit John Wick ein Comeback, das verdienter kaum sein konnte. Der in den 90ern unglaublich beliebte Schauspieler war zu Beginn des neuen Jahrtausends leider eher durch kommerziellen Misserfolg und unglückliche Rollenwahl aufgefallen, denn durch große Leistungen. Zwar liefert er nun neben den genannten Rache-Actionern auch eher kleinere Rollen ab und nicht jede davon überzeugt restlos (Knock Knock), doch es tut einfach gut, ihn wieder häufiger zu sehen. So wie auch hier, in Jeffrey Nachmaninoffs (Traitor) moderner Variante von Frankenstein.
Gut, wir sollten die Logik zunächst beiseite lassen – und damit ist nicht die gemeint, die in Frage stellt, ob Fosters Experimente realistisch sind. Nein, man muss schon ein wenig ignorieren, wenn man den Sergeant, den man zu Beginn in einen synthetischen Körper transferiert, direkt in einen Roboter mit Monsterkräften überträgt, dabei nicht festschnallt und ihn (kaum erwacht) mit den schwierigsten Tatsachen konfrontiert, mit denen man einen just Verstorbenen konfrontieren kann. Und dass man zunächst verzweifelt versucht, ihn elektronisch abzuschalten, bis Will einfach den großen (Matrix)-Stecker zieht? Geschenkt.
Fragen wir also diese Fragen einfach nicht, sondern lassen die emotionale Story sich entfalten. Und hier schlägt sich Replicas durchaus anständig. Selbst wenn Keanu Reeves schon wieder seine Frau (und dazu noch die Kids) verliert, so reagiert er hier dann doch ganz anders als in John Wick. Als Wissenschaftler muss er sich hier nicht zahlreichen Killern stellen, sondern den viel schwerer zu treffenden ethischen Fragen und moralischen Entscheidungen: Darf er Gott spielen? Darf er über Leben und Tod entscheiden? Dient man noch der Wissenschaft, wenn man der Natur ins Handwerk pfuscht? Angereichert mit dem unvermeidlichen Thema „Supersoldat“ sollte man von Replicas allerdings keine Story-Wunder und auch keine sonderlich tiefgründige Analyse erwarten. Der Transhumanismus, der vereinfacht beschreibt, dass der Mensch seine Natur durch den Fortschritt irgendwann überwindet, dient dabei als Aufhänger für eine zwei Schritte weiter gesponnene Idee. Wo die Eugenik des Transhumanismus heute davon spricht, durch Genmanipulation/-verbesserung nur gesunden und möglichst widerstandsfähigen Nachwuchs zu zeugen, haben Foster und Whittle diese Grenze bald überschritten. Schade nur, dass die philosophischen Fragen kaum Relevanz haben. Nicht mal in dem Moment, in dem William seiner Frau beichten muss, was er getan hat. Vielmehr geht der Film hier einen sehr einfachen Weg und vermeidet jede Art von Konflikt. Von da an läuft die Story im üblichen Thriller-Muster einem Finale entgegen, das noch mal ein bisschen Action bietet – wenngleich sich auch dieser Twist frühzeitig ankündigt.
Bild- und Tonqualität
Replicas fügt seinem Bild zwar von Beginn an ein ganz dezentes Korn hinzu, was den Film jedoch sehr echt und authentisch wirken lässt. Zu keiner Zeit nimmt es Überhand oder wirkt gar störend. Während helle Oberflächen wie Hemden oder Fenster teilweise etwas unschön überstrahlen, schlägt sich der Kontrast ansonsten sehr gut. Schwarz ist knackig und Farben kommen prächtig rüber. Die gut ausgeleuchteten Szenen unter der Sonne werden von einem goldbraunen Look getragen, der gut zur Atmosphäre passt. Neutrale Oberflächen im Institut sind nicht ganz neutral, sondern einen Hauch ins Grünliche driftend. Aber auch das nicht auf störende Art und Weise. Die Schärfe ist durchweg gut und in Close-ups auch sehr gut.
Akustisch spielt Replicas in der A-Liga aktueller Produktionen locker mit. Der Helikopter direkt zu Beginn fliegt druckvoll und dynamisch von hinten ins Heimkino, die Räumlichkeit der sehr fein verteilten Filmmusik ist vorzüglich – ebenso wie jene der Lautsprecher-Durchsagen im Labor. Wenn Sergeant Kelly im Androiden-Körper dann ausrastet, fliegen seine Teile effektvoll durch den Raum und auch der Tiefton wird gekitzelt. Und wenn der Wagen dann verunglückt, rumpelt es ordentlich im Wohnzimmer – inklusive authentisch-realistischem Gewitter- und Unterwassersound. Schön sind auch die zahlreichen Soundeffekte während der virtuellen HUDs, in denen William herum wischt.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Replicas gibt’s ein kurzes, fünfminütiges Making-of sowie zwei entfallene Szenen und eine unkommentierte B’Roll.
Fazit
Replicas hat interessante Ansätze, die er leider nicht tiefgründig genug erforscht. Zugunsten eines Thrillers nach üblicher Gangart bleiben die philosophischen Ansätze leider früh auf der Strecke. Für Keanu-Reeves-Fans ist das egal. Die freuen sich, dass er wieder häufiger zu sehen ist.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 40%
Film: 60%
Anbieter: Concorde Home Entertainment
Land/Jahr: GB/CHN/PRI/USA 2018
Regie: Jeffrey Nachmanoff
Darsteller: Keanu Reeves, Alice Eve, Thomas Middleditch, John Ortiz, Emjay Anthony
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 108
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Concorde Home Entertainment)
Halte gerade die Blu-ray in meinen Händen. Diese Rezension macht Lust sich den Film sofort anzuschauen. Bild und Tonwerte dieser Scheibe lesen sich auch sehr gut. Damit ist das Wochenende so gut wie gesichert.