Blu-ray Review
OT: Call of the Wild
Der alte Mann und der Hund
Die Neuverfilmung des legendären Romans von Jack London kombiniert CGI- mit Realfilm-Elementen.
Inhalt
uck ist ein guter Hund. Ein ehrenhafter Hund, dessen Herrchen immerhin der Richter in dem kleinen Städtchen in Kalifornien ist, das zur Mitte des 19. Jahrhunderts mehr oder weniger verträumt vor sich hin lebt. Ein bisschen verwöhnt ist er allerdings. Und er nimmt sich einiges raus, weil er als des Richters Hund nun mal nichts zu befürchten hat. Allerdings stellt sich das dann doch als Trugschluss heraus. Denn das Goldfieber im hohen Norden erfordert starke Hunde, die tatkräftig mitarbeiten. Und so wird Buck entführt und nach Alaska verfrachtet. Dort wird er vom Franzosen Perrault aufgelesen, der ihn in sein Rudel aus Schlittenhunden integriert, um die Post zu den Goldgräber-Dörfern zu bringen. Ist Buck die ganze Kälte zu Beginn noch fremd, ordnet er sich bald gut ein und erweist sich als Teamplayer. So sehr, dass er irgendwann die Führungsposition einnimmt. Doch dann wird die Postroute gestrichen und Buck braucht einen neuen Lebensinhalt. Nach einem wenig erquicklichen Erlebnis mit einem arroganten und brutalen Kerl und seinem Gefolge, landet Buck beim einsamen Trapper John Thornton – eine schicksalhafte Begegnung …
Ruf der Wildnis ist nicht nur ein Film, sondern gewissermaßen der Anfang einer neuen Ära (oder das Ende einer alten – je nachdem). Da der Kinostart um drei Monate verschoben wurde, ist der ursprünglich noch von 20 Century Fox produzierte Film, der erste Output, der nach der Übernahme durch Disney unter dem neuen (verkürzten) Namen 20th Century Studios in die Kinos kam. Mit ihm schließt sich also nun ab, was im März 2019 durch einen schier unglaublichen 71 Mrd-Dollar-Deal in die Wege geleitet wurde. Und es hat fast schon Symbolcharakter, dass der erste 20th-Century-Studios-Titel ein Familienfilm ist. Bleibt abzuwarten, ob eher erwachsene, ehemalige Fox-Franchises (bspw. Predator, Alien oder Deadpool) durch die Disney-Übernahme schleichende Auslaufmodelle oder aber (schlimmer) weichgespült werden.
Aber das hat natürlich nichts mit Ruf der Wildnis zu tun.
Der basiert auf der gleichnamigen Vorlage von Abenteuer-Autor Jack London, die nun bereits fast 120 Jahre auf dem Buckel hat. Und die ein gutes Dutzend Kino- und Film-Adaptionen nach sich zog. In der Rolle des späteren Buck-Freundes John Thornton durfte man schon Clark Gable, Charlton Heston oder Rutger Hauer sehen. Stets wurde die Hauptfigur dabei von einem echten Hund „gespielt“.
Doch nach dem Remake von König der Löwen ist alles anders. Während die Menschen in Ruf der Wildnis sich noch aus echten Schauspielern rekrutieren, sind sämtliche Hunde per CGI realisiert worden. Das macht den Film zwar teurer (immerhin gut 135 Mio. Dollar soll er gekostet haben), aber eben auch unkomplizierter. Ein ungeschriebenes Hollywood-Gesetz lautet: Drehe nie mit Kindern oder Hunden!
Und seitdem der Tierschutz prominenter und dessen Lobby größer geworden ist, sind die Anforderungen, die an den Dreh mit echten Tieren gestellt werden, immens gewachsen. Ein Film wie Ruf der Wildnis, der versucht, sich an die (erstaunlich brutale) Vorlage zu halten, hätte hier schnell riskiert, Szenen entweder nicht realisieren zu können oder aber von den Tierschutz-Überwachern auf die Finger zu bekommen. Es war also schlicht eine Entscheidung, die aus diesen zwei Argumenten (Tierschutz und einfachere Interaktion zwischen Tier und Mensch) heraus gefällt wurde.
Nur leider trägt dem Film das eher zum Negativen bei. Denn obwohl mit Harrison Ford ein gestandener und immer gerne gesehener Darsteller für den John Thornton gewonnen werden konnte, wirkt das Zusammenspiel aus CGI-Hund(en) und echten Menschen immer wieder befremdlich. Es ist eine Sache, einen Film zu drehen, der komplett aus CGI-Tieren besteht. Eine andere Sache ist es, realistische Figuren (egal, ob Mensch oder Tier) per CGI zu erwecken und sie mit echten Menschen agieren zu lassen. Das ist so bei Will Smith‘ jüngerem Ich in Gemini Man und das ist vor allem so bei Cats. Wobei Letzterer noch das Problem birgt, dass CGI mit realen Gesichtern kombiniert wird, was ganz besonders ablenkend wirkt.
Solange es sich um Fantasiefiguren handelt (bspw. in Pokémon oder Sonic), die mit echten Menschen agieren, spielt der sogenannte Uncanny-Valley-Effekt keine Rolle. Kommen aber reale Figuren ins Spiel, die möglichst realistisch animiert werden, wird es immer schwieriger mit der Akzeptanz. Besonders auffällig wird das, wenn viele Hunde im Rudel auftreten und mit echtem Schnee agieren. Dort funktionieren die CGIs meist gar nicht. Wobei gerade jene Hunde, die nahe am animalischen Verhalten agieren, glaubwürdig sind, während vor allem die übertrieben menschlichen Mimiken von Buck meist gar nicht funktionieren wollen.
Sieht man von diesem Faktor ab, bekommt man mit Ruf der Wildnis einen von Janusz Kamiński (Schindler’s Liste) wunderschön fotografierten Abenteuerfilm, dessen Inhalt durchaus bewegend ist. Vor allem die Kids werden immer mal wieder Rotz und Wasser heulen, wenn Buck in Gefahr ist oder sich (mal wieder) als Retter in der Not zeigt. Es ist schon ein echter Superhund, dieser Buck. Und im Zusammenspiel mit Omar Sy, der die erste Hälfte des Films den menschlichen Hauptdarsteller mimt, gibt’s ebenso rasante wie witzige Szenen. Wechselt Buck dann sein Herrchen und landet bei John Thornton, wird es ruhiger und beschaulicher. Zwei Sturköpfe treffen aufeinander und lernen, was es heißt, die Einsamkeit zu überwinden und füreinander da zu sein. Ein bisschen kitschig ist das schon. Aber eben auch erlesen fotografiert und Harrison Ford kann ja eigentlich auch aus dem Telefonbuch vorlesen und man sieht ihm gerne dabei zu.
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
Bild- und Tonqualität
Ruf der Wildnis hat ein durchweg ganz vorzügliches Bild, dem man eigentlich keine Mängel unterstellen kann. In den Szenen in Kalifornien überzeugen die Kontraste mit einer hervorragenden Dynamik und die erdigen Farben kommen satt zum Betrachter. Schwarzwerte sind wirklich klasse und selbst feinste Nuancen in nebligen Lichtschwaden werden präzise abgebildet. Wechselt die Szenerie nach Alaska, ändern sich die Farben von warm nach kalt (eh klar). Von nun an dominieren Grau- und Blautöne, die ebenso kontrastintensiv und dreidimensional erscheinen. Schnee ist wunderbar hell und weiß, dabei aber durch die Bank gut durchzeichnet. Dazu ist die Auflösung sensationell gut. Das Close-up des Hundefängers (2’17) ist wirklich ein Musterbeispiel an Schärfe und ebenso jenes des Schlägers nach 9’30. Und wenn Harrison Fords bärtiges und (sorry) furchiges Gesicht das erste Mal von der Kamera eingefangen wird, weiß man gar nicht, ob ein Bild noch besser aufgelöst sein könnte. Wahnsinn, was die „alte“ Full-HD-Technik hier an Details Tiefe bietet. Es mag schade sein, dass hierzulande die UHD nicht (wie in den USA und Frankreich) erscheint. Doch wenn man sich dieses Bild ansieht, sei berechtigterweise gefragt, wer die 4K-Scheibe überhaupt braucht? Es ist aber auch kein Wunder, dass das Bild so gut aussieht. Immerhin nutzte man das Topmodell von ARRI, die Alexa 65 und masterte über ein 4K DI.
Ruf der Wildnis ist nicht nur der erste Titel von Fox, der unter dem neuen Firmennamen veröffentlicht wird. Es ist auch der erste Titel, der hierzulande nicht mit den typischen Tonformaten von Fox, sondern mit jenen von Disney erscheint. Ergo: Nicht dts, sondern Dolby Digital Plus fürs Deutsche. Das warf im Vorhinein die berechtigte Frage auf, ob nun die (oftmals exzellent klingenden) dts-Spuren von Fox gegen die üblicherweise undynamischen DD+-Versionen von Disney eingetauscht werden.
Im Falle von Ruf der Wildnis darf erfreulicherweise Entwarnung gegeben werden. Von wenig Dynamik kann hier keine Rede sein. Schon das Herumspringen Bucks im Haus des Richters sorgt für einen Tiefbass-Einsatz, den man solchen Szenen gar nicht zugetraut hätte. Geht dann in der Nacht ein Gewitter vom Himmel, werden die Rears massiv mit einbezogen und der Donner geht richtig tief in den Keller (6’06). Die Räumlichkeit während der Zerstörung des Holzkäfigs nach 8’45 ist so gut, dass man sich selbst in dem Verschlag wähnt. Richtig effekt- und druckvoll wird’s, wenn nach etwas über einer halben Stunde eine Lawine den Berg runterrauscht und das Heimkino so richtig in Beben und Räumlichkeit verwandelt. Ebenso übrigens bei der wilden Fahrt über reißende Flüsse nach 64 Minuten – wer hier noch vermutet (oder zu erkennen glaubt), dass es sich „nur“ um eine Dolby-Digital-Spur handelt, der flunkert sich was in die Tasche (36’30).
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Ruf der Wildnis ist ein bisschen übersichtlich ausgefallen. Lediglich zwei Featurettes stehen neben dem Trailer zur Verfügung. „Nichts als Buck“ kümmert sich dreiteilig und für ca. 24 Minuten um die Realisierung des Films an sich. „Wie alles begann“ kümmert sich dabei um London und seine Romanvorlage. Um hier mehr Einblick zu geben, hat man die Ur-Ur-Enkelin von London eingeladen, die von ihrem Ur-Ur-Großvater berichtet. „Erlebnisse am Set“ konzentriert sich zunächst darauf, wie man Buck per Motion Capturing zum Leben erweckte. Wie in so vielen Filmen zuvor (bspw. Kong: Skull Island, Planet der Affen: Survival oder The Square) kam auch hier Cirque-du-Soleil-Künstler und Schauspieler Terry Notary zum Einsatz, der per Motion Capturing den Buck spielte. „Visuelle Effekte“ schildert (dem Namen entsprechend), wie man die Hunde dann am Rechner umgesetzt hat.
Das zweite Featurette, „Die Wildnis entsteht“, beschreibt dann in acht Minuten, wie man an Originalschauplätzen arbeitete, aber eben auch große Sets im Studio aufbaute. Beide Featurettes sind untertitelt.
Fazit
Ruf der Wildnis ist vor allem ein Abenteuerfilm rund um Buck. Menschliche Darsteller nehmen eigentlich nur Nebenrollen ein, auch wenn Harrison Ford seine begrenzte Zeit nutzt, um erneut zu demonstrieren, welche Leinwandpräsenz er hat. Die Hauptzielgruppe dürften dennoch Familien mit ihren Kids sein, die von der warmherzigen und teils sehr emotionalen Geschichte mitgerissen werden. Die CGIs sollte man nicht zu kritisch betrachten, denn allzu oft wirken Bucks Gesichts-Expressionen und seine Bewegungsabläufe nicht sehr gelungen. Aufgefangen wird das von tollen Aufnahmen der Natur, die trotz einiger sichtbar auf Soundstages gedrehten Sequenzen eine tolle Atmosphäre verbreiten.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 100%
Tonqualität (dt. Fassung): 90%
Tonqualität (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 40%
Film: 70%
Anbieter: The Walt Disney Company (Germany)(20th Century)
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Chris Sanders
Darsteller: Harrison Ford, Omar Sy, Cara Gee, Dan Stevens, Karen Gillan, Bradley Whitford,
Tonformate: dts HD-Master 7.1: en // Dolby Digital Plus 7.1: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 100
Codec: AVC
FSK: 6
(Copyright der Cover und Szenenbilder: © 2020 Twentieth Century Fox Home Entertainment LLC.)
Das ist keine Filmkunst. Disney ist nicht interessiert an Filmkunst. Disney ist interessiert an Geld.
Das Geld steckt hier in der Entwicklung von Synthespians und dafür wird mit Filmen geübt, in denen Tierschauspieler auftreten.
Die Lehre, die ich aus der Veröffentlichung (den Film kaufe ich nicht) und der kurzen Diskussion hier ziehe: viele physikalische Medien kaufen, um Filme im Umlauf zu halten, um die sich Disney und Konsorten niemals kümmern werden.
Moin.
Komischerweise gibt es in Frankreich eine UHD mit deutschem Ton (und auf der BD) was mir der Betreiber der Seite HDNUMERIQUE (dort auch ein Vergleich zwischen UHD und BD wo man auch schon sieht und was Du beschreibst, das die BD sensationell gut ist und die 4k sich nicht so deutlich absetzt, was bei neueren Titeln eh meistens ist und sie fast nur durch HDR/DV profitieren) auf Nachfrage bestätigt hat. Zu kaufen gibt es sie hier :
https://www.amazon.fr/dp/B08761MVPZ?tag=hn0c-21&linkCode=ogi&th=1&psc=1
https://www.fnac.com/a14707021/L-Appel-de-la-Foret-Blu-ray-4K-Ultra-HD-Harrison-Ford-Blu-ray-4K?awc=12665_1596969499_83ef79c89f6d11a2eef2396e0204be18&ectrans=1
Wer keinen Wert auf ne BD mit deutschem Ton legt, der bestellt sich die Scheibe in den Staaten.
Wie immer Timo, danke für ein vorzügliches Review .
Tja, man muss es halt nicht verstehen, was Disney da (be)treibt. Mit ein bisschen Glück kommt die UHD hier vielleicht verspätet. Aber so richtig mag ich nicht dran glauben. Danke für den Link. Dann kann jeder für sich entscheiden, ob er sie nimmt. Vielleicht bestelle ich sie mir mal zum Test.
Es macht sehr wohl etwas, dass hier keine 4KUHD erscheint. Ich habe die US UHD hier (mit deutschem Ton!), und ich wette mit Dir Timo, dass die auf Deiner UHD Bildreferenzliste locker Platz 1 einnehmen würde. Das Ding ist so sensationell gut, dass es ernsthaft eine Schande ist , uns in D diese VÖ vorzuenthalten.
Als Fimfreund kann man Disney nun wirklich von der Liste ernstzunehmender Studios streichen. Mal lese nur mal hier:
https://thedigitalbits.com/columns/my-two-cents/080720-1600
Mir stehen die (wenigen) Haare zu Berge ob dergleichen Ignoranz! Wie relevant gute Katalogveröffentlichungen auch kommerziell sein können, zeigt aktuell z.B. „Zurück in die Zukunft I-III“. Binnen eines Tages breeits ausverkauft bei amazon & Co.
Danke an alle Studios, die gute Katalogveröffentlichungen in 4K herausbringen und ebenso Danke für die Reviews hier, um die VÖ’s breiter bekanntzumachen!
Ich gehe ebenfalls davon aus, dass die UHD sehr weit oben gelandet wäre, klar.
War natürlich auch ein bisschen salopp formuliert, weil die BD einfach schon sensationell gut aussieht.
Inwieweit die europäische Version mit dem US Master vergleichbar weiß ich nicht, aber nach der Begutachtung heute war ich sehr angetan. Die UHD habe ich letzte Woche in Amsterdam gekauft, es ist die französische Ausgabe . Dort ist der deutsche Ton in Dolby Digital Plus 7.1 enthalten.
Sollte Interesse bestehen ,zweck eines Test der UHD, würde ich diese zur Verfügung stellen.
Alles weitere kann man auf dem Mailweg abklären.
Dann melde ich mich doch gerne mal per Mail 🙂