Sausage Party – Es geht um die Wurst

Blu-ray Review

Sony Pictures, 17.02.2017

OT: Sausage Party

 


Lebensmittelorgie

Wenn Seth Rogen einen Animationsfilm macht, dürfen Kinder gerne draußen bleiben.

Inhalt

Der Unabhängigkeitstag gehört zu den umsatzstärksten und konsumreichsten Tagen des Supermarktjahres. Kein Wunder, dass die Lebensmittel diesem Ereignis entgegenfiebern, weil sie darauf hoffen, von den Kunden „ins große Jenseits“ mitgenommen zu werden. Immerhin ist es das Schlimmste für Ketchup, Kohl & Co, dass sie vom gelangweilten Mitarbeiter des Supermarkts (aka Fürst der Dunkelheit) nach Ablauf ihres Verfallsdatums in der schwarzen Tonne entsorgt werden. Und weil gerade Hotdogs am Unabhängigkeitstag gefragt sind, hoffen Würstchen Frank und Brötchen Brenda darauf, endlich aus ihren Kunststoffbeuteln entkommen und sich vereinigen zu können. Doch als ein Glas Honigsenf, das zurückgebracht wurde, davon erzählt, dass es „da draußen“ alles andere als paradiesisch ist und die Götter wahre Monster sind, bekommen es die Zwei ein wenig mit der Angst zu tun. Was folgt, ist eine Odyssee durch den Supermarkt, um eine Antwort auf die Frage zu finden, was wirklich im großen Jenseits geschieht. Und dabei müssen sie sich vor einer wahnsinnig gewordenen Intimdusche in Acht nehmen, die Frank und Brenda die Schuld dafür gibt, dass ihr Rohr gekrümmt wurde …

Seth Rogen gehört sein einigen Jahren zur ersten Riege amerikanischer Schauspieler, wenn’s um Titelrollen in Komödien mit reichlich Unter-der-Gürtellinie-Humor geht. Das geht manchmal gut (Beim ersten MalZack and Miri Make a Porno), endet aber auch schon mal im künstlerischen Desaster (Das ist das Ende). Das Kind in ihm hatte schon längere Zeit vor, einen pixarmäßigen Animationsfilm zu machen, der sich ausschließlich an ein erwachsenes Publikum richtet. Nach acht Jahren der Entwicklung und des Filmstudio-Spießroutenlaufs hat er mit Sausage Party genau das erreicht und gut 100 Mio. Dollar US-Einspiel sprechen eine deutliche Sprache – zumindest in Amerika. Denn nicht jeder in Europa und hierzulande kann auf Rogens Humor, der bisweilen arg infantil ist. Man hört den Schauspieler, der auch die männliche Hauptwurst eingesprochen hat, praktisch über sich selbst lachen, wie er im Synchronstudio das erste Mal „Wiener“ sagt (und das männliche Glied meint). Dazu passt es natürlich, dass die Würstchen nicht nur sprachlich eine Parallele zum männlich Geschlechtsteil haben und natürlich sehen die (weiblichen) Brötchen aus wie zwei eng zusammenliegende Schenkel, deren Mund nicht von ungefähr an das primäre weibliche Geschlechtsteil erinnert. Immerhin muss das „Würstchen ja irgendwann in das Bun“. Glücklicherweise belässt es der von Conrad Vernon (Madagascar 3, Monsters & Aliens) und Greg Tiernan (Thomas & Friends) inszenierte Film nicht ausschließlich bei seinen schlüpfrigen Analogien.

Wirklich gut ist Sausage Party nämlich vor allem dann, wenn er richtig böse und respektlos wird. Beispielsweise, wenn Sauerkraut als Hitlerpersiflage inszeniert wird oder auch während des zum Schreien komischen Zusammenstoßes zweier Einkaufswagen mitsamt Mehl-Unfall. Die darauf folgende Szenerie entwickelt sich zu einem kriegsähnlichen Schauplatz, der mit entsprechenden Dialogen und Bombergeräuschen die Normandie-Szene von Der Soldat James Ryan zitiert – großartig. Grandios ist auch die Szene, in der die gekauften Lebensmittel erleben müssen, was mit ihnen passiert, sobald sie für das Essen der Götter zubereitet werden. Die Szene, die eigentlich ein ganz normales Verhalten der Menschen zeigt, entwickelt sich zum wahren Horrorszenario, wenn man es mal von der anderen Seite aus betrachtet. Auch der Clash der Kulturen ist für viele witzige Situationen und Dialoge gut. So ziemlich alle klischeehaften Eigenschaften von Nationen und Religionen tauchen auf und bekommen entweder ihr Fett. Dass das natürlich im US-Original besser passt, muss gerade bei einer Komödie dieser Art kaum erklärt werden. Deutsche Synchronstudios müssen aber auch immer irgendwie hiesigen Zeitgeist hinzufügen, was teils im Balkanslang oder ähnlich unpassenden Dialekten gipfelt. Recht gut gelungen ist dagegen das Duo aus einem israelischen Bagel (Sammy Bagel jr.) und einem Fladenbrot aus dem mittleren Osten, dessen Zickereien auch in der Synchro nicht verlorengegangen sind. Gerade bei solchen Figuren integriert Sausage Party einen erfrischenden und entwaffnenden Humor, der vor politischen Kommentaren nicht Halt macht. Auf diese Weise klauen Bagel und Lavash Frank und Brenda zumeist die Show. Neben Der Soldat James Ryan werden außerdem zahlreiche Filme oder Genres zitiert, was für Cineasten eine kleine Entdeckungsreise ist. Und wenn Stephen Hawking über sich selbst lachen kann, dürfte er seine Freude am Auftritt des Kaugummis haben.

Bild- und Tonqualität

Sausage Party möchte ein Animationsfilm mit Pixar-Qualität für Erwachse sein. Optisch gelingt ihm das jedoch nicht. Die Animationen sind flach, der Detailgrad ist gering und die Oberflächenspiegelungen wirken wenig plastisch. Das Bild bleibt dabei zwar beständig ruhig und absolut rauschfrei, doch die Helligkeit ist zu hoch, überreißt bisweilen und verhindert satte Kontraste. Selbst die Farben wirken matt und der Supermarkt hat eher etwas von einem gräulichen Flohmarkt. Den Luftballons in US-Farben (4’27), die eigentlich kräftig blau und rot sein müssten, fehlt’s an Dynamik und Leuchtkraft. Erst wenn’s im Laden dunkel wird, kommt ein bisschen Brillanz ins Spiel. Dann allerdings tritt auch schon mal Color-Banding auf (26’24) und leichte Doppelkonturen gibt’s noch obendrauf.
Akustisch schlägt sich Sausage Party besser. Zwar sind die Dialoge ein wenig dünn und die Effekthäufigkeit auf den Rearspeakern erreicht nicht ganz das Niveau der großen Animationskonkurrenz, doch wenn die Menschen stampfend auf den Straßen laufen, kommt das ebenso druckvoll rüber wie die Fußtritte der Intimdusche. Vor allem die Stereolautsprecher werden dazu immer wieder mit räumlichen Geräuschen angefüllt und die Filmmusik darf recht weiträumig aus sämtlichen Speakern ans Ohr dringen. Der Badesalz-Trip ist dann sogar ein echtes Surround-Highlight (49’30).

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Sausage Party gibt’s einige Featurettes zu entdecken. Angefangen von der Gag Reel während der Synchronisation, bei der die Damen und Herren rund um Seth Rogen einen Heidenspaß hatten. Allerdings muss man immer wieder feststellen: Rogen hat eine furchtbar enervierende Lache, die man nur schwer ertragen kann. In „Shock and Awe“ geht es um die Entstehungsgeschichte des Films, die so leicht gar nicht gewesen ist, wenn man um die teils prüde Einstellung der Studios weiß. „The Booth“ gibt dann nochmals Einblicke in die Synchronarbeit, „Line-o-Rama“ zeigt Improvisationen der Sprecher und „The Great Beyond“ kümmert sich um die Musik des Films. „The Pitch“ klärt über das Geheimnis von Rogens Erfolg auf und „Seth Rogens Animation Imaginatorium“ macht ein wenig auf Wald Disney, der seine Zuschauer gerne hinter die Kulissen führte.

Fazit

„Die Wahrheit erträgt sich leichter, wenn du breit bist“ – das dem Film entnommene Zitat gilt zwar nicht eins zu eins für den Zuschauer von Sausage Party, doch helfen könnte es schon, um einige der besonders schlüpfrigen Witze honorieren zu können. Glücklicherweise ist Rogens erster Animationsfilm aber weit von der bodenlosen Niveaulosigkeit eines Das ist das Ende entfernt und hat sogar für nicht zugedröhnte Filmgucker seine (witzigen) Momente. Tatsächlich ist er sogar viel besser als man befürchten konnte, denn die Konzentration auf die Überlebensgeschichte der Lebensmittel und die netten Einfälle trösten über allzu kindische Sex-Gags hinweg  – immerhin hält Sausage Party mit seiner Humus-Anekdote sogar eine mögliche Lösung für den Nahost-Konflikt parat.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 60%
Film: 60%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Greg Tiernan, Conrad Vernon
Sprecher: Tobias Kluckert, Katrin Fröhnlich, Tobias Müller, Matti Klemm, Nico Mamone, Alexander Doering
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 99
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Sausage Party

SAUSAGE PARTY - Official Restricted Trailer - In Cinemas August 11

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