Schtonk!

Blu-ray Review

Schtonk! Blu-ray Review Cover
EuroVideo, seit 15.01.2016

OT: –

 


Fälschung!

Helmut Dietls Sensationssatiere erscheint endlich auf Blu-ray.

Inhalt

Nachdem der Kunstfälscher Fritz Knobel erlebt, dass er dem Altnazi und Nähmaschinenfabrikanten Lentz ein selbst angefertigtes Porträt von Eva Braun als echt verkaufen kann, entflammt in ihm die Idee, dem reichen Industriellen noch mehr Geld abzuknöpfen. Die (erfundene) Geschichte des Kunstprofessors Strassers über angeblich verschollene private Aufzeichnungen Hitlers animieren Knobel dazu, des Führers Tagebücher zu fälschen. Als der chronisch abgebrannte und vom Dritten Reich faszinierte Reporter Hermann Willié von der „Existenz“ der Aufzeichnung erfährt, schafft er es, seinem Verlagsleiter neun Millionen Mark für den Ankauf von 60 Tagebüchern zu entlocken. Zweifel über die Echtheit werden immer wieder von Knobel und Willié zerstreut und der Rubel der sensationslüsternen Öffentlichkeit rollt. Doch dann steht eine Untersuchung der Schriftstücke durch das BKA an …

Helmut Dietl, der zuvor schon mit Kir Royal bewies, dass er ein Gespür für gutgeschriebene und bissige Stories hat, inszenierte 1991 vermutlich DIE deutsche Kino-Satire überhaupt. Nicht nur in Anlehnung, sondern sehr direkt orientierte er sich an der Geschichte der gefälschten Hitler-Tagebücher, der acht Jahre zuvor als der größte Skandal des deutschen Nachkriegsjournalismus in die Historie eingehen sollte und den „Stern“ seine gesamte Chefredaktion kostete. Schtonk! kam genau zur richtigen Zeit, zwei Jahre nach Öffnung der Mauer und der Bildung eines Gesamtdeutschlands, das sich auch mit seiner eigenen Geschichte auseinandersetzen musste. Über zwei Millionen Kinozuschauer sprachen eine deutliche Sprache – zumal es sich hier nicht um eine der zu dieser Zeit erfolgreichen Blödelkomödien, sondern um eine durchweg gesellschaftskritische Variante handelte. Durch seine famose Besetzung, die 1991 so ziemlich alles aufbot, was im deutschen TV und Kino Rang und Namen hatte, konnte Dietl seine Darsteller zudem zu absoluten Höchstleistungen treiben. Götz George liefert als Naziverehrer und Schmierlappen vielleicht neben Der Totmacher seine beste Kinoperformance überhaupt ab und Uwe Ochsenknecht zeigt, dass er mehr kann als sein trotteliger Part aus Männer vermuten ließ. Grell und beißend ist die Abrechnung mit den Medien, die Zeit seines filmschaffenden Lebens ein Hauptanliegen Dietls war. Selten bis nie wurde die Sensationslust der schreibenden Gazetten dermaßen genüsslich porträtiert und persifliert. Gerd Heidemann, auf dem die Figur des Willié basiert, bewies hingegen Mut zur Selbstkritik und zum Humor, denn er übernahm gleich zwei Statistenrollen in Schtonk! Wer übrigens schon immer mal wissen wollte, warum Schtonk! ausgerechnet „Schtonk!“ heißt, der schaue sich noch einmal Chaplins großartigen Der große Diktator an, in dem dessen Adenoid Hynkel in einer Fantasiesprache während seiner leidenschaftlichen Ansprachen immer genau dieses Schtonk! einfließen lässt.

Bild- und Tonqualität

Schtonk! beginnt mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die bewusst mit Störelementen, Blitzern und Drop-outs versehen wurden. Mit dem Wechsel auf Farbbild, ändert sich der Look und ohne an heutige Produktionen heranzureichen, muss man dem Film attestieren, dass er nie besser aussah. Vor allem ist es extrem sauber und frei von Schmutz oder Bildfehlern. Die Farben könnten zwar etwas kräftiger sein, wirken jedoch recht natürlich – ähnlich geht es der Kontrastierung, die zwar keinen unglaublich hohen Umfang hat, allerdings angenehm erscheint und durch die recht helle Ausleuchtung auch vermeidet, dass Details versumpfen. Die Schärfe ist erstaunlich ausgewogen. Bei Zooms auf Gesichter gibt’s zwar schon mal leichte Unruhen, doch wenn Knobel in Strassers Buch Der Führer und Ich blättert, lassen sich die Buchstaben problemlos erkennen. Hin und wieder sind allerdings Laufunruhen bei feinen Auflösungen (HHLA-Zeichen im Hintergrund 9’40 und horizontale Linien an der Carin II 9’52) zu erkennen.
Akustisch hat man die Surround-Fassung der 2000er DVD von Schtonk! für die Blu-ray in ein dts-HD-Master-Korsett eingepasst und erwirkt auf diese Weise durchaus Räumlichkeit. Allerdings ist die Zeit nicht spurlos am Material vorübergezogen. Die Dialoge klingen spitz und ziemlich dünn, manches Mal zischelt es unangenehm. Der kongeniale Filmscore von Konstantin Wecker dürfte zudem wie auch die Darstellung der Effekte ein wenig druckvoller erklingen. Das Gewitter bei 26’05 klingt jedenfalls nach 40er-Jahre-Gruselfilm.

Bonusmaterial

Leider gelangte auch auf diese Fassung außer dem Kinotrailer kein nennenswertes Bonusmaterial von Schtonk!. Eine kleine Dokumentation wäre schon schön gewesen und der Film hätte es ohnehin verdient.

Fazit

Schtonk! hat den Wechsel ins hochauflösende Zeitalter geschafft und sieht besser aus denn je. Dass der Sound nicht herausragend geworden ist, schadet dem an sich auch heute noch großartigen Film nicht.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 55%
Bonusmaterial: 5%
Film: 85%

Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: Deutschland 1991
Regie: Helmut Dietl
Darsteller: Götz George, Uwe Ochsenknecht, Christiane Hörbiger, Rolf Hoppe, Dagmar Manzel, Veronica Ferres, Harald Juhnke, Ulrich Mühe, Martin Benrath, Hermann Lause, Karl Schönböck
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 107
Codec: AVC
FSK: 6

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