Self/Less – Der Fremde in mir

Blu-ray Review

Self Less - Der Fremde in mir Blu-ray Review Cover
Concorde Home, seit 23.12.2015

OT: Self/Less

 


Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust

Ryan Reynolds muss sich mit einem ollen Multimillionär in seinem Kopf auseinandersetzen.

Inhalt

Damian besitzt quasi halb New York. Doch nun, mit 68 Jahren ist sein Körper vom Krebs zerfressen und das einzige, das den Multimillionär erwartet, ist der Tod. Eine Telefonnummer führt ihn zu Albright, der mit seiner Firma tatsächlich verspricht, den wachen Geist eines Todgeweihten in den gesunden Körper eines jungen Mannes zu transferieren. Damian sagt zu und das Experiment gelingt. Zumindest vorläufig und wenn er seine Medikamente regelmäßig nimmt, die ihn vor den Nebenwirkungen des Körperwechsels bewahren. Laut Albright sind dies Halluzinationen und emotionale Verstärkungen der Vergangenheit. Damian jedoch geht der Sache auf den Grund und weiß bald, dass ihm die Erinnerungen des Körperspenders in Visionen heimsuchen, sobald er das unterdrückende Medikament auslässt. Kaum steht er der Witwe gegenüber, tauchen die Schergen Albrights auf und zeigen, dass sie gar keinen Spaß verstehen, wenn jemand nicht nach ihren Regeln spielt …

Tarsem Singh, der mit The CellThe Fall oder Krieg der Götter visuell überbordendes Fantasiekino inszeniert hat, liefert mit Self/Less seinen bisher mainstreamigsten Film ab, wenn er Matthew Goode als modernen Frankenstein auf dessen Opfer Ryan Reynolds loslässt. Letzterer agiert mal wieder überzeugend in einem Genrefilm und vermittelt vor allem jene Szenen glaubwürdig, in denen er als Marc intuitiv versierte Kampfhandlungen abspult und sich als gealterter Geist von Damian kurz darauf über sich selbst wundert. Obschon die Geschichte in arg konventionellen Bahnen verläuft und von Anfang bis Ende vorhersehbar bleibt (inklusive vermeindlicher Überraschungen), ist Singh talentiert und versiert genug, die 120 Minuten Laufzeit effektiv und kurzweilig zu nutzen. Eingestreute Kampfszenen liefern nette Choreografien und die nächtliche Verfolgungsjagd inklusive Mehrfachkarambolage ist auf ihre reduzierte Art und Weise ein echtes Highlight. Und wenn man denkt, Singh würde hier zu keinem Zeitpunkt mit optischen Metzchen dienen, dann liefert er nach 100 Minuten eine coole Ballerei in dem provisorischen Labor und zwischendurch auch immer wieder ein paar nette Visionen der ge-shedderten Personen auf cold turkey. Es gibt aber auch einen Aspekt, der einem die Self/Less-Suppe ziemlich vermiest. Denn nervig ist nicht nur das offensive Product Placement der Produkte mit dem Apfel, sondern auch noch die Huldigung dessen Schöpfers. Wenn Albrigt Steve Jobs in einem Atemzug mit Edison und Einstein nennt, bricht man entweder in spontanes Gelächter aus oder ist wahlweise entsetzt – vielleicht sogar beides. An dieser Stelle (auch wenn sie nur kurz ist) läuft der Film ideologisch Gefahr, in den Bodensatz der Unterhaltung zu fallen, aus der auch ein L. Ron Hubbard-Glorifizierungsquatsch wie Battlefield Earth emporklomm. Natürlich ist das nur ein kurzer Moment, natürlich fällt das vielen wahrscheinlich gar nicht auf – aber es hätte nicht sein müssen und stellt die Frage nach dem „Warum“ dahinter. Glücklicherweise folgen dieser Szene noch gut 60 Minuten und man beginnt langsam, über sie hinwegzusehen, wenn Damian immer mehr zu Marc wird und all seine Energie darauf verwendet, den allmachtstrebenden Albright zur Strecke zu bringen. Die im Subkontext mitlaufende Story über die Körpertransformation dient Self/Less zwar nur als Aufhänger und wird nicht sonderlich tiefgründig bearbeitet, entbehrt jedoch nicht jeder wissenschaftlichen Grundlage, wie man anhand der Kommentare im Bonus-Feature „Shedding“ hören kann.

Bild- und Tonqualität

In Sachen Bildqualität kann Self/Less vor allem durch sein sauberes Bild und die hervorragende Kontrastierung punkten. Farben sind jederzeit kräftig und natürlich, die Bildruhe ist selbst in ganz dunklen Momenten ausgezeichnet. Auf diese Weise gehen zu keiner Zeit Details verloren, wenngleich die Helligkeit durchweg etwas höher sein dürfte.
Akustisch kann Self/Less zwar durchaus Akzente setzen und wird beim Shedding-Vorgang unmittelbar räumlich und druckvoll, doch leider sind die Dialoge im Verhältnis viel zu leise abgemischt. Das gilt im Übrigen für die deutsche und die englische Tonspur. Pegelt man den Receiver so ein, dass man die Stimmen jederzeit gut versteht, wird’s in den dynamischeren und voluminöseren Sequenzen unangenehm laut. Das ändert aber auch nichts daran, dass die Musikszenen teils wunderbar räumlich sind. Richtig klasse beispielsweise die Percussiontruppe in Kapitel 4. Auch die Schusswechsel gelangen fulminant ans Ohr und die Crash-Sequenz lässt das Blech förmlich ins Heimkino zerbersten.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Self/Less besteht aus zwei Featurettes mit einer kurzen Gesamtlaufzeit von etwas über fünf Minuten. Das erste ist nicht mehr als ein kommentierter Trailer zum Film, das zweite, „Shedding“ genannt, geht näher auf die Idee des Transfers einer Seele in einen anderen Körper ein und lässt sogar ein paar Expertenstimmen hören. Denn der Begriff ist in der Tat ein in der Wissenschaft genutzter.

Fazit

Self/Less mag in Sachen Optik einen Tarsem Singh mit angezogener Handbremse darstellen – in Punkto Unterhaltung liegt der Körperwechselthriller allerdings auf überdurchschnittlichen Niveau und ist noch dazu treffend besetzt und gespielt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 20%
Film: 70%

Anbieter: Concorde Home
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Tarsem Singh
Darsteller: Ryan Reynolds, Sir Ben Kingsley, Natalie Martinez, Matthew Goode, Victor Garber, Derek Luke, Michelle Dockery, Gary Weeks, Teri Wyble, Sandra Lafferty
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit:
Codec: AVC
FSK: 16

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