Shock and Awe – Krieg der Lügen

Blu-ray Review

shock and awe krieg der lügen blu-ray review cover
EuroVideo, 23.10.2018

OT: Shock and Awe

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Keine Ahnung von der muslimischen Welt

Brisanter Polit-Thriller um die Geschehnisse, die zum Irak-Krieg 2003 führten.

Inhalt

Nachdem am 11. September 2001 die Türme durch den terroristischen Anschlag in sich zusammenbrechen, laufen Politik und Medien auf Hochtouren. Die Schuldigen werden gesucht – und überraschend schnell gefunden. Kaum hat man in Osama Bin Laden den Verantwortlichen für die Taten ausgemacht und beschließt, in Afghanistan einzumarschieren, mehren sich allerdings Stimmen, die noch einen anderen Bezug herstellen. Angeblich habe Bin Laden Unterstützung durch Iraks Präsidenten Saddam Hussein erhalten. Das käme der politischen Führung der USA und vor allem der Familie Bush Recht, ist er ihnen doch schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Während nahezu alles versammelten Medien auf den Kriegszug aufspringen, recherchieren die beiden Reporter Landay und Strobel vom Knight Ridder tiefgründiger. Ihr Arbeitgeber ist ein Konsortium, dem über 30 Tageszeitungen und News-Redaktionen angehören. Der Knight Ridder liefer praktisch die Inhalte, die die zugehörigen Zeitungen dann entsprechend abdrucken. Allerdings lehnen diese die Ergebnisse und Landays und Strobels ab. Sie verwehren sich gegen deren Nachforschungen, dass Hussein nichts mit den Anschlägen zu tun hat als und urteilen sie als „nicht passend zur aktuellen Lage“ ab. Als dann Colin Powell am 05. Februar 2003 mutwillig gefälschte Beweise vor der UN vorlegt, ist der (erneute) Kriege gegen den Irak bereits beschlossene Sache und die US-Medien stimmen in den Kanon ein …

17 Jahre ist es schon her, dass die USA im eigenen Land von Terroristen angegriffen wurden und den schlimmsten Tag ihrer Geschichte erleben mussten. 15 Jahre sind vergangen, seitdem der damalige Außenminister Colin Powell vor der UN-Versammlung etwas von Massenvernichtungswaffen im Irak sprach und dabei die ganze Welt belog. Heute weiß man es besser und heute hat sich auch Powell für seine damaligen Aussagen entschuldigt. Dennoch: Der 3. Golfkrieg ist passiert und die Folgen sind immer noch ablesbar. Zwar ist es für die US-Soldaten nicht ganz so furchtbar ausgegangen, wie es seinerzeit in Vietnam der Fall war, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die damalige Bush-Administration die eigenen Soldaten wissentlich in ein Land schickte, das mit dem Terror nichts zu tun hatte. 138 US-Soldaten starben während der direkten zweimonatigen Kampfhandlungen, über 4000 weitere verloren in den Folgejahren ihr Leben, als es klar war, dass man „so einfach“ nicht wieder aus dem Land herauskommen würde.
Rob Reiner, Regisseur von Filmen wie Eine Frage der Ehre und erklärter Demokrat, nimmt sich nun der Story an. Er beschreibt die Geschehnisse nach den Anschlägen und folgt den beiden Reportern, die der Film als einzige Journalisten beschreibt, die nicht dem gefolgt sind, was die Politik der Gesellschaft zum Fraß vorwarf.
Denn während eine Welle des Patriotismus durchs Land geht, schien es schwer, Kontrapositionen zu vertreten.

Die Journalisten vom Knight Ridder (die, wie New-York-Times-Redakteurin Judith Miller im Abspann sagt, die Einzigen waren, die es „richtig“ angingen) fallen nicht (wie praktisch alle Kollegen der bekannten Zeitschriften und Nachrichten-Magazinen) auf das Säbelrasseln der Falken in der Regierung herein. Sie graben tiefer und hören (bis heute meist anonyme) Stimmen, die es für absolut lächerlich halten, der Führer des Irak habe Massenvernichtungswaffen oder gar etwas mit Bin Laden zu tun. Und so ist Shock and Awe nicht nur ein bitterer Film über die blinde und berechnende US-Politik von George W. Bush, sondern vor allem ein Zeugnis kollektiv versagender Medien. Das Land, das journalistisch-investigative Sternstunden wie Watergate erlebt hatte, schien völlig willfährig einfach nachprüfbare Lügen über den Irak und seine Massenvernichtungswaffen geglaubt zu haben und in den entsprechenden Nachrichten zu publizieren.
Ohne Shock and Awe (im Übrigen ein Ausdruck für eine gezielte Schockwirkung, die auf einen militärischen Gegner ausgeübt wird, um dessen Verteidigungsfähigkeit zu unterdrücken) inhaltlich infrage zu stellen, hätte Reiner das Ganze allerdings weniger zäh gestalten dürfen. Vielfach hat man den Eindruck, einer Dokumentation zuzuschauen, da der Film oftmals echtes TV-Material einstreut. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, doch etwas weniger spröde wäre doch schön gewesen. Etwas mehr Dramatik auch im Bezug auf die konkurrierenden Medien hätte noch mehr dargestellt, wie damals berichtet wurde – ein neuer Die Unbestechlichen ist Reiners Film jedenfalls nicht geworden.

Doch weil die Fakten unbestritten sind und aus sich heraus empörend und spannend genug, funktioniert Shock and Awe als politischer Film dennoch.
Auch schauspielerisch ist Reiners Werk ein Schwergewicht. Während der Regisseur (vielleicht etwas zu selbstverliebt) als Chef der beiden Reporter mitspielt, ist es der ausgewiesene Bush-jr-Kritiker Woody Harrelson, der als ideale Besetzung fungiert. Schon 2002 hatte er in einem Interview mit dem „Guardian“ die Vorbereitungen der Bush-jr-Administration zum Krieg im Irak als  „racist and imperialist war“ bezeichnet. Und so ist es kaum verwunderlich, dass er bei einem Aufeinandertreffen mit dem Haupt-Informant der NY Times, Ahmed Chalabi, ob dessen haltloser Vermutungen basierend auf eigenen Interessen völlig ausrastet. Die Überraschung aber ist James Marsden. Sieht man von der völlig überflüssigen Love-Story mit der Nachbarin seines Filmcharakters, darf er endlich mal mehr zeigen, als den seichten Lover oder den Mutant mit Visier zu spielen. Wenn der Vater seiner Nachbarin die Recherche-Arbeit von Strobel und Landay infrage stellt, merkt man, wie es in der Figur brodelt. Marsden macht das wirklich gut und für den Zuschauer sind das schwierige, weil emotionale Argumente – auf beiden Seiten.
Ein besonders entlarvender und ehrlicher Moment des Films ist jener, in dem im Hintergrund die JA-Stimmen im Kongress für einen Kriegseinsatz im Irak abgespielt werden. Unter ihnen prominente Demokraten wie Hillary Clinton, Joe Biden, John Kerry oder Joseph Lieberman.

Bild- und Tonqualität

Mal abgesehen von den Real-Aufnahmen, die aus TV-Aufzeichnungen stammen, ist das Bild von Shock and Awe erstaunlich kontraststark und liefert in den Naheinstellungen eine sehr gute Schärfe. Tommy Lee Jones‘ Gesicht zeigt die Furchen des Charakterkopfes eindrücklich. Auch einige Sequenzen des irakischen Sandbodens zum Finale hin, sind sehr detailreich. Farben sind recht kräftig und der Kontrastumfang ist in hellen Szenen sehr gut. Sobald es etwas dunkler wird, gibt’s aber unschönes Farbrauschen auf Gesichtern und Oberflächen.
Beim Sound von Shock and Awe gibt’s nur wenig Anlass für räumliche Momente. Der Filmscore wird schon mal auf den Surrounds abgelegt, ansonsten dominieren Stimmen, die klar aus dem Center kommen. Nicht jede Synchronstimme der Nebendarsteller ist allerdings gelungen.
Wird es doch einmal dynamisch wie bei der Explosion nach etwas über 80 Minuten, muss man leider konstatieren, dass der die deutsche Tonspur trotz identischer Kodierung wesentlich weniger Bums und Kraft hat (81’43).

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Shoch and Awe wartet neben den Trailern noch ein Hinter-den-Kulissen-Featurette, in dem Rob Reiner betont, wie wichtig es ist, freie und investigative Medien zu haben, um Demokratie zu sichern. Ein Satz, den sich ein gewisser Herr Trump mal auf der Zunge zergehen lassen sollte. Auch die echten Journalisten kommen zu Wort sowie auch Joe Galloway, dessen aufrüttelnder Satz vor dem Abspann von jedem verinnerlicht gehört, der vor hat, gegen irgendein Land in den Krieg zu ziehen oder der Presse den Zugang zu beschränken.

Fazit

Shock and Awe ist ein wichtiger Film, ein gut gespielter noch dazu. Es ist ein ehrlicher Film und einer, den sich die aktuelle US-Regierung mal ganz genau anschauen sollte. Schon alleine deshalb, weil das Thema Pressefreiheit von dieser mit Füßen getreten wird.
Filmisch hätte Shock and Awe aber inszenatorisch durchaus spannender und unterhaltsamer sein können. Dennoch: Eine Empfehlung für Freunde von gut gespieltem Polit-Kino.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 50%
Film: 70%

Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Rob Reiner
Darsteller: Woody Harrelson, Rob Reiner, James Marsden, Tommy Lee Jones, Jessica Biel, Milla Jovovich
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 91
Codec: AVC
FSK: 12

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter EuroVideo)

Trailer zu Shock and Awe

Shock and Awe Official Trailer #1 (2018) Woody Harrelson, Jessica Biel Iraq War Movie HD

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