Shrew’s Nest

Blu-ray Review

Shrew's Nest Blu-ray Review Cover
Edel/OFDb, seit 08.01.2015

OT: Musarañas

 


Sichere vier Wände?

Frisch prämiert vom Fantasy Filmfest 2015 kommt hier ein atmosphärischer Genrefilm aus Spanien.

Inhalt

Spanien in den 50ern: Seit dem ihre Mutter bei der Geburt ihrer wesentlichen jüngeren Schwester verstarb, kümmert sich Näherin Montse um das Geschwisterchen. Wobei die Grenzen des Kümmerns fließend sind, denn Montse, starke Agoraphobikerin, ist darauf angewiesen, dass die mittlerweile 18-jährige Schwester sämtliche Besorgungen macht und die Geschäfte am Laufen hält. Da Montse nie einen Mann kennengelernt hat und immer noch unter den Eindrücken ihres nach dem Tod der Mutter tyrannischen Vaters leidet, ist die Bibel das einzige, an das sie sich klammern kann, um ihre inneren Dämonen in Schach zu halten. Entsprechend heftig reagiert sie, als sie merkt, dass Schwesterlein mit einem Burschen herumbussiert. Doch der Streit mit ihr verblasst, als der Nachbar von oben die Treppe runterstürzt und vor Montses Tür liegt. Nach anfänglichem Zögern zerrt die Dame des Hauses ihn in die Wohnung und leistet erste Hilfe am gebrochenen Bein des Verunfallten. Fortan weckt Carlos, so sein Name, in Montse nie geahnte Gefühle. Im Inneren fühlt sie sich erstmals wieder normal und will sogar wieder einen Fuß vor die Tür setzen. Und weil sie darüber so glücklich ist, wird sie Carlos nicht mehr fortlassen – nie mehr!

Alex de la Iglesia, spanischer Kultregisseur mit Faible für abgedrehte Splatterfilme (Aktion Mutante, El día de la Bestia), eifert seinem mexikanischen Seelenverwandten del Toro nach und produziert mit Shrew’s Nest einen stimmungsvollen Psycho-Horror-Gruselfilm in bester spanischer Manier. Den romanischen Filmen wohnt stets eine ganz besondere Atmosphäre inne, die auch hier über Kostüme und eine ganz bestimmte Beleuchtung sowie das auf zwei Schauplätze begrenzte Szenario erzielt wird. Und so beginnt Shrew’s Nest während der ersten Stunde dann auch eher wie ein kammerspielartiges Psychodrama im Stile eines Misery, bevor nach gut einer Stunde blutige Tatsachen das Zepter übernehmen. Mit bisweilen ziemlich unangenehmen Szenen (meist das verletzte Bein Carlos‘ betreffend) wirkt der Film direkt in der Magengrube und trumpft mit einem konsequent krassen Ende noch zusätzlich auf. Zum Gelingen trägt vor allem auch bei, dass Montses Dämonen in Person ihres Vaters (gruselig-kühl Luis Tosar Sleep Tight) immer wieder in Erscheinung treten. Wenn er seiner Tochter für alles und jedes die Schuld in die Schuhe schiebt, kann man gut nachempfinden, warum aus Montse geworden ist, was nun als Monster vor Carlos steht. Gerade von Macarena Gómez (Witching & Bitching) in der Hauptrolle wird deshalb einiges gefordert. Wie Gómez von Fürsorge über Verzweiflung, Glück, Hass und Ehrfurcht beinahe sämtliche möglichen Gefühle abruft und in ihre Figur packt, ist ganz großes Genre-Schauspiel und wird von deren Filmschwester Nadia de Santiago kongenial begleitet. Zwar liefert ihre Rolle nicht annähernd diese Nachfrage an unterschiedlichen Gefühlen, dennoch löst die junge Darstellerin den Part beeindruckend und begegnet ihrer Kollegin auf Augenhöhe. Dass Shrew’s Nest während der letzten halben Stunde dann ziemlich blutig wird und auch ein wenig Splatter offeriert, wird Genrefreunde nicht schrecken und ist sicherlich mit ein Grund dafür, dass der Film der beiden Langfilm-Novizen Juanfer Andrés und Esteban Roel beim 2015er Fantasy Filmfest den „Fresh Blood“ Publikumspreis abräumen konnte.

Bild- und Tonqualität

Den spanischen Genrewerken ist oft ein Bild mit harscher Kontrastierung gemein. Auch Shrew’s Nest zeigt diese starken Hell-Dunkel-Übergänge, präsentiert Montses Gesicht aschfahl, während ihre Haare und ihr schwarzes Kleid abgrundtief düster sind. Die Bildruhe ist recht hoch, Rauschen oder Körnung sieht man selbst auf uniformen Hintergründen nicht. Die Schärfe ist ausgewogen und fällt weder in Close-ups noch in Halbtotalen ab. Leider gibt’s zu Beginn des letzten Drittels einen Wechsel und einige Sequenzen werden flau, weil der Kontrastumfang und auch die Schärfe abfallen.
Beim Ton von Shrew’s Nest beschränken sich die rückwärtigen Lautsprecher auf die Wiedergabe des streicherlastigen Filmscores. Selbst während der lauteren Actionszenen verirrt sich kaum ein direktionaler Effkekt auf die Rearspeaker. Die Dialoge gelangen klar und verständlich aus dem Center, während die Nachvertonung von Schritten oder Interaktivitäten etwas unauthentisch geraten ist.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Shrew’s Nest hält neben den Trailern noch elf Minuten an entfernten Szenen sowie ein alternatives Ende und ein Making-of parat. Während das nicht genutzte Ende noch einmal Bezug auf die Vergangenheit der beiden Frauen nimmt, gibt’s im zehnminütigen Making-of die Erklärung dafür, warum Alex de la Iglesia ausgerechnet hier das erste Mal als Produzent in Erscheinung trat. Dazu gibt es zahlreiche Statements der Darsteller und ein paar nette Einblicke hinter die Kamera.

Fazit

Shrew’s Nest atmet den Geist des spanischen Gruselkinos und trumpft mit tollen Darstellern, einer unbequemen Atmosphäre und stilsicheren Bildern auf. Die blutige letzte halbe Stunde stellt dann auch die Horrorfans zufrieden, weshalb der spanische Film gleich mehrere Genrezielgruppen erfolgreich anspricht.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: Edel/OFDb
Land/Jahr: Spanien 2014
Regie: Juanfer Andrés, Esteban Roel
Darsteller: Macarena Gómez, Luis Tosar, Hugo Silva, Nadia de Santiago, Gracia Olayo, Lucia de la Fuente, Carolina Bang, Silvia Alonso, Asier Etxeandia
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 91
Codec: AVC
FSK: 16

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