Blu-ray Review
OT: Sicario: Day of the Soldado
Quid pro quo
Der sensationelle Vorgänger von 2015 erhält einen nicht minder spannenden Nachfolger.
Inhalt
Während CIA-Agent Matt Graver in Kooperation mit dem undurchsichtigen Profikiller Alejandro vor einiger Zeit einen erfolgreichen Schlag gegen das mexikanische Drogenkartell ausführen konnte, wachsen neue Kriminalitäts-Strukturen nach. Es sind nicht mehr nur Drogen, die über die Grenze gebracht werden. Mittlerweile haben sich die Kartelle auch auf den Menschenschmuggel spezialisiert. Als ein islamistisches Attentat auf einen US-Supermarkt verübt wird, vermutet man, dass die verantwortlichen Täter über die mexikanische Grenze geschmuggelt wurden. Graver wird vom US-Verteidigungsministerium damit beauftragt, den Menschen-Zufluss zu stoppen. Um das zu erreichen, will er einen Bandenkrieg anzetteln und so dafür sorgen, dass die Kartelle mit sich selbst beschäftigt sind. Sein Plan: Die Entführung von Isabela Reyes, der Tochter von Drogenboss Carlos, um es einem konkurrierenden Kartell unter zu schieben. Für die Durchführung braucht Graver allerdings Hilfe. Und die findet er in Söldner Alejandro Gillick. Dass der (mal wieder) eine Rechnung mit seinem Gegner Reyes offen hat, könnte die Aktion allerdings gefährden …
Knapp drei Jahre nach dem grandiosen Vorgänger wechselt zwar der Regisseur, nicht aber die Hauptbesetzung in Sicario 2. Während das Original von Denis Villeneuve inszeniert wurde, nimmt nun der Italiener Stefano Sollima Platz auf dem Stuhl des Direktors. Sollima bewies mit dem Gangster-Film Suburra bereits, dass er Genrefilme inszenieren kann und empfahl sich vor allem als einer der Haupt-Regisseure der Serie Gomorrha. Nun also darf er seinen ersten US-produzierten Film inszenieren und gleichzeitig schauspielerische Schwergewichte wie Benicio Del Toro und Josh Brolin dirigieren. Das Skript zur Fortsetzung lieferte aber erneut Taylor Sheridan. Der Schauspieler/Regisseur/Drehbuchautor integrierte zum schon bekannten Szenario Mexiko/Drogen/Kartellbosse noch ein bisschen aktuelle Terrorismus-Thematik sowie Menschenschmuggel-Motive. Damit könnte er die Story überfrachten. Könnte man befürchten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn im Gegensatz zum etwas verschachtelten Vorgänger wird hier nicht mit so vielen Figuren jongliert und auch die Operationen sind nicht ganz so vielfältig.
Dass auch Sollima weiß, wie man den Zuschauer ohne große Umschweife in ein beängstigendes Szenario wirft, ist spätestens nach sechs Minuten klar. In dieser Zeit hat man eine Menschenflucht-Szene an der Grenze sowie den Anschlag auf den Supermarkt gesehen. Ohne große Dialoge, vermittelt nur über wuchtige Bilder, die gerade den Selbstmordanschlag so unbarmherzig schildern, wie solche brutalen Aktionen nun mal sind, bleibt einem auch hier (wie im Intro des Vorgängers) die Spucke weg.
Natürlich fehlt Sicario 2 etwas das überraschende Element, das Sicario vor drei Jahren ausmachte. Doch das macht ihn nicht weniger spannend. Sollima führt seine Figuren ebenso sorgfältig ein wie Villeneuve und legt die Fährten für die Story aus. Minutiös verfolgt der Film dem Plan und der Ausführung und lässt schon die erste Dreiviertelstunde zum echten Spannungskino werden. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell Zeit im Film vergehen kann, wenn Story und Inszenierung straff vorwärts kommen, ohne jedoch die Bindung zu den Figuren zu verlieren – und das, obwohl weder Graver noch Alejandro Sympathieträger sind. Wirklich gut geschriebene Charaktere müssen aber nicht zwingend sympathisch sein, um den Zuschauer zu packen – wie eben in Sicario 2.
Gleichzeitig ist Sheridans Skript stringent und nachvollziehbar. Etwas einfacher, wie erwähnt, aber deshalb auch leichter zu verfolgen. Die kleineren Feinheiten, Geheimnisträger und Verrate werden immer nur so gezielt angeteasert, dass man eine Ahnung erhält – ohne aber direkt zu wissen, was passieren wird.
Umso klarer und beeindruckender ist die Spannung, die beständig anhält. Manchmal reicht dafür schon der kleine Kniff, die asphaltierte Straße enden und in eine aus Staub und Schmutz werden zu lassen. Und schon findet der Zuschauer sich in einer vernebelten Atmosphäre, in die man das Wort „Bedrohung“ praktisch eingravieren könnte. Die Sequenz, in der der Humvee angegriffen wird, gerät zum ersten echten Höhepunkt – vergleichbar mit der famosen Verkehrsstau-Szene im Vorgänger.
Setting, Story und Action passen also schon mal vorzüglich. Fehlen nur noch die Darsteller. Sicario 2 muss ohne Emily Blunts Kate Macer auskommen, die Alejandro am Ende des ersten Teils quasi in die Wüste geschickt hatte. Josh Brolin wird damit während der ersten 70 Minuten zum Dreh- und Angelpunkt, was er locker schultert. Seine wild entschlossene Miene, die er auch dann noch stolz aufsetzt, wenn er der Mitarbeiterin des Verteidigungsministers die Stirn bietet, zeugt von der Kraft seiner Rolle.
Dazu gibt’s von ihm die bekannten sarkastischen und furztrockenen Einzeiler wie jenen, den Graver der Politikerin returniert, nachdem sie ihm empfahl, doch mal in Sonnencreme zu investieren. Gravers Antwort: „Wenn ihr eure Kriege irgendwo führen würdet, wo es wolkenverhangener ist, müsste ich es nicht tun“. Das ist die Art von „Humor“, die schon den Vorgänger ausmachte.
Benicio Del Toro, der geheimnisvolle Söldner aus dem Vorgänger, kommt erst nach etwas über einer Stunde so richtig zur Geltung. Dann aber umso stärker. Der beinharte Killer aus Sicario wird in der taubstummen Kommunikation mit einem einheimischen Bauern zum sensiblen und empathischen Vater, der von seiner ermordeten Tochter spricht. Dass er diese Regungen zeigt, während er mit der Tochter jenes Mannes unterwegs ist, der ihm seine Familie nahm, macht diese Szenen umso kraftvoller.
Und um bei der Tochter zu bleiben: Isabela Moner (die schon in Transformers: The Last Knight überzeugte) und die hier Isabel Reyes spielt, macht das hervorragend. Sowohl die arroganten Szenen zu Beginn in der Schule als auch die angstvollen und schockierten nach gut 100 Minuten nimmt man ihr bedenkenlos ab.
Zum Schluss noch ein Wort zur Härte, die auch den Vorgänger ausmachte: Sicario 2 steht dem ersten Teil in Nichts nach und liefert blutige Exekutionen ohne jede Gnade – die 18er Freigabe ist absolut berechtigt.
Bild- und Tonqualität BD
Das Bild der Blu-ray von Sicario 2 passt sich über weite Strecken dem Look des Vorgängers an. Auch der präsentierte während der Szenen in Mexiko oder an der Grenze vornehmlich warme Brauntöne mit gelbgoldenen Hauttönen. Die Sequenzen in den USA – beispielsweise im Office des Verteidigungsministers – sind kühler gehalten und erfreuen dort mit satten Kontrasten. Ohnehin ist die Kontrastierung sehr gut gelungen – gerade während der dunkleren Szenen, in denen die Blu-ray die UHD sogar schlagen kann (siehe nächstes Kapitel). Ebenfalls hervorzuheben ist die Schärfe, die Close-ups ultrascharf darstellt und nie wirklich in die Knie geht. Lediglich ein ganz leichtes Korn ist wahrnehmbar, wenn mal uniforme Hintergründe zu sehen sind (Himmel oder grauer Asphalt). Ansonsten ist das hier eine wirklich sehr gute BD-Umsetzung.
Beim Sound hebt sich Anbieter StudioCanal mal wieder sehr positiv hervor und integriert schon auf der Blu-ray Dolby-Atmos-Fassungen fürs Deutsche und Englische – jeweils in True-HD kodiert.
Ohne direkt zur oberen Ebene zu springen, darf man von Beginn an einem immens druckvollen und dynamischen Sound beiwohnen. Bereits die düster-bohrenden Score-Elemente, die noch vor dem ersten Bild über die Lautsprecher ins Heimkino dringen, drücken ordentlich in die Magengegend. Sicario 2 macht hier auch akustisch klar, dass er keine Gefangenen machen will. Das Gleiche gilt für die Explosion im Supermarkt, die zwar nicht bis in den Tiefbass hinunterreicht, aber im Bereich von 200-500Hz richtig Krach und Krawall macht – passend zur Unvermitteltheit dieser Szene. In der nächsten Sequenz gibt es dann kurze trockene Schüsse aus MPs sowie solche aus schallgedämpften Sniper-Rifles. Beide Waffen setzen ihre Projektile absolut präzise ins Heimkino mit hervorragend ortbaren direktionalen Effekten. Die Schüsse aus den halbautomatischen Waffen beim Anschlag auf Kartell-Anwalt Diaz sind dann wiederum so heftig, dass einem Angst und Bange wird (27’33). Praktisch jede folgende Schießerei oder auch die Explosionen von Geschossen vermittelt eine pure und absolut überzeugende Dynamik mit hoher Direktionalität der Soundeffekte und absoluter Klarheit. Außerdem hat man selten so vehemente Hubschrauber-Sounds gehabt, wie nach gut 105 Minuten, wenn Graver mit seinen Männern die beiden Fahrzeuge der Schmuggler umkreist – Wahnsinn (104’30).
Wechseln wir auf die Höhen-Ebene, muss zunächst eins gesagt werden: Sicario 2 liefert nur wenige echte direktionale Sounds von oben. Bis auf zwei/drei Ausnahmen (Luftbewegung während des Fallschirmsprungs, kurze Sirene bei 45’58, Granaten 55’07) sind es außerdem ausschließlich Helikopter-Geräusche, die von den Heights kommen.
Doch das soll keine Kritik sein. Denn wenn der Film schlicht keinen Anlass hat, weitere Höhen-Effekte zu liefern, kann man ihm das ja nicht ankreiden. Und wenn vor allem die Effekte, die er liefert dermaßen grandios vertont sind.
Schon direkt zu Beginn gibt Anlass für die Heights einzugreifen. Optisch absolut richtig verortet hört man die Rotoren des Helikopters von oben, während die Kamera sich innerhalb desselben befindet. Sobald man den Heli von außen (und oben) zeigt, bleiben die Lautsprecher korrekterweise still.
Wenn dann über das US-Camp ein nicht sichtbarer Hubschrauber flappt, denkt man wahrlich, er bewege sich innerhalb des Heimkinos (8’44) – ähnlich wie später noch einmal, während einer spannenden Menschenschmuggel-Szene (77’55). Richtig heftig gerät auch die Rotor-Verortung, wenn Graves unter den laufenden Helis entlang läuft, bevor er in einen einsteigt (85’16) – Der Zuschauer ist hier dermaßen mittendrin, wie es bisher noch nie der Fall war. Ein letztes Mal geht’s dann nach 105 Minuten ab, wenn erneut die Hubschrauber kreisen. Wie gesagt: Das ist nicht sonderlich abwechslungsreich, in seiner Vehemenz und Kraft aber einzigartig.
Bild- und Tonqualität UHD
Sicario 2 wurde komplett digital gefilmt – und zwar mit Arri-Alexa-XT-Plus- und Arri-Alexa-Mini-Kameras. Am Ausgang lagen hernach 3.4K an, die fürs Digital Intermediate allerdings (konträr zum ersten Teil) auf 2K heruntergerechnet und für die UHD dann wieder hochskaliert wurden. Es ist also kein natives 4K-Material, das wir hier sehen. Einen erweiterten Farbraum im Rahmen von Rec.2020 sowie die höhere Bilddynamik liefert die Disk natürlich dennoch. Und zwar – im Gegensatz zur HDR10-only-US-UHD – auch in Dolby Vision.
Im laufenden Bild zeigt sich die UHD dann mit einem extrem krispen und scharfen Look. Die Tageslicht-Szenen an der mexikanischen Grenze scheinen jedes Staubkorn zu offenbaren und wirken noch einmal detailreicher als über die schon nicht schlechte Blu-ray. Auch das Geschmeide von Bashir erscheint derart gut aufgelöst, dass man jedes einzelne Element an den Ketten erkennen kann (12’10). Trotz der Dunkelheit in dem Verhör-Container bleiben zudem die Kontraste hervorragend – zumindest per HDR10. Über Dolby Vision wird’s hier bisweilen etwas zu düster und zu überdramatisch im Farbkontrast.
Während der harten Schlagschatten-Szenen im Büro von Verteidigungsminister Riley sind Schwarzwerte und Kontrastierung wiederum sehr viel besser als über die Blu-ray. Lediglich die ganz dunklen Szenen erscheinen etwas grauer, da HDR10 sie offenbar etwas anhebt. Hier punktet die Blu-ray mit satterem Schwarz. Auch Dolby Vision kann das besser, leidet aber etwas in der Durchzeichnung.
In Sachen HDR10 betrifft der etwas schwächere Schwarzwert leider gut eine Viertelstunde Spielzeit während der Nachtszenen nach etwa 90 Minuten. Diese Momente zeigen per HDR10 zwar mehr Details im Dunklen, aber eben auch weniger ausgeprägten Schwarzwert. Dolby Vision ist hier satter schwarz, aber wie zuvor schon nicht ganz so stark beim Durchzeichnen.
Ein bisschen Korn gibt’s aus stilistischen Gründen auch, wie man anhand des Asphalts vor dem Supermarkt sehen kann (04’50), aber das hält sich in den allermeisten Szenen in erträglichen Grenzen. Gerade in dunklen Momenten nimmt es glücklicherweise auch nicht zu.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Sicario 2 warten insgesamt drei Featurettes. Im Making-of schauen wir gut eine Viertelstunde zu, wie man einige Szenen dreht, an welchen Drehorten man war und wie sich der italienische Regisseur dem Film näherte. In „Vom Film zum Franchise“ erklären Macher und Darsteller, was es mit der Fortsetzung auf sich hat und in welche Richtung es gehen sollte. „Der Cast & die Figuren“ schließlich kümmert sich dann noch einmal eine Viertelstunde um die Charaktere und ihre Entwicklung während es zweiten Teils.
Fazit
Auch wenn die große Überraschungswirkung des Vorgängers fehlt – Sicario 2 ist ein düsteres und kraftvolles Werk, dessen Bilder noch lange wirken. Von all den Thrillern der letzten Jahre stechen Sicario und dieses Sequel ohne Zweifel heraus – und zwar schauspielerisch, inszenatorisch und aufgrund des Skripts. Dass Letzteres zwischen Schwarz und Weiß auch viele Graustufen hat, zeichnet Sheridan aus, der sich nach diesen beiden Vorlagen sowie jenen zu Hell or High Water und Wind River zum neuen Drehbuch-Wunderkind mausert. Mal sehen, ob er zwischen dem Schreiben an seiner Serie Yellowstone noch Zeit für den (sehr wahrscheinlichen) dritten Teil findet. Man darf gespannt sein.
Die UHD des Films liefert bis auf die leichten Mängel im Schwarz zum Finale hin das durchweg etwas bessere, farblich kräftigere und dynamischere Bild. Auch die Auflösung lässt Sicario 2 plastischer erscheinen – selbst wenn es nur hochgerechnet ist. Dazu liefert der Atmos-Sound eine sensationell gute reguläre Ebene und die bisher heftigsten Hubschrauber-3D-Sounds überhaupt.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 90% (im Rahmen einer Blu-ray-Bewertung)
Bildqualität UHD (HDR10): 85% (im Rahmen einer UHD-Bewertung)
Bildqualität UHD (Dolby Vision): 85% (im Rahmen einer UHD-Bewertung)
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (dt. Fassung): 90%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (dt. Fassung): 40%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (dt. Fassung): 90%
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 90%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 40%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 40%
Film: 90%
Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Stefano Sollima
Darsteller: Benicio Del Toro, Josh Brolin, Catherine Keener, Isabela Moner, Matthew Modine, Jeffrey Donovan, Shea Whigham,
Tonformate BD/UHD: Dolby Atmos (True-HD-Kern): de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 122
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Nein (2K DI)
High Dynamic Range: HDR10, Dolby Vision
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover, Szenenbilder und Screenshots von BD und UHD liegt bei Anbieter StudioCanal)