Sicario

Blu-ray Review

OT: Sicario

Sicario Blu-ray Review Cover
Studiocanal, 04.02.2016

 


Recht und Ordnung

Von Denis Villeneuve kommt ein höchst intensiver Drogenthriller ins Heimkino

Inhalt

FBI-Agentin Kate Macer ist eigentlich Spezialistin für Entführungen und hat gerade einen Einsatz mitgemacht, der Grausiges zutage gefördert hat. Die Tatsache, dass Macer familiär unabhängig ist, lässt sie für Matt Graver, den Koordinator des Kampfes einer CIA-Task-Force gegen die mexikanischen Drogenkartelle, interessant werden. Er nimmt sie mit auf eine Mission, in der das Sonora-Kartell und vor allem deren hohes Tier, Manuel Diaz, durch das Kappen des Geldflusses aufgescheucht werden soll. Eine bedeutende Rolle spielt dabei Vollstrecker Alejandro, der sich als erstaunlich informierter Insider erweist. Der erste Einsatz endet mit mehreren toten Kriminellen, die mitten auf der Straße unschädlich gemacht werden. Doch das führt nur zu mehr Aufruhr. Ohnehin bleiben von da an nur noch wenige Tage, bevor sich das Kartell neu organisiert hat und seine Spuren verwischen kann. Dann jedoch erfahren Matt und Alejandro, auf welchem Weg die Drogen in die USA geschmuggelt werden und planen, so geben sie jedenfalls vor, auf diesem Weg zu erfahren, wo der Aufenthaltsort von Fausto Alarcón, einem der großen Bosse ist. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit …

Der frankokanadische Regisseur Denis Villeneuve hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einem Liebling beim Publikum des anspruchsvollen und vielschichtigen Thrillers/Dramas entwickelt. Schon im großartigen Prisoners mit Jake Gyllenhaal und Hugh Jackman zeigte er dabei, wie tief man in die Abgründe seiner Figuren blicken kann. Für Sicario nahm er sich nun eines Drehbuchs von Taylor Sheridan an, der damit sein erstaunliches Debüt gab. Sheridan, eigentlich eher als Schauspieler bekannt (Deputy Chief David Hale aus Sons of Anarchy), hat lange recherchiert, um seine psychologisch ausgefeilte und packende Vorlage umzusetzen. Mit Villeneuve als Regisseur fand er dann den idealen Partner für einen Drogenthriller, der aktuell seinesgleichen sucht. Das Thema von Sicario mag dabei an der Oberfläche der Kampf gegen die mexikanischen Drogenkartelle sein, doch auf der (noch spanennderen) Subebene geht es vor allem darum, wie weit wir als Gesellschaft zu gehen bereit sind, um uns zu schützen – welche Maßnahmen (legal oder illegal) ergreifen wir, um Unheil abzuwenden und wie viele Schritte gehen wir dabei eventuell zu weit? Erneut schaut der Kanadier dabei seinen Figuren ganz tief ins Innere und lotet ihre Abgründe aus.
Filmisch gesehen beginnt Sicario dabei extrem spannend. Während der pumpend-trommelnde Beat des Scores immer intensiver wird, zeigt die Kamera, wie das Haus eines vermeintlichen Entführers belagert wird und sich die Einsatzkräfte darauf vorbereiten, einzudringen. Scheint dort zunächst die Luft rein zu sein, wird im nächsten Moment klar, dass der Film auch in Sachen Brutalität und Drastik keine Gefangenen macht. Was sich den FBI-Leuten nach der Überwältigung der drei Kriminellen bietet, will man als Normalsterblicher jedenfalls nicht sehen (und riechen). Ähnliches dann bei der Ankunft Kates in Juarez, wenn man an aufgeknüpften und zerstückelten Torsos vorbeifährt.

Während der Actionszenen nimmt sich Sicario ebenfalls nicht zurück und ist einem extrem hohen Realismus verpflichtet. Akribisch achtet man von Seiten der Produktion darauf, dass die Schauspieler sich authentisch verhalten und die Kamera stets unmittelbar im Geschehen zu finden ist. Gerade die lange Fahrt der Einsatzfahrzeuge durch Juarez und wieder zurück zur Grenze, die Mancher für zu ausgedehnt halten könnte, intensiviert zum zweiten Mal eine Spannung (fast greifbar, wenn Del Toro und die Kollegen sich im Fahrzeug sitzend mit scharfen Waffen auf eine Konfrontation einstellen), die sich dann eruptiv in einem ebenso kurzen wie präzis-krassen Shoot-out entlädt. Und wenn während der letzten dreißig Minuten das Finale mit der komplett im Dunkeln spielenden Tunnelszene Showdown eingeläutet wird, hält man nicht nur einmal die Luft vor Spannung an. Ein wenig Zero Dark Thirty-Stimmung macht sich hier breit, wenn die Kamera ausschließlich mit Nachtsicht- und Infrarotkameras das Geschehen aufzeichnet und ein Höchstmaß an Realismus einbringt. Aber, wie schon erwähnt, ist der Film nicht nur ein extrem spannender Thriller, sondern auch ein in der zweiten Hälfte zunehmend eindringliches Drama darüber, zu welchen Dingen Menschen fähig sind, wenn sie bis zum Äußersten getrieben werden. Bekommt man bei Kates nächtlichem Ausflug noch einen kurzen Moment das Gefühl, Sicario reduziere ein wenig zu sehr das Tempo, wird genau dann mit Ted eine Figur eingeführt, an der sich die Abgründe der Protagonisten auftun. Noch stärker wird dieses Gefühl, wenn die wahren Beweggründe hinter dem Einsatz kurz vor Schluss offenbart werden und zeigen, wie tief auch das CIA im Drogenkrieg steckt. Diesen Trumpf im Ärmel spielt Villeneuve mit aller Schonungslosig- und Hoffnungslosigkeit aus und lässt den aufgeschlossenen Cineasten mit einem dumpfen Gefühl im Magen zurück. Nach Sicario jedenfalls ist klar, warum ausgerechnet der Kanadier momentan als Regisseur in der Vorproduktion des Blade-Runner-Sequels steckt.

Bild- und Tonqualität

Sicario beginnt während der gut ausgeleuchteten Außenszenen mit einem hervorragend ruhigen und außergewönlich gut kontrastierten Bild. Die Schärfe in Nahaufnahmen ist exemplarisch hoch und offenbart jede Einzelheit in Brolins oder Del Toros Gesicht. Hautfarben gelingen sehr natürlich, mit einer leichten Brauntönung. Dieser Eindruck bleibt knapp 90 Minuten erhalten und wird im Finale dann von Aufnahmen abgelöst, die ausschließlich in völliger Dunkelheit stattfanden. Die dann zum Einsatz kommenden Infrarot- und Nachtsichtkameras liefern zwar ein sehr typisches und eigenes Bild ab, das nach technischen Gesichtspunkten nicht hübsch ist, dafür aber demonstriert, dass man möglichst realistisch vorgehen wollte.
Seht her, liebe Soundverantwortliche von Paramount Home und (manchmal auch) Warner Home! Hier ist einer, der es kann. Studiocanal überlegt gar nicht lange und spendiert Sicario eine englische UND deutsche Dolby-Atmos-Spur. So einfach kann’s gehen, wenn einem die Fans wirklich am Herz liegen und man technisch up to date sein möchte. Doch selbst solche Heimkinofans ohne Atmos-Receiver kommen in den Genuss einer ganz feinen 7.1 Spur (die dann auf Dolby True HD heruntergemsicht wird). Fein deshalb, weil selbst nuancierte Zwischentöne hervorragend funktionieren und nicht in den mitunter brutal dynamischen Sequenzen untergehen. Wenn während der Eröffnungssequenz die Bombe explodiert, hat man im Heimkino indes schon länger nichts vergleichbar Kräftiges mehr erlebt (6’50). Toll, wie kurz danach die Einzelheiten aus den Back-Surrounds der 7.1-Spur herunterrieseln. Lediglich die Stimmen sind im Verhältnis ein kleinwenig zu leise abgemischt, was eine Anhebung des Volumens erfordert, das wiederum einhergeht mit einer brachialen Lautstärke während der Actionszenen. Dies ist aber auch das einzige Manko eines ansonsten praktisch perfekten Sounds. Wer exemplarisch mal eine demonstrativ-großartige Hubschrauberszenen erleben möchte, der achte in Kapitel drei auf den Heranflug des Rotor-Flugvehikels. Begleitet vom kongenialen Filmscore nähert dieser sich langsam aus dem Rücken an, flappt zunächst dumpf, bis er gut 40 Sekunden später lauter wird und nach einer Minute tosend über den Kopf hinwegrauscht – sensationell (24’40 bis 25’40)! Gleichsam herausragend ist die Tunnelszene, die das Finale von Sicario einläutet und eine Vielzahl an direktionalen Effekten, verhallenden Schüssen und herumfliegenden Patronenhülsen parathält.

Bonusmaterial

Sicario verfügt im Bonusmaterial über vier Featurettes: In „In die Finsternis eintreten“ geht es um das visuelle Design des Films. Dennnis Villeneuve beschreibt zunächst, dass es ihm vor allem wichtig ist, die Grauschattierungen der verschiedenen Kulturen darzustellen. Der Regisseur schildert aber auch, dass er an die Gewalt und die Action so realistisch wie möglich herangehen wollte. Bei der visuellen Gestaltung ging man zunächst von Collagen aus, die man anfertigte und nahm dann eine ausgiebe Recherche vor, welche Drehorte geeignet wären. In New Mexiko wurde man fündig. Kameramann xx ging es dann darum, möglichst natürlich zu filmen, weshalb Szenen in Dunkelheit WIRKLICH in totaler Dunkelheit stattfanden. Um die Finsternis zu umgehen, wurden echte Infrarot- und Nachtsichtkameras eingesetzt, die dem Ganzen einen äußerst authentischen Look verliehen. In „Die Darstellung der Charaktere“ geht es natürlich um die Darsteller des Films und hier vornehmlich um die drei prominenten Schauspieler an vorderster Front. „Kampfzone: Der Hintergrund von Sicario“ klärt ein wenig über die realen Geschehnisse auf, die durch die mexikanischen Drogenkartelle tagtäglich zu beobachten sind. Wenn Zeitzeugen berichten, wie heftig es zugeht und wie sehr die Kartellbosse Polizei und Staat im Griff haben, läuft es einem kalten den Rücken runter. „Takte aus der Wüste: Die Filmmusik“ letztlich ist ein etwas kürzeres Feature über den Score, der sich (hörbar) und auch nach Villeneuves Aussage an Der weiße Hai orientierte und den der Isländer Jóhann Jóhannsson übernahm.

Fazit

Sicario ist nicht mehr oder weniger als der intensivste, spannendste und gleichzeitig schonungsloseste Drogenthriller der letzten Jahre. Allerdings erfordert er von seinem Zuschauer ein wenig Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit für die im Hintergrund schwelenden Motive. Einzges Manko ist (trotz vorzüglicher Darstellerleistungen aller Hauptfiguren) die Rolle der Kate. Dass Graver die junge Frau nur deshalb hinzuzog, weil die CIA ohne Kenntnis und Beteiligung einer Behörde wie dem FBI keine Operation innerhalb der USA durchführen darf, lässt ihrem Charakter nur wenig Möglichkeit zur Entfaltung. Ebenso unwahrscheinlich ist es, dass er sie an der finalen Operation noch aktiv teilhaben lassen würde, wo er doch um ihre Vorbehalte weiß.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 90%
Tonqualität (dt. Fassung): 90%
Tonqualität (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 60%
Film: 90%

Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Emily Blunt, Benicio Del Toro, Josh Brolin, Victor Garber, Jon Bernthal, Daniel Kaluuya, Raoul Trujillo, Jeffrey Donovan
Tonformate: Dolby Atmos (DD True HD 7.1): de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 122
Codec: AVC
FSK: 16

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