Silence

Blu-ray Review

Silence Blu-ray Review Cover
Concorde Home, 07.09.2017

OT: Silence

 

 


Für den Glauben

Scorsese realisiert mit Silence ein dreißig Jahre gehütetes Herzenswerk.

Inhalt

Portugal im Jahre 1638: Die Jesuitenpriester Sebastião Rodrigues und Francisco Garupe hören davon, dass ihr damaliger Lehrmeister Cristóvão Ferreira nach all der Folter und dem Leid, das die Japaner den Christen im eigenen Land angetan hatten, dort dem katholischen Glauben abgeschworen habe. Er lebe jetzt als Japaner vor Ort. Rodrigues und Garupe trauen ihren Ohren nicht und weigern sich auch, es zu glauben. Da sie sich selbst vergewissern wollen, reisen sie mit Hilfe des vertriebenen konvertierten Japaners Kichijiro über die See in das ferne Land. Was sie dort vorfinden, hätten sie allerdings nicht erwartet. Die kleinen katholischen Gruppen leben im Untergrund und in ständiger Angst, von den Männern des unbarmherzigen Inquisitors Inoue entdeckt zu werden. Als der von der Anwesenheit der beiden Jesuiten-Priester erfährt, lässt er vier Dorfbewohner verschleppen und bindet sie an Pfählen im Meer fest. Sie sollen den Aufenthaltsort der Europäer preisgeben, ansonsten würden sie durch die Flut getötet. Die vier Konvertiten schweigen … und sterben. Als Rodrigues und Garupe davon hören, beschließen sie, getrennt voneinander das Land wieder zu verlassen. Rodrigues, der zunehmend mit Zweifeln an seinem Glauben konfrontiert wird, empfiehlt den verbliebenen japanischen Christen, dem Glauben abzuschwören, um zu überleben. Als er jedoch selbst in Gefangenschaft gerät, bevor er das Land verlassen kann, verlangt man auch von ihm, auf das Antlitz von Jesus zu treten – Sebastiãos schwerste Prüfung steht ihm damit bevor …

Nach Die letzte Versuchung Christi von 1988 und Kundun von 1997 vollendet Martin Scorsese mit seinem absoluten Wunsch-Stoff nun eine Art „Trilogie des Glaubens“. 1988 war der Regisseur erstmals mit dem Roman Silence des Japaners Endō Shūsaku konfrontiert worden. Der stark katholisch geprägte und damit der absoluten Minderheit in Japan angehörige Shūsaku arbeitete in seinem Werk von 1966 die Christenverfolgung im Japan des 17. Jahrhunderts auf, als die Inquisitoren im christlichen Glauben eine Bedrohung sahen und die japanischen Konvertiten verfolgten, folterten und ermordeten. Kein Wunder, dass der Roman in Japan durchaus kontrovers aufgenommen wurde. Die Geschichte ist natürlich wie gemacht für Martin Scorsese, der immer das Kontroverse und tiefgründige in seinen Geschichten sucht. Seine Filme über Spiritualität sind nie einfache Religionsporträts, die missionieren wollen. Und so geht es Silence nicht darum, eine religiöse Botschaft zu übermitteln, sondern viel mehr darum, dass man einerseits versteht, warum die Jesuitenpriester ihren Glauben in die Welt hineinbringen wollten und andererseits, nachvollziehen zu können, warum die Japaner sich irgendwann dagegen wehrten. Der Regisseur lässt sich dabei alle Zeit der Welt. Er nimmt sich inszenatorisch zurück, filmt klassisch und nutzt die Laufzeit von 162! Minuten ausgiebig, um den Zuschauer nach und nach an das Thema ran zu führen. Man soll während des Schauens zur Ruhe kommen, sich einfinden und auf das konzentrieren, was gezeigt wird. In einer Zeit, in der Kinofilme oftmals Schnitte im Millisekunden-Bereich setzen, hält Scorsese seine Kamera konstanter auf die Sequenzen und vermeidet moderne Mätzchen.

Das muss man als Zuschauer natürlich nachempfinden und wertschätzen können. Jeder, der hier nach zehn Minuten nervös von einer Pobacke auf die andere rutscht, sollte sich die nächsten 150 Minuten nicht mehr antun. Alle anderen aber werden mit einem Film belohnt, der viel Wert auf Authentizität legt und die teils realen Vorbilder mit Respekt behandelt. Viele Szenen werden in Originalsprache wiedergegeben, was den Realismus noch erhöht. Die Tatsache, dass gerade die japanischen Darsteller mit Herz und Seele ihre Rolle verkörpern, lässt das Festhalten am Glauben physisch spürbar werden. Wenn die drei Konvertiten beispielsweise mit der Flut und damit um ihr Überleben kämpfen, ist das von intensiver Schauspielkunst und die Bilder sind kaum erträglich. Ja, Mel Gibson, so etwas geht sogar ohne den Einsatz einer Peitsche, die den/dem Leidenden/Gefolterten das Fleisch aus dem Körper reißt. Scorsese geht es in Silence zu keiner Zeit um spekulative oder bewusst manipulativ-brutale Bilder. Der Regisseur fängt sein Publikum und die Emotionen mit Atmosphäre, sensationellen Bildern seines Kameramanns (oscarnominiert: Rodrigo Prieto) und präzisem Schauspiel. Neben den einheimischen Darstellern überzeugt auch Ex-Spider-Man Andrew Garfield (Hacksaw Ridge), dessen Verkörperung Sebastiãos sensibel und ausgewogen gerät. Auch ihm ist es zu verdanken, dass der Film nie belehrend wirkt. Dafür schafft es der junge Darsteller durchweg, die anfängliche Überzeugung und die spätere innere Zerissenheit seiner Figur glaubhaft darzustellen. Wenn er dann in einem finalen Paradoxon dem Glauben abschwört, um ihm an anderer Stelle den Weg zu weisen, ist das ein bewegender und hoch emotionaler Höhepunkt, den Scorsese in stille Zeitlupenbilder hüllt als verginge für Sebastião eine Ewigkeit.

Bild- und Tonqualität

Silence nutzt teils deutlich gefilterte Bilder, was zu sehr kühlen Farben in Portugal führt. Da teilweise digital und teilweise auf 35mm Film aufgenommen wurde, zeigt der Film zudem durchgängig ein sichtbares und thematisch vorzüglich passendes Korn. Außerdem ließ Scorsese häufig ohne große künstliche Lichtquellen drehen, was dem Film eine hohe Authentizität verleiht, jedoch dazu führt, dass Details in dunklen Bereichen schon mal verschwinden. Der untere Bildrand ist bisweilen unscharf (Füße 23’19), die fokussierten Objekte oder Figuren kommen allerdings recht griffig rüber.
Zwar verweigert sich Silence den gängigen Sound-Eskapaden der heutigen Actionwerke, nutzt die Lautsprecher aber dennoch reichhaltig und ausgiebig. Noch bevor ein echtes Bild auf der Leinwand erscheint, nimmt die Natur den Zuschauer akustisch gefangen. Zikaden und Vögel zwitschern und zirpen um die Wette, bis man meint, mitten in einem Sumpf zu sitzen. Allerdings nimmt sich der Sound tatsächlich oft bewusst zurück. So sieht man Dinge, die eigentlich für Dynamik und Effektreichtum sorgen könnten, der Ton konzentriert sich in diesen Momenten allerdings oft vollständig auf die Stimme des Erzählers. Die Sprache wird dabei glücklicherweise zu jedem Zeitpunkt hervorragend verständlich reproduziert und sorgt gemeinsam mit der sehr realistischen Natur-Atmosphäre für ein sehr bühnenhafte Präsenz.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial findet sich neben den Originaltrailern noch das Feature „Silence: Die Reise des Martin Scorsese“. Hierin schildert der Regisseur, warum es solange gebraucht hat, bis er die Geschichte, die ihn vom ersten Moment an so faszinierte, auf die Leinwand brachte. Produzenten, Darsteller, Historiker und Scorsese selbst erzählen sehr detailliert und nachvollziehbar, wie es damals gewesen sein muss und was die Intention des Films war. Wer nach den fast drei Stunden von Silence also eine „Erleuchtung“ braucht, dem sei dieses Making-of empfohlen.

Fazit

Silence verlangt dem Zuschauer nicht nur Sitzfleisch, sondern auch Reflektionsvermögen und Interesse ab. Dazu sind nicht alle Bilder leicht zu ertragen. Scorsese gelingt es dennoch, den aufgeschlossenen Betrachter zu fesseln und bringt ihm eine historische Episode nahe, die man sicherlich nur bedingt auf dem Schirm hat – unbedingte Empfehlung für Arthaus-Fans.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 80%

Anbieter: Concorde Home
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Andrew Garfield, Adam Driver, Liam Neeson, Tadanobu Asano, Ciarán Hinds, Issei Ogata, Shinya Tsukamoto, Yoshi Oida, Yosuke Kubozuka
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 162
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Silence

SILENCE | Trailer | Deutsch | Offiziell | AB 02.09.2017 DIGITAL KAUFEN

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