Simpel

Blu-ray Review

Simpel Blu-ray Review Cover
Universum Film, 20.04.2018

OT: –

 


Ganz normal

Frederick Lau und David Kross in einem Roadmovie über echte Freundschaft und Brüderlichkeit.

Inhalt

Malocher Ben schmeißt zuhause den Haushalt quasi alleine. Seine Mutter ist schwer krank und sein 22-jähriger Bruder Barnabas ist auf dem geistigen Stand eines Kleinkinds, weshalb ihn alle nur „Simpel“ nennen. Weil Barnabas und Ben aber unzertrennlich sind, tut sein großer Bruder alles, um den wahrlich nicht luxuriösen Lebensstandard der Drei aufrecht zu erhalten. Dann jedoch stirbt die Mutter und Barnabas soll in ein Heim – immerhin ist es schwer möglich für Ben, 24h auf seinen Bruder aufzupassen. Einzig der Vater könnte mit seiner Unterschrift unter ein Dokument erwirken, dass die zwei Brüder zusammenbleiben. Den haben die Beiden aber seit 15 Jahren nicht mehr gesehen. Außerdem wohnt er in der großen Stadt und die Brüder auf dem norddeutschen Land. Es hilft nichts, Ben und Simpel müssen eine „Verreise“ machen und setzen sich gemeinsam in Bewegung – Ziel: Hamburg …

Friendship!„, „Frau Ella„, „Alles ist Liebe“ – Markus Goller ist Deutschlands Kinofilm-Regisseur für die besonderen Mischungen aus feinen kleinen Geschichten und Humor. Das ist sin Simpel nicht anders. Basierend auf dem Jugendbuch von Marie-Aude Murail verändert er zwar Ort, das Alter Bens und auch wesentliche Teile der Struktur. So macht er aus einer Wohngemeinschaft in der Vorlage ein Roadmovie mit vielen exzentrischen Figuren. Vom osteuropäischen Fernfahrer mit Knarre im Fußraum bis zu Chantal, „Dienstleisterin in Liebesdingen“. Gerade diese Begegnungen funktionieren aber wunderbar. Zum einen, weil das satt vorhandene norddeutsche Kolorit immer wieder zum Tragen kommt und zum anderen, weil auf diese Weise die Dynamik aus Bens fürsorglicher Art, Barnabas‘ Einfältigkeit und der darauf reagierenden Umgebung besonders hervorgehoben wird.
Jetzt könnte ein Film, der einen geistig zurückgebliebenen Jungen in den Mittelpunkt stellt, zum Fremdschämen peinlich sein, wenn man es verbockt. Hat man aber nicht. Und zwar überhaupt nicht. Das liegt am Schauspielpaar Frederick Lau und David Kross. Kross schafft es trotz relativ ausgiebiger Gestikulation, nicht ins Lächerliche zu verfallen und macht nachvollziehbar, dass man ihn nur liebhaben kann. Lau zeigt einmal mehr, dass er zu den ganz Großen im Deutschen Film gehört. Mit einer Mischung aus Warmherzigkeit, Bekümmertheit und rauem Charme ist er der Fels in der Brandung – oder der Anker am Schiff, um in der Sprache des Films zu bleiben. Dass auch an ihm nicht alles abprallt, merkt man, wenn er seinem Vater im Autohaus zum ersten Mal (wieder) begegnet und seine eigenen Gefühle das erste Mal deutlich werden.

Vielleicht ist Simpel inhaltlich ab und an ein bisschen zu naiv, trifft auf zu viele unbedingt freundliche und positive Menschen, die Simpel immer offen gegenüber sind. Vielleicht ist das nicht ganz realistisch, wenn man bedenkt, dass die heutige Gesellschaft Menschen am Rand oft eher skeptisch und wenig freundlich begegnet. Aber vielleicht ist es auch einfach schön, wenn Kross auf St. Pauli ein paar bunthaarige Punks spontan umarmt und diese das nur geringfügig befremdet herzlich zurückgeben.
Außerdem erscheint es schon seltsam, dass die praktisch abgefackelte und völlig verrauchte Wohnung am Abend wie von Zauberhand wieder bewohnbar ist. Außerdem wirkt die plötzliche Dramatik mit dem Türsteher des Erotikclubs ein bisschen aufgesetzt. Doch das sind dann doch eher kleinere Kritikpunkte. Besonders nachvollziehbar und sensibel behandelt Simpel aber nicht nur die Gefühle Barnabas‘, sondern auch die von Ben. Wenn Gollers Film thematisiert, dass der auch einfach mal nur Ben sein möchte und sich wünscht, dass er mal nicht immer auf Simpel aufpassen muss, dann darf diese Ehrlichkeit ruhig auch mal sein – selbst wenn man sich wünscht, dass das Leben an sich immer so gutmütig wäre wie Ben.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Simpel liefert relativ bunte Farben, gleichzeitig aber auch sehr gute Kontraste in den gut ausgeleuchteten Szenen. Wird’s dunkler, gesellt sich ein gewisses Korn hinzu, das aber nie zu sehr stört. Eine dezente Reduktion der Schärfe sorgt bei wolkenverhangener Szenerie für einen etwas schmuddeligen, aber sehr passenden Look. Auf Gesichtern führt die Kontrastgebung schon mal zu etwas absaufendem Schwarz – alles in allem bleiben Details aber gut erkennbar.
Beim Sound muss man schon zu Beginn attestieren, dass er für einen Mix aus Drama und Komödie erstaunlich räumlich daherkommt. Die Filmmusik kommt sehr fein aufgelöst aus den Rearspeakern und baut eine äußerst breite Bühne auf. Auch wenn Ben zuhause seine Schlüssel ins Körbchen schmeißt, wird das direktional hinten links hörbar. Die Stimmen sind allerdings bisweilen ein klein wenig zu leise abgemischt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Simpel finden sich neben dem Trailer noch sieben Interviews mit Darstellern und dem Regisseur sowie dem Produzenten. Insgesamt haben die Kommentare eine Laufzeit von ~35 Minuten.

Fazit

Simpel ist filmisch bisweilen etwas einfach gestrickt. Doch wenn man den beiden Hauptdarstellern und auch einem Axel Stein in der Rolle des Enzo beim einerseits launig-lebhaften und andererseits herzerwärmenden Spiel zuschaut, dann verfliegt die Kritik praktisch im Nu. Begleitet vom stimmigen Score und atmosphärischen Aufnahmen aus Hamburgs berühmtesten Stadteil gehört Gollers Film in die Sammlung eines jeden Freundes von Dramödien oder Fans der Hauptdarsteller.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Deutschland 2017
Regie: Markus Goller
Darsteller: Frederick Lau, David Kross, Emilia Schüle, Devid Striesow, Annette Frier, Axel Stein, Anneke Kim Sarnau, Tim Wilde
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 114
Codec: AVC
FSK: 6

Trailer zu Simpel

Simpel - Trailer (deutsch/ german; FSK 6)

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