Blu-ray Review
OT: Sisu
Unsterblich
Finnisches Genrekino mit hohem Blutzoll.
Inhalt
Finnland weit im Norden: Aatami, Ex-Soldat des finnischen Militärs, hat trotz der Irrungen und Wirrungen des Zweiten Weltkriegs beschlossen, die Kampfhandlungen zu beenden und das alles hinter sich zu lassen. Als er in einem Fluss auf Gold stößt, scheint sogar das Glück auf seiner Seite zu sein, denn kurz darauf findet er kiloweise von dem edlen Metall. Auf seinem Weg zur nächstgelegenen Stadt begegnet er allerdings einem Trupp Nazis. Ein paar von ihnen muss Aatami kurz darauf lehren, dass man sich mit einem finnischen Ex-Soldaten lieber nicht anlegt, bevor er mit seinem Gold weiterreiten kann. Die verbliebenen Deutschen machen sich daraufhin an die Verfolgung. Vor allem der sadistische Kommandant Bruno hat es von nun an auf den Finnen abgesehen – immerhin könnte auch er mit dem Gold noch seinen persönlichen Frieden finden, nachdem der Krieg ohnehin verloren scheint. Doch auch Bruno wird bald merken, dass Aatami kein willfähriges Opfer ist …
Finnisches Kino ist immer besonders, immer speziell. Das gilt für die Filme Kaurismäkis ebenso wie für das erstarkte Horrorgenre, das zuletzt mit Hatching oder Knocking überzeugen konnte. Regisseur Jalmari Helander hatte schon vor 14 Jahren gezeigt, dass er nach seinen Kurzfilmen auch das Talent hat, Genres auf ungewohnte Art und Weise neu zu interpretieren. Sein Rare Exports nutzte die Legende vom Weihnachtsmann, um sich genüsslich über die Folklore rund um Santa Claus und Wichtel lustig zu machen. Seinen dritten Langfilm entwickelte er selbst und schrieb auch das Drehbuch. Heraus kam mit Sisu ein lustvoll zwischen verschiedenen (Sub)Genres wandelnder Film, der auf zahlreichen Festivals Erfolge feierte und beim Publikum für staunende Gesichter sorgte. Was Sisu vor allem ausmacht, ist seine Mischung Western, Action und Splatter, die Regisseur Helander mit atmosphärisch-stimmigen Bildern anreichert und mit grandios-schwarzem Humor garniert. Die One-Man-Show, die er Aatami abziehen lässt, wird immer wieder von absurd-komischen Situationen unterbrochen, die nicht selten daher rühren, dass Nazis auf die irrwitzigste Art und Weise einen Kopf kürzer oder wahlweise komplett auseinandergenommen werden. Wenn nach 27 Minuten drei Landminen zur Detonation gebracht werden, ist das ein Fest für Freunde des schwarzen Humors. Und wenn gegen Ende zwei vom Panzer geplättete Kollegen mit dem typisch lakonischen Humor der Finnen kommentiert werden, ist das ein echter Brüller.
Derart entspannt mit derben Situation umzugehen, ohne dabei erzwungen und konstruiert zu wirken – das können die Finnen wirklich hervorragend. Doch abseits des pechschwarzen Humors erzeugt Sisu auch eine unnachahmliche Atmosphäre, die manchmal fast physisch spürbar wird und die nicht selten an ein ganz bestimmtes Genre erinnert: Denn die generelle Wortkargheit sorgt im Verbund mit den grandiosen Landschaftsaufnahmen dafür, dass Sisu fast zu einer Art Neo-Western wird. Dass sich die Crew einen mehr als unwirtlichen Drehort ausgesucht hat, tut der Stimmung des Films extrem gut. Tatsächlich filmte man in der Region Nuorgam, die wirklich SEHR weit oben in Finnland liegt. Kälte und vor allem der Wind machten den Beteiligten dort richtig zu schaffen. Schaut man sich an, dass Brunos rechte Hand Wolf über weite Strecken oberkörperfrei unterwegs ist, kann man förmlich spüren, wie es die Darsteller gefröstelt haben muss.
Kritik wurde hin und wieder daran laut, dass Protagonist Aatami unverwundbarer als Superman erscheine. Das ist allerdings zum einen Quatsch, denn die Hauptfigur fängt sich im Laufe des Films nicht nur eine Kugel, die er sich blutig wieder aus dem Leib holen muss, sondern wird vom Film und seinen Machern auch immer wieder ironisch kommentiert.
Nicht von ungefähr heißt das Making-of im Bonusmaterial „Unzerstörbar“ und erzählt etwas davon, dass den Film etwas Superheldenhaftes umweht. Nicht umsonst fragt einer der Nazis im Film, ob Aatami unsterblich ist, was eine der Damen damit kommentiert, dass er es nicht sei, sich nur zu sterben weigere. Und zu sterben weigert er sich standhaft. Sisu porträtiert seinen Helden als raubeinigen Niemand, der eine Aufgabe zu erfüllen hat und sich währenddessen als zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl entpuppt – eben so, wie es die Nazis immer so gerne von sich behauptet haben.
Aatamis tiefe Blicke, die die Kamera beeindruckend und formatfüllend einfängt, zeugen von Erlebnissen, die ihn einerseits abgehärtet, gar abstumpfen lassen haben, die gleichzeitig aber eine gewisse Melancholie erzeugt haben – das wird, wie oben erwähnt, noch dadurch unterstrichen, dass Regisseur Helander ihn nicht sprechen lässt und Hauptdarsteller Jorma Tommila eine Urgewalt an Präsenz ist. Sisu schafft es trotz aller Schwarz-Weiß-/Gut-Böse-Schematik allerdings auch, den Hauptbösewicht nicht ohne Charisma zu porträtieren. Denn trotz aller Diabolik und Unbarmherzigkeit gibt’s Momente, in denen man Bruno fast ein bisschen mag. Dass das der Fall ist, liegt an Aksel Hennie (The Trip), der als Obernazi einen der bemerkenswertesten Antagonisten der letzten Jahre abliefert. Unterstützt wird Hennie durch eine Riege passend besetzter Nazikumpane und wenn im letzten Drittel auch den Damen noch eine tragende Rolle zukommt, fügt sich dem Mix aus Inglourious Basterds und Rambo und auch noch etwas Sucker Punch hinzu. In Summe kann man diesem kurzweiligen Genre-Grenzgänger praktisch nichts vorwerfen. Außer, dass er einen Heidenspaß macht.
- "Da kann selbst JOHN WICK einpacken" (Filmstarts)
- "Eine originelle Mischung aus JOHN WICK und INGLORIOUS BASTERDS" film.at
- Das Kriegs-Actioner begeisterte unter anderem auf den Fantasy Filmfest Nights und schaffte es auf Platz 1 der Beliebtheits-Charts
Bild- und Tonqualität
Sisu wurde digital gedreht – zum Einsatz kamen Sony–Venice-Kameras, die mit 8K aufzeichneten. Ob von dem Film ein 4K-DI gezogen wurde oder nur ein 2K-DI, war nicht herauszufinden. Was jedoch offensichtlich ist: Über das digitale Material hat man in der Postproduktion eine ganz dezente Rauschstruktur gelegt, die den Film grober und schmutziger – also dem Thema mehr entsprechend – wirken lässt. Da es nie Überhand nimmt, geht das in Ordnung und passt atmosphärisch sehr gut. Während der Tageslichtszenen ist das Bild erstaunlich hell geraten, ohne jedoch im Schwarz zu überreißen. Der Kontrastumfang ist entsprechend hoch, wobei es in dunkleren Innenraumszenen schon mal etwas harsch wirken kann. Dort ist Schwarz dann auch mal ein wenig zu tief und versumpft hier und da dezent. Die Schärfe ist solange okay, wie der Fokus entsprechend sitzt. Manchmal verliert die Kamera diesen aber (scheinbar bewusst) etwas aus den Augen. Close-ups zeugen dennoch oft von hohem Detailreichtum und offenbaren jeden Schmutzpartikel und jede Falte im Gesicht des Protagonisten (34’34). Mit den Randunschärfen (vor allem im unteren Bereich) sowie einigen Lens-Flare-Momenten muss man leben. Ersteres ist objektivbedingt, Letzteres eine künstlerische Entscheidung. Das Encoding geht soweit in Ordnung. Zwar ist das leichte digitale Rauschen durchaus hier und da ein Problem und wird nicht immer perfekt fein aufgelöst, aber grobe Schnitzer bleiben meist aus. Selbst die schwierige Unterwasserszene nach etwas über 38 Minuten offenbart keine Bandingartefakte. Farblich gesehen ist Sisu vornehmlich in erdige Töne getaucht, die zwischendurch vom kräftigen Rot der Blutfontänen durchbrochen werden. Die Farbgebung ist zwar nicht ganz so sepiamäßig wie es bspw. ein Soldat James Ryan zeigt, doch man wähnt sich optisch-atmosphärisch durchaus schnell im richtigen Genre. Akustisch darf man sich über zwei DTS-HD-Masterspuren freuen, die den auf Englisch gedrehten Film im O-Ton sowie in der deutschen Synchro begleiten. Und das tun sie sehr gut. Schon der Fliegersound zu Beginn wird räumlich über die Speaker verteilt und die Erzählerstimme wird recht druckvoll, allerdings ein bisschen brummelig auf den Center gelegt. Extrem fetzig und mit wummerndem Bass unterlegt sind dann die Flieger nach viereinhalb Minuten, die derart dynamisch und räumlich über das 5.1-Setup donnern, dass man annehmen könnte, man habe es mit aktivem Dolby Atmos und entsprechenden 3D-Sounds zu tun. Der Score, der über weite Strecke zu hören ist, da Dialoge nur selten vom Geschehen ablenken, wird ebenfalls wuchtig ins Heimkino transportiert. Hier und da dürfte Sisu dabei etwas mehr Differenzierung aufweisen. Was aber fast schon wieder egal ist, sobald das erste Mal Geschosse vom Panzer abgefeuert werden oder das Feuer aus dessen Bordkanone loslegt – erstaunlich, wie viel Druck hier erzeugt wird und wie dynamisch es hier knallt. Das Gleiche gilt für die Explosionen der Minen, bevor’s dann im Showdown noch mal richtig dynamisch wird.
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Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Sisu enthält ein knapp halbstündiges Making-of und noch einmal ein Featurette über die VFX. Letzteres zeigt, wie erstaunlich gut man auch abseits von Hollywood oder Neuseeland visuelle Effekte abliefern kann. Zwar sieht man im Showdown durchaus, dass hier was nicht ganz praktisch zugegangen ist, aber gerade die „kleineren“ digitalen Effekte zwischendurch hätte man im Film als solche kaum erkannt. Gerade Mündungsfeuer und Blutspritzer sind in vielen Filmen als digitale Tricks zu entlarven, was im Falle des gerade einmal sechs Mio. Dollar teuren Sisu nicht gesagt werden kann. Das Making-of liefert zudem deutlich mehr als das übliche Selbstbeweihräucherungs-Einerlei, sondern zeigt die Beteiligten als leidenschaftliche Filmemacher. Vor allem die harten Bedingungen am Drehort werden intensiv beleuchtet, was bei Wolf-Darsteller Doolan für Unbehagen noch im Nachhinein sorgt.
Fazit
Sisu ist ein großer Spaß. Kurzweilig, rasant, von allen Beteiligten klasse gespielt, mit tiefschwarzem Humor gewürzt und außerordentlich blutig. Dabei so lustvoll übertrieben, dass man nie Zweifel am reinen Unterhaltungswert des Films hat. Und wieder einmal zeigt sich, dass die wirklich guten Filme dieses Jahr nicht aus Hollywood kommen. Visuell bekommt man ein atmosphärisch stilisiertes Bild, das dem Genre entsprechend aussieht, aber weitgehend artefaktfrei bleibt. Der DTS-HD-Master-Sound ist erstaunlich dynamisch und äußerst effektvoll.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 60%
Film: 80%
Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: FI/UK 2022
Regie: Jalmari Helander
Darsteller: Jorma Tommila, Aksel Hennie, Arttu Kapulainen, Jack Doolan, Jalmari Helander, Miia Heikkinen,
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Untertitel: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 91
Codec: AVC
FSK: 18 (uncut)
(Copyright der Cover und Szenenbilder: © 2023 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH)
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Trailer zu Sisu
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Ich fand den Film auch klasse, und mal ehrlich, die Bluray sieht doch verdammt gut aus. Würde den nicht als 4K bevorzugen und durchs warten darauf evtl. verpassen.
Zum Glück hab ich den Film schon vor Deiner Review (wie immer sehr gut gemacht!) gesehen. Denn bei den Neuveröffentlichungen gehen unsere Geschmäcker mittlerweile so weit auseinander, dass ich mir Deine Empfehlungen eher nicht mehr zulege 😉
Aber diesmal decken wir uns perfekt…
Wieder top Review,,, der Film interessiert mich jetzt sehr.
Eine Frage zu einem anderen Thema,
ist denn in naher Zukunft eine Review zu den 4K VÖs von „die Firma“ und „Vanilla Sky“ angedacht?
Deine Review passt perfekt. Ich habe den Film auch sehr gemocht – trotz oder wegen des Blutzolls :o) Den Filmemachern ist eine wirklich einzigartige Stimmung gelungen, obwohl dabei sicherlich nichts neues erfunden wurde. Ich habe mir den Film allerdings bei Itunes gegönnt, dort – wirklich sehr gut – in 4k und Dolby Vision. Vielleicht liegt es daran, dass ich aus der Generation der bereits schon länger volljährig gewesenen „Daddler“ des ersten Wolfenstein-Ego Shooters bin – und damit auch den ersten Indiana Jones Film aus dem Kino kenne – aber diese düstere „Nazi-Schergen-Bande“-Filme mag ich einfach. Trashig? Klar, aber hey, wer kann dann schon Operation Overlord und Sisu widerstehen?
Danke für deine Review. Hatte Spass im Kino . War mal etwas anderes als immer Hollywood. Kann es sein das es auch eine 4K Scheibe gibt?
4K-Disk gibt’s in den USA von LIONSGATE. Da hierzulande Sony Vertrieb ist, würde ich da nicht wirklich in Deutschland mit rechnen.
auch danke fürs review. mir hat der film ebenfalls sehr viel spass macht. nur schade dass es keine deutsche UHD gibt bzw geben wird. aber dafür gibt es ja das internet. da findet man den film als remux mit UHD source und deutschen ton. 😉
nur blöd dass man solchen weg gehen muss, um das bestmögliche zu bekommen. 🙁
In diesem Fall bekommt man den Film bei iTunes in 4K mit HDR/DolbyVision und DolbyAtmos für 11,99€. Da muss man die Grauzonen nicht nutzen, außer man will es.
wenn das so einfach wäre …. das was im netz angeboten wird stammt von der UHD bluray, was um ‚welten‘ besser ist, als der itunes ’schrott‘ 😉