Snowden

Blu-ray Review

OT: Snowden

Snowden Blu-ray Review Cover
Universum Film, 07.04.2017

 


Das Fundament Amerikas

Oliver Stones Biopic über den Whistleblower Edwar Snowden ist ein packendes Politdrama geworden.

Inhalt

Weil Edward Snowden sich in der Ausbildung zum Soldaten der Special Forces gleich beide Beine bricht, wird er vom Arzt für dienstunfähig befunden. Da er seinem Land dennoch dienen möchte, wechselt er vom arbeitssamen Pfad auf den intellektuellen Weg und bewirbt sich beim CIA. Deren Aufnahmetests besteht der Überflieger mit Bravour. Sein Senior Instructor Corbin O’Brian hält große Stücke auf ihn und bildet ihn zum Computerspezialisten aus. Snowdens Antrieb sind die Geschehnisse von 9/11, die ein Anverwandter beinahe am eigenen Leib erfahren hätte. Während er sich beim Geheimdienst als Überflieger entpuppt, lernt er parallel die junge Lindsay kennen. Die leidenschaftliche Liberale, die gerne mal Petitionen gegen Oberbefehlshaber George W. Bush unterschreibt, weckt erste Zweifel in Edward, der nach und nach bei mehreren Dienstleistern für das CIA arbeitet und an Informationen gelangt, die seinen tief verwurzelten Glauben an die Menschenrechte erschüttern. Besonders die Tatsache, dass die Geheimdienste lügen, was die Speicherung von persönlichen Daten angeht, bringt ihn auf. Denn er weiß, dass überhaupt ALLES gespeichert wird. Je weiter er vordringt, desto erschrockener ist er darüber, welche Möglichkeiten die Geheimdienste haben, was sie alles ausspionieren können. Die Tatsache, dass der Terrorismus nur als Vorwand dient, die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA um jeden Preis zu erhalten, stößt ihn ab. Und eines Tages (auch deshalb, weil sich unter dem neuen Präsidenten Barack Obama keine Änderung der Bespitzelungen vorgenommen wird) fasst er den Entschluss, sein Wissen der Presse und damit der Öffentlichkeit preiszugeben. Seine Aussagen führen 2013 zur NSA-Affäre und machen ihn zum Landesverräter, der ins Exil nach Russland fliehen muss …

Längere Zeit war es ruhig um US-Politik-Filmemacher #1, Oliver Stone. Die zehn Jahre seiner hochrespektierten Schaffensphase zwischen 1986 und 1995 (von Salvador über Platoon und Born on the 4th of July bis hin zu Natural Born Killers und Nixon) schienen sich in den zehn darauf folgenden Jahren abzunutzen, als er mit Filmen wie Alexander oder auch dem erschreckend patriotischen World Trade Center Publikum und Kritik vergrätzte. Mit Snowden allerdings nimmt er den Faden seiner Überzeugung wieder auf und erzählt die für ihn naheliegende Geschichte des berühmten Whistleblowers, dessen Name in den letzten Jahren für die größten politischen Unruhen und Auseinandersetzungen sorgte. Oliver Stone beginnt seinen Film auf klassische Art und Weise. Ausgehend vom Jahr 2013 und Snowdens Treffen mit Dokumentarfilmerin Laura Poitras und Glenn Greenwald, einem Redakteur des Guardian, lässt der Regisseur seinen Snowden zehn Jahre in der Zeit zurückgehen und die Geschichte von Anfang an erzählen. Dabei wird deutlich, wie patriotisch Snowden einst begann. Ausgehend von 9/11, dem „wichtigsten Tag seines Lebens“ will er seinem Land dienen und dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr passiert. Snowden lässt dabei keinen Zweifel an der Sympathie für seine Hauptfigur und installiert ihn als Helden mit weißer Weste. Vielleicht ist Stone dabei etwas zu wenig distanziert, sorgt damit allerdings dafür, dass sein Film eine emotionale Verbindung zulässt. Denn die braucht das Publikum auch, weil die zahlreichen technischen Belange und Informationen dann doch verschachtelt und kompliziert genug sind, dass man ohne Sympathie für den Protagonisten irgendwann geistig abschalten würde.

Weil Stone aber ein versierter Filmemacher ist, zieht er den Zuschauer mit visuell geschickt inszenierten Bildern während Snowdens Erklärungen bei der Stange. Die Journalisten, denen er seine Geheimnisse anvertraut, dienen dabei als Publikum, für die Snowden alles erklärt. Nach und nach entwickelt sich eine thrillerartige Spannung, die fesselt und vor allem erschreckt. Wenn man sieht (selbst wenn nur die Hälfte von dem stimmen sollte, was der Film schildert), was heutzutage mit zwei Mausklicks möglich ist, und welche scheinbar bedeutungslosen Informationen abgerufen und gespeichert werden, kommt man eventuell selbst als unbekümmerter Bürger auf die Idee, die Kamera an seinem Laptop abzukleben. Dass Snowden die Beziehung seiner Hauptfigur zu dessen Freundin Lindsay sehr stark integriert, gibt dem Film eine Erdung, die auch der Zuschauer braucht, um zu begreifen, dass hier ein Otto-Normal-Bürger mit Informationen hantierte, die nur einem äußerst geringen Kreis zur Verfügung gestellt werden und die in der Lage sind, bzw. waren, eine Welt nachhaltig zu erschüttern. Shailene Woodley (Die Bestimmung) spielt diese Lindsay mit erstaunlicher Reife und selbstbewusster Einstellung der Tanzleidenschaft und -profession ihrer echten Vorlage gegenüber – immerhin erfordert das von ihr auch ganzen Körpereinsatz. Fehl am Platze sind diese Szenen nicht, denn sie unterbrechen den manchmal arg theoretischen Teil der Arbeit Snowdens. Mills war es offensichtlich auch, die ihren Edward in eine liberalere Richtung lenkte und sein Gewissen für kritisches Hinterfragen öffnete.

Fast schon beängstigend gut ist Joseph Gordon-Levitt, der in der Titelrolle die Mimik und Gestik Snowdens förmlich aufgesaugt zu haben scheint. Gerade in den chronologisch späteren Szenen wirkt er stets auf der Hut und ein leicht nervöses Hin- und Herschauen verdeutlicht die Wachsamkeit. Selbst der ganz leichte Ansatz eines flaumigen 3-Tage-Barts ist 1:1 vom Vorbild übernommen und im Original imitiert er gar die tiefe Stimme des Whistleblowers. Im gut viertelstündigen Finale, das die Flucht Snowdens beschreibt, nimmt das Tempo und die Spannung dann beträchtlich zu, bis es sich bei der Ansprache an die Öffentlichkeit (durch Gordon-Levitt und den echten Snowden) auflöst. Weder die hervorragenden Darsteller, noch die sichere Inszenierung konnten allerdings verhindern, dass Snowden an den internationalen Kinokassen (insbesondere in den USA) abschmierte und nicht mal sein Produktionsbudget von 40 Mio. Dollar einspielen konnte. Offenbar ist es der Welt und ihrer Öffentlichkeit nach wie vor herzlich egal, was mit ihren gesammelten Daten gemacht wird. Der US-Regierung ist es indes überhaupt nicht egal, denn sie hätte Snowden als Vaterlandsverräter gerne in Gewahrsam. So wird der Whistleblower vermutlich noch eine ganze Weile im selbstgewählten Exil in Russland bleiben müssen.

Bild- und Tonqualität

Oliver Stone mag es körnig. Das war schon immer so, weil er das Analoge liebt. Da mit unterschiedlichen Kameras gearbeitet wurde, unterscheidet sich der Look bisweilen etwas. Manchmal ist es vordergründig sehr körnig, manchmal  sind Aufnahmen hingegen sehr ruhig (Kaffee, 16’30). Gerade die Außenaufnahmen sind etwas unruhiger und die Szenen, welche von der Dokumentarfilmerin eingefangen werden, grießeln bewusst noch stärker (52’30). Außerdem spielt die Kamera gerne mal mit dem Fokus auf die Hauptfiguren. Ab und an sind die Gesichter deshalb für einen Moment verschwommen. In Sachen Kontrastumfang kann man Snowden indes nichts vorwerfen. Schwarz ist satt und die hellen Lichter sind von brillanter Leuchtkraft. Fokussiert die Kamera Objekte dazu korrekt, ist die Schärfe wirklich gut.
Akustisch war Stone schon mal innovativer und beschränkt sich in Snowden vornehmlich auf die Dialoge. Im englischen Original sind diese auch entsprechend kräftig und homogen ins Geschehen eingebettet. Die deutsche Synchro hingegen lässt die Stimmen dauerhaft etwas zu leise rüberkommen. Bisweilen muss man den Volume-Regler relativ weit aufdrehen, was wiederum die Umgebungsgeräusche zu laut darstellt. Die Filmmusik selbst gelangt weiträumig und mit breiter Bühne ins Heimkino und die atmosphärischen Sounds vermitteln gerade in den Stadtszenen eine authentische Stimmung. Während Snowdens Flucht aus Hongkong greift der Soundtrack dann richtig dynamisch ins Geschehen ein und lässt den Subwoofer ordentlich pumpen.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Snowden ist leider etwas magerer als es der Film verdient gehabt hätte. Vier Interviews mit dem Hauptdarstellern und Regisseur Oliver Stone sowie eine unkommentierte, dreiminütige B’Roll – mehr gibt’s hier leider nicht zu entdecken. Bei den Interviews hat zudem nur das mit Stone wirklichen Informationswert, da er gut eine viertelstunde lang referieren darf, während seine drei Darsteller maximal zwei Minuten Zeit bekommen.

Fazit

Oliver Stone inszeniert Snowden als Mix aus Polit- und Beziehungsdrama. Beides funktioniert, weil der Regisseur weiß, wie er politisches Kino inszenieren muss und weil Woodley und Gordon-Levitt in ihren Rollen absolut überzeugen können – ein wichtiger Film, den viel mehr Menschen sehen und dementsprechend handeln sollten.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 20%
Film: 75%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA/Deutschland 2016
Regie: Oliver Stone
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Shailene Woodley, Melissa Leo, Nicolas Cage, Zachary Quinto, Tom Wilkinson, Rhys Ifans, Scott Eastwood, Joely Richardson, Timothy Olyphant
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 135
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Snowden

Snowden - Trailer (deutsch/german)

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2 Kommentare
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Robert

Beachtet bitte auch deo sensationellen Trailer des neuen Films von Oskar Preisträgerin Laura Poitras (Oskar für Dokumentarfilm über Snowden Citizen Four).

Neuer Film über Julian Assange: Risk !
Risk soll Sommer 2017 in die Kinos kommen.

http://www.epochtimes.de/feuilleton/oscar-preistraegerin-poitras-hat-film-ueber-wikileaks-gruender-assange-gedreht-a2092403.html

http://www.rollingstone.com/tv/news/trailer-for-julian-assange-doc-risk-directed-by-laura-poitras-w476010

Martin

Der Film Snowden behandelt ein sehr ernstes Thema, das der vollständigen Überwachung aller Einwohner in Industriestaaten, inklusive Deutschland.
Ein Stichwort dazu wäre z.B.: der „gläserne Mensch“.

Der mögliche Missbrauch, die Kontrolle und Unterdrückung der Bevölkerung wird von Oliver Stone leider nicht thematisieru.
Ein 2. Stichwort: „der Orwellsche Überwachungsstaat“; siehe dazu das Buch „1984“ von George Orwell.

Leider ist das Interesse beim Publikum in Deutschland gering; bis es zu spät ist und wir alle in der Diktatur aufwachen.

Diese Sachverhalte hat der Journalist, der Snowden in Hong Kong traf, Glenn Greenwald minutiös im Buch „die globale Überwachung“ geschildert. Bei Interesse, siehe web Archive:

https://archive.org/details/GlennGreenwaldDieGlobaleUberwachung2014