Blu-ray Review
OT: Snowpiercer
Die optimale Balance
Nach der Umweltkatastrophe sind alle Überlebenden in einem Zug eingeschlossen, der niemals anhält.
Inhalt
Im Juli 2014 versucht man, die globale Erderwärmung zu stoppen, indem man das experimentelle Mittel CW-7 versprühen lässt. Nur kurze Zeit später hat sich das erhoffte Mittel ins Gegenteil verkehrt und die Erde ist in eine neue Eiszeit verfallen. Die einzigen Überlebenden sind in einer Art fahrenden Arche, einem langen Zug auf einem endlosen Schienennetz unterwegs. Dort herrschen klare Regeln. Es gibt die erste Klasse, diejenigen, die im vorderen Teil des Zuges unter Ministerin Mason in Saus und Braus leben und die Holzklasse, die im hinteren Bereich von der Polizei eingepfercht ein dreckiges Leben der Entbehrung führen muss. Edgar und Curtis stinken die Verhältnisse langsam. Sie wollen nicht mehr mitansehen, wie Ungehorsame von den Milizen mit der Entfernung von Gliedmaßen durch Vereisung bestraft werden. Gemeinsam mit dem alten und weisen Mr. Gilliam arbeiten sie insgeheim an einer Revolte. Als diese beginnt, kann Curtis noch nicht ahnen, dass ihn einige Überraschungen erwarten …
Während seit einiger Zeit nahezu jedes Genre innovationslos vor sich hin dümpelt, ragen Ausnahmen umso deutlicher aus dem Einerlei heraus – Snowpiercer ist so eine Ausnahme. Regisseur Bong Joon-ho hatte schon mit The Host bewiesen, dass man aus einer bekannten Monsterfilmgeschichte noch einmal etwas rausholen kann und legt mit dieser Dystopie in einer fahrenden Arche sein Meisterwerk vor. Mit einzigartigen Bildern, teilweise sensationellen Ideen, eruptiver Gewalteskalation und einem bissigen Humor erschafft er einen rasanten Mix aus 1984 und Elysium – freilich basierend auf einer französischen Comicbuchreihe. Die Art der Umsetzung, seine bisweilen überdrehte und surreale Note mag nicht Jedermans Sache sein – gerade die Figur von Ministerin Mason (kaum zu erkennen: Tilda Swinton) ist derart überhöht, dass man schon mal für einen Moment kaum zu glauben scheint, was man sieht. Swinton macht das bis zum bitteren Ende sensationell und ragt aus einem überraschend hochkarätigen Cast heraus. Während die Protagonisten im Zug immer weiter nach vorne vordringen, begegnen uns Bekanntheiten wie Jamie Bell, Ewan Bremner (großartig als rachelüstiger und irrer Einarmiger), John Hurt oder Ed Harris. An vorderster Front kämpft Amerikas Superheld #1, Chris Evans, der hier mal so richtig im Dreck wühlen und bluten darf. Dass es sich bei Snowpiercer aber nicht nur um einen actionreichen Science-Fictioner handelt, wird aufgrund der zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Kommentare deutlich.
Kaum verwunderlich, dass Harvey Weinstein, der die Vermarktungsrechte für die USA hat, den Film für „zu intelligent“ und fürs US-Publikum „unzumutbar“ hielt. Er ordnete 20 Minuten an Charakterszenen-Kürzungen an, da die Figuren seiner Meinung nach zu „ausführlich beschrieben“ seien und die „Action ausbremsen“ würden – arme US-Kinogänger, denen durch diese Bevormundung der Film in den Lichtspielhäusern verwehrt blieb. Es blieb ihnen vewehrt, einen ebenso politischen wie poetischen Film zu sehen und einen, dessen Optik herausragend ist (wenn man mal von ein paar wenig überzeugenden digitalen Trickeffekten des Zugs absieht). Und immer, wenn man denkt, Bong Joon-ho gingen die Ideen aus, überrascht er in einem weiteren Abteil mit einer neuen Szenerie, neuen Gegnern und erfrischender Opitk – so zum Beispiel, als kurz vor der Wasserversorgung das Licht ausgeht. Snowpiercer mag nicht jedem gefallen – außergewöhnlich ist er bis zum überraschenden Ende in jedem Fall!
Bild- und Tonqualität
Dem Thema von Snowpiercer entsprechend ist das Bild schmutzig, vornehmlich braun eingefärbt und kontrastschwach. Dunkles Schwarz wirkt eher blaugräulich und das ständig vorherrschende fahle Licht reicht nicht aus, um ein klares Bild zu erzeugen.
Akustisch hinterlässt Snowpiercer einen etwas zwiespältigen Eindruck: Zum einen ist die Atmosphäre durch beständige direktionale Effekte zum Greifen nah und die Stimmenortung ist perfekt. Wenn sich die schweren Tore zischend zu einem weiteren Zugabteil öffnen, ist mitunter sogar Gänsehaut angesagt. Zum anderen wirken Dialoge ein wenig muffig und die Kampfsequenzen könnten deutlich mehr Wumms vertragen.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Snowpiercer findet sich ein gut fünfzehnminütiges Making-of, das einen ganz guten Einblick in die aufwändige Produktion gibt. Vor allem auf die unterschiedlichen Waggon-Gestaltungen wird eingegangen und ebenso darauf, wie man es bewerkstelligte, dass sich die Räume authentisch schaukelnd und verwindend bewegten. Zu diesem Making-of, gesellen sich noch zwei kurze Clips und eine Diashow.
Fazit
Trotz einiger logischer Ungereimtheiten und dem bisweilen Befolgen eines Function-Follows-Form-Prinzips ist Snowpiercer ein außergewöhnlicher Film in einer zuletzt öden Filmlandschaft.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 35%
Film: 85%
Anbieter: Ascot Elite
Land/Jahr: KOR/F/USA 2013
Regie: Bong Joon-ho
Darsteller: Chris Evans, Jamie Bell, John Hurt, Tilda Swinton, Ewan Bremner, Ed Harris, Song Kang-ho
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 123
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots:© 2013 Ascot Elite. All Rights Reserved.)