Blu-ray Review
OT: Saul fia
Menschlichkeit in einer unmenschlichen Zeit
Der Oscargewinner des besten fremdsprachigen Films kommt ins Heimkino.
Inhalt
Saul Ausländer ist inhaftiert im KZ Auschwitz. Dort gehört er zu einem Sonderkommando, deren Mitglieder dazu gezwungen werden, die Ermordung der anderen Insassen vorzubereiten – von der Plünderung der Kleider bis zur Beseitung der Leichten aus den Gaskammern. Diesen Job erledigen sie einige Zeit, bis sie selbst getötet werden. Als Saul eines Tages mitbekommt, wie ein Junge, der das Gas überlebt hat, von einem SS-Offizier ertränkt wird, macht er es sich zum Ziel, ihn anständig zu begraben. Dafür bringt er nicht nur sich, sondern auch Mithäftlinge in Gefahr, denn alleine kann er es nicht bewerkstelligen, sämtliche Wachen zu bestechen und einen Rabbi zu bekommen, um dem Jungen die letzte Ehre zu erweisen …
Lazlo Nemes, junger ungarischer Filmemacher, hat sich sicherlich nicht das eben leichteste Sujetz für sein Langfilmdebüt ausgesucht. Während die meisten Filme, die das Thema KZ behandeln, gerade um die Endlösung einen Bogen gemacht haben, ist Son of Saul mittendrin und hautnah dabei – und das sprichwörtlich. Denn Nemes‘ Kameramann Mátyás Erdély ist immer ganz eng an seinem Hauptdarsteller, lässt dem Zuschauer damit kaum eine Fluchtmöglichkeit, wenn Saul seiner schrecklichen Arbeit in Auschwitz nachgeht – oft wirkt es gar, als wäre der Film in Echtzeit gedreht. Noch enger wird diese Bindung, noch größer die Authentizität durch das vollständige Fehlen von Filmmusik, das gewählte 4:3-Bildformat und die Tatsache, dass man bewusst darauf verzichtete, die Dialoge unter den nicht-deutschsprachigen Häftlingen zu synchronisieren. Auf diese Weise wirken die Gespräche, Anordnungen und Befehle der Nazis noch bedrohlicher und fremder. Man wird unweigerlich ins Geschehen einbezogen und fühlt sich selbst wie ein Insasse, der das grausame Treiben mit Entsetzen anschaut. Näher dran und gespenstiger war bisher kein KZ-Film am unmenschlichen Alltag in den Lagern. Das hat auch die Jury bei den Academy Awards so gesehen und Son of Saul verdientermaßen mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film belohnt. Bezeichnend ist, dass die Intensität so hoch ist, obwohl die schlimmsten Gräueltaten im Hintergrund passieren und nicht unmittelbar im Blickfeld der Kamera. Hier wird man ebenso zum Beobachter wie Saul selbst. Dennoch gibt es Momente in Son of Saul, die trotz des Abstands, den der Protagonist zu den mörderischen Taten hält, schwer verdaulich sind und lange nachwirken – so zum Beispiel, wenn nach 70 Minuten unzählige Menschen vor einem Massengrab stehend exekutiert werden. Wiederum andere Szenen nutzen Actionelemente, wenn Saul mit dem toten Jungen auf der Schulter über den Hof des KZ rennt, während das Kreuzfeuer um ihn herum einschlägt.
Bild- und Tonqualität
Das 4:3-Bild ist zunächst mal eins: ziemlich dunkel und grünlich eingefärbt. Dies, wie auch die Tatsache, dass es an den Rändern abgesoftet und an den Ecken (wie ein alter 8mm-Film) abgerundet ist, trägt absolut zur Stimmung von Son of Saul bei. Der Kontrastumfang liegt im mittleren Bereich, Farben sind dezent entsättigt und die Schärfe gelingt in Nahaufnahmen recht gut. Auch der Rauschfaktor ist gering – lediglich während schneller Schwenks verwischt das Bild etwas und zieht nach. Die Tatsache, dass es auf hellen Gesichtsbereichen ab und an überstrahlt und während der dunklen Szenen ziemlich vermatscht, zeugt ebenfalls von der deutlichen Nachbearbeitung.
Entgegen der stark stilisierten und nicht hübschen Bildqualität, ist der HD-Ton von Son of Saul auf der Höhe der Zeit. Wenn die Wachen im Hintergrund brüllen, werden die Rearspeaker bemüht und im Krematorium brennt das Feuer höchst effektvoll und mit dynamischem Subwoofer-Einsatz. Flüstern wird oft über die Stereolautsprecher transportiert und gelangt gänsehauterregend ans Ohr. Dazu kommen authentisch knarzende Holzbohlen und atmosphärische Geräusche in den Baracken.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Son of Saul findet sich neben dem Audiokommentar mit dem Regisseur und seinem Hauptdarsteller sowie dem Kameramann noch eine entfernte Szenen, welche die Rückkehr vom Fluss schildert. Das Question and Answers im Museum der Toleranz läuft gut 60 Minuten, ist auf englisch geführt und wird deutsch untertitelt. Erneut liefern Regisseur, Hauptdarsteller und Kameramann Antworten auf Fragen zur Entstehung und Umsetzung des Films.
Fazit
Son of Saul gehört zu den intensivsten Filmen, die iin den letzten Jahren Kino und Heimkino erreicht haben. Laszlo Nemes‘ Drama ist derat nahe bei seinem Protagonisten und an seinen Handlungen, dass man gebannt vor dem Fernseher sitzt, obwohl nur wenig gesprochen wird und die brutalen Geschehen des Zweiten Weltkriegs weitgehend im Hintergrund bleiben. Doch obwohl der Film mitunter schwer zu ertragen ist, liefert er dennoch diesen Funken Menschlichkeit, in einer Zeit, in der Humanität in Deutschland ein Fremdwort war.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 50%
Film: 90%
Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: Ungarn 2015
Regie: Laszlo Nemes
Darsteller: Géza Röhrig, Levente Molnár, Urs Rechn, Todd Charmont, Sándor Zsótér, Marcin Czarnik, Jerzy Walczak, Uwe Lauer, Christian Harting
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 4:3
Laufzeit: 107
Codec: AVC
FSK: 16