Blu-ray Review
OT: Sputnik
Symbiont oder Parasit
Ein weiterer SciFi-film aus russischer Produktion.
Inhalt
Die Sowjetunion 1983: Das Landeraumschiff Orbit-4 mit den beiden Kosmonauten Weschnjakow und Averchenko ist auf dem Weg zurück auf die Erde. Mitten in den Vorbereitung für den Wiedereintritt in die Atmosphäre gibt es Unregelmäßigkeiten. Die Kapsel fängt an, technisch zu spinnen und irgendetwas scheint von außen auf die Hülle einzuwirken. Als Orbit-4 irgendwo in Kasachstan zu Boden geht, lebt nur noch Weschnjakow. Sein Kollege ist tot, der halbe Schädel aufgeplatzt. Weschnjakow wird mit seinen Verletzungen in ein abgelegenes Labor verbracht, um dort von der Psychologin Tatjana Juriewna untersucht zu werden. Seine Wunden heilen zwar schnell, doch mit ihm selbst scheint etwas nicht zu stimmen. Kurz darauf wird auch ihr dann klar, was faul ist. Denn Weschnjakow speit des Nachts einen außerirdischen Parasiten aus. Dieser geht schon geraume Zeit beim Kosmonauten ein und aus, wie es ihm beliebt. Weschnjakow bekommt davon nichts mit. Und Juriewna soll die beiden voneinander trennen …
Der Westen erschüttert heute noch, wenn er das Wort „Sputnik“ hört. Immerhin hatte die Sowjetunion im Oktober 1957 unter dem Namen ihren ersten Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen und damit die Furcht ausgelöst, dass Russland mit Interkontinentalraketen auch die USA erreichen könnte. Außerdem fand man es in Amerika gar nicht witzig, dass die eigenen Raumfahrtbemühungen damit ins Hintertreffen gerieten.
Egor Abramenkos Film nutzt zwar den in aller Welt bekannten Namen für seinen SciFi-Horrorfilm, verortet ihn aber gut 25 Jahre später, im Jahre 1983. Zu dem Zeitpunkt war das Sputnik-Programm bereits seit gut 21 Jahren beendet. Der Kalte Krieg tobt dort aber immer noch und damit auch die Ost-West-Spannungen in Bezug auf die Weltraumfahrt. Sputnik nutzt das als nur dezent spürbaren Faktor, der im Hintergrund schwelt, aber nicht die Story bestimmt. Vom Westen ist im Prinzip nie die Rede. Vielmehr geht’s um die internen Abläufe, Strukturen und Verfahren. Schon nach einer Viertelstunde positioniert sich der Film in der Person der Psychologin Juriewna eindeutig systemkritisch. Sie reagiert ziemlich brüsk darauf, Weschnjakow zu untersuchen. Man führt ihre Figur ohnehin bereits in einer Situation ein, in der sie sich gewissen Vorwürfen erwehren muss. Wirklich systemkonform scheint sie also nicht zu sein. Mit Selbstbewusstsein gegenüber Genossen und Obersten wird die Geschichte aus ihren Augen geschildert. Und wenn sie (aufgrund ihres Auftrags, den Kosmonauten zu untersuchen), sagt, dass man sie wohl ausgewählt habe, um nicht an die große Glocke zu hängen, dass es dem Nationalhelden Weschjakow nicht gut ginge, dann ist das schon deutliche Kritik am Verhalten UdSSR in der damaligen Zeit.
Regisseur Abramenko spricht im Booklet des Mediabooks davon, dass er das Heldenbild der Sowjetunion dekonstruieren wollte. Dass er ausgerechnet dem strahlenden Mensch, der immer im Dienste der Allgemeinheit handelt und nicht infrage stellt, was man ihm befiehlt, einen außerirdischen Parasit einpflanzt.
Und, ganz typisch Militär: Da man merkt, dass die außerirdische Lebensform seinem Wirt unmenschliche Regenerationskraft und Leistungsfähigkeit beschert, weckt das natürlich auch eine gewisse Neugier ob dessen möglicher Fähigkeiten.
Juriewna stellt sich hingegen die Frage, ob man es mit einem Parasiten oder einem Symbionten zu tun hat. In provokanten Gesprächen weckt sie Weschjnakows Stresslevel, um die Verhaltensweisen der Lebensform in ihm besser zu verstehen. Gleichzeitig übt sich der Film in ihren beißenden Fragen erneut in Kritik und stellt die Frage, was für ein Held ein Kosmonaut sei, der seinen Jungen im Stich lässt und die ganze Zeit in einer „Blechbüchse auf Staatskosten“ unterwegs ist.
Was die Kreatur selbst angeht, zeigt Sputnik diesen zwar recht früh für einen Moment, lässt ihn ansonsten aber oft im Verborgenen wirken. Das erinnert nicht von ungefähr an einen thematisch ähnlichen Film von 1979. Regisseur Abramenko outet sich (wer hätte es gedacht) als Fan von Alien. Und so nimmt es nicht Wunder, dass er für seinen Regie-Erstling eben eine SciFi-Horror-Geschichte inszeniert hat, die einige Motive des 79er Klassikers von Ridley Scott enthält. Dass er dem Genre verbunden ist, könnte aber auch daran liegen, dass er als Second-Unit-Director bei Bondarchuks Attraction diente. Dessen Regisseur spielt hier übrigens die Rolle des Colonel Semiradov.
Aber zurück zur Kreatur. Sputnik zeigt dieses als sehr organisches Wesen mit ätherischer Haut, Mehrfachaugen wie bei einer Spinne, Armen wie einer Fleidermaus und einem Kopfpanzer, dessen Form sehr an die Aliens aus Emmerichs Independence Day erinnert. Gut getrickst ist das allemal und vom Design wirklich überzeugend.
Schade, dass der an sich spannenden Story im späteren Verlauf etwas die Puste ausgeht. Der Storytwist, den Sputnik zur Hälfte der Laufzeit preisgibt, führt leider auch nicht zu spürbar mehr Dynamik. Vielleicht auch deshalb, weil die etwas aufgesetzt wirkende Quasi-Love-Story nicht den zuvor anders charakterisierten Figuren passen will.
Was den leichten Mangel an Spannung in der zweiten Hälfte des Films wieder etwas auffängt, ist der famose Score von Oleg Karpachev. Dessen satte Orchestrierung baut eine wirklich bedrohliche Kulisse auf und erzeugt die Dramatik, die von den Bildern nicht zwingend immer erreicht wird. Zum Finale gibt’s dann noch mal eine Wendung, die den Film rückblickend noch etwas schlüssiger werden lässt.
Bild- und Tonqualität
Die Blu-ray von Sputnik hat ein etwas an ältere Analogfilme angelegtes Bild. Mit einer durchgängig leichten Körnung versucht man sich daran, 35-mm-Filmmaterial zu simulieren und filtert das Ganze mit überdeutlichem Grün-Anteil. Andere Farben als Grün, Grau sowie etwas Braun und Blau scheinen im Film nicht vorzukommen. Hinter der leichten Körnung ist die Schärfe allerdings meist sehr gut. Gerade Close-ups sind oft makellos. Im Schwarz könnte es allerdings etwas satter zugehen. Schattenbereiche sind oft eher dunkelgrau und nicht wirklich knackig. Ein paar wenige Momente, in denen rotes Alarmlicht auf schwitzender Haut widergespiegelt wird, überreißen in Sachen Farbkontrastierung etwas.
Die beiden DTS-HD-Master-Spuren beginnen mit dem recht räumlich aufgefächerten Score von Karpachev, der sich fein und gut aufgelöst über die Speaker legt. Weiter geht’s mit einem leichten Rauschen während der Dialoge und Szenen in der Orbit-4. Die Dialoge kommen einigermaßen authentisch zum Gehör, hätten vielleicht noch etwas mehr nach Funksprech klingen können. Beinahe hört man sie etwas zu klar aus dem Center, während die zwei Kosmonauten mit den Kollegen am Boden sprechen. Größtmögliche Authentizität liefern dafür die Außenaufnahmen nach etwas über vier Minuten. Wo andere Filme gerne mal auf Soundeffekte setzen, bleibt Sputnik realistisch stumm. Die einsetzende Stille, die nur von einem leichten Grummeln unterlegt ist, wirkt wie eine abstruse Mischung aus Frieden und Bedrohung. Wird die Kapsel dann scheinbar angegriffen, rappelt es im Inneren, was griffig über die Surrounds gelegt wird.
Die Szene im großen Anhörungssaal nimmt authentische Hall-Akustik ein, was besonders deutlich bei den Stimmen zur Geltung kommt. Schön räumlich ist auch die akustische Darstellung des Helikopters nach 13’40 und im Anschluss darf der Score wieder räumlich auftreten. Zwar fehlt dem Sound grundsätzlich so etwas wie Tiefbass-Unterstützung, aber die breite Bühne, die er der Musik und einigen Surroundsituationen gibt, ist sehr angenehm. Weniger angenehm sind die gruseligen Geräusche, die von der Kreatur nach etwa 50 Minuten abgegeben werden, während Tatjana innerhalb ihres Schutzhelmes atmet wie Darth Vader. Was Sputnik in puncto Tiefbass fehlt, holt er aufgrund seiner stimmigen Surroundatmosphäre durchweg wieder raus.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial der Blu-ray selbst besteht lediglich aus den Originaltrailern und weiteren Filmtipps. Das schicke Mediabook enthält noch die DVD des Films sowie ein 24-seitiges Booklet mit einem Interview mit Regisseur Abramenko und ein paar coolen Artworks.
Fazit
Sputnik ist düsterer als Attraction und stellt durchaus ein paar interessante Fragen. Die Systemkritik ist mitunter überraschend deutlich und der Score ist klasse. Was der Story letztlich etwas an Spannung fehlt, macht er in Sachen Atmosphäre und Creature-Design wieder wett.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 20%
Film: 65%
Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: Russland 2020
Regie: Egor Abramenko
Darsteller: Oksana Akinshina, Pjotr Fjodorow, Fedor Bondarchuk, Anton Wasilew
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, ru
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 114
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Capelight Pictures)
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Trailer zu Sputnik
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Auf so eine aufschlussreiche Film- und Blu-ray-Kritik zu „Sputnik“ hatte ich gewartet. Und dank der guten Kritik werde ich mir den Film mit dem Mediabook gerne zulegen (natürlich über deinen Link hier). Vielen Dank, Timo!