Blu-ray Review
OT: –
Tick Tack
Da schau her – spannendes Genrekino aus Deutschland.
Inhalt
Den turbulenten Flug hat Bauplaner Karl Brendt noch halbwegs gut überstanden. Halb so schlimm, dass sein aufgegebenes Gepäckstück nicht mitgekommen ist. Immerhin hat er absichtlich den Flieger genommen, um früher bei seiner Frau zu sein. Mit der feiert er nämlich den 15. Hochzeitstag. Leider nimmt sie aber auch kaum Notiz von ihm und hat ihrerseits den Tag offenbar vergessen. Also bringt der pflichtbewusste Ehemann auf dem Weg zu einem Termin lieber die Kids zur Schule. Doch es soll anders kommen. Kaum ist man ihm Auto, klingelt ein ins Handschuhfach gelegtes Telefon. Am anderen Ende meldet sich eine anonyme Stimme, bezeichnet Karl als „dreckiges Schwein“ und erzählt ihm, dass im Fahrzeug eine Bombe installiert ist. Die geht hoch, sobald einer der drei Insassen sich von seinem Sitz erhebt. Dem Unbekannten geht es um Geld. Einige Hunderttausend Euro verlangt er insgesamt – und das schnellstens. Doch wie soll Karl aus dem Auto heraus so viel Geld besorgen? Ein nervenaufreibender Wettlauf mit der Zeit beginnt …
Nicht auflegen! trifft auf No Turning Back in diesem Hochglanz-Thriller aus deutscher Produktion. Immer dann, wenn man das hiesige Genre-Kino gerne für mausetot erklärt, gibt’s eine faustdicke Überraschung. Christian Alvart, der 2005 mit Antikörper schon bewies, wie spannend und gut Thriller Made in Germany sein können, setzt erneut auf Wotan Wilke Möhring, wenn er seinen Protagonisten durch eine wilde und atemlose Fahrt durch die Hauptstadt schickt. Dass Steig. Nicht. Aus! so packend gerät, liegt daran, dass Alvart die psychologische Spannung so frühzeitig und massiv zuschnürt, dass einem Hören und Sehen vergeht. Möhring gelingt es durchweg, den Zuschauer auf seiner Seite zu haben. Wenn sein kleiner Sohn auf dem Rücksitz verletzt wird und der Papa nach und nach auch ein paar Familienwahrheiten erfährt, merkt man seinem Karl an, dass er an den Rand dessen kommt, was er zu ertragen und zu leisten imstande ist. Ergänzt wird er von der 16-jährigen Emily Kusche (Das kleine Gespenst), die Tochter Josefine geradezu sensationell spielt.
Inszenatorisch variiert Alvart zwischen intimen Aufnahmen aus dem Inneren des Fahrzeugs und schnell geschnittenen Sequenzen auf den Straßen Berlins. Die Hauptstadt dient dabei als perfekter Hintergrund und sorgt für internationales Flair. Ohnehin ist Steig. Nicht. Aus! locker auf dem Level entsprechender Hollywood-Produktionen – und das ganz ohne deren typisches Pathos.
Und dass deutsche Filme auch wendungsreich sein können, zeigt Alvart, der ebenfalls für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, ebenso. Denn um die Story über die Laufzeit von 109 Minuten zu bringen, fällt ihm immer wieder etwas ein. Selbst wenn man über das dicke Fragezeichen, warum der Anrufer irgendwann zu gierig erscheint, hinwegsehen muss. Das allerdings hält die Geschichte in Gang. Und wenn die Polizei letztlich ins Spiel kommt, nehmen die Dinge ohnehin ihre eigene Dynamik an. Ab dieser 53. Minute zaubert Alvart auch „mal eben“ mit Hannah Herzsprung seine zweite Hauptdarstellerin aus dem Hut. Die sieht zwar im Bombenräum-Kommando-Outfit aus wie ein Michelin-Männchen, ist aber die Verbindung zur Außenwelt und denkt einen Schritt weiter als die (etwas ärgerlich naiv porträtierten Kollegen des SEK).
Selbst wenn es zwischen den Einsatzkräften etwas klischeehaft abläuft, kratzt das nur bedingt an der eigentlichen Spannung. Auch atmosphärisch gelingt das Unternehmen. Denn immer wieder wird Berlin von starken Schauern geschüttelt, was (natürlich) immer dann passiert, wenn mal wieder ein kleiner Funken Hoffnung für Karl ins Nichts führt.
Steig. Nicht. Aus! zeigt beeindruckend, dass Alvart in Deutschland eine Ausnahmestellung einnimmt und damit der perfekte Regisseur für die kommende Fitzek-Verfilmung Abgeschnitten.
Bild- und Tonqualität
Das Bild von Steig. Nicht. Aus! hat einen sauberen, digitalen Look ohne jedes Rauschen. Allerdings ist es in Halbtotalen ein wenig soft und nicht so scharf wie in vereinzelten Close-ups. Die Farben tendieren etwas ins Kühle, was aber gut zur Atmosphäre passt. Der Kontrastumfang könnte etwas höher sein, Schwarzwerte sind eher mittelprächtig und leicht grün eingefärbt.
Beim Ton liefert Steig. Nicht. Aus! eine verlustfreie dts-HD-Master-Spur, die durchweg räumlichen Score liefert und während der Action-Szenen auch direktionale Sounds bietet. Die Stimmen sind allerdings in den unübersichtlichen Momenten etwas zugeschnürt und dürften etwas akzentuierter und verständlicher sein. Richtig gut gelingen die elektronischen Sounds während der Besprechung nach 85 Minuten – hier zieht der Film auch akustisch die Spannungsschraube an.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Steig. Nicht. Aus! liefert lediglich den Trailer des Films, ansonsten herrscht hier Ebbe.
Fazit
Großartiges Actionkino aus Deutschland – Steig. Nicht. Aus! nimmt es mühelos mit Big-Budget-Produktionen aus Hollywood auf. Selbst wenn ein paar Logiklöcher nur spärlich geschlossen werden, reißen es die Inszenierung und Darsteller sowie die zahlreichen Wendungen wieder raus. Echte Empfehlung!
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Bonusmaterial: 5%
Film: 80%
Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: Deutschland 2018
Regie: Christian Alvart
Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Hannah Herzsprung, Christiane Paul, Aleksandar Jovanovic, Emily Kusche
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 109
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter EuroVideo)