Steve Jobs

Blu-ray Review

Steve Jobs Blu-ray Review Cover
Universal Pictures, seit 24.03.2016

OT: Steve Jobs

 


Ein kleiner bunter Kinderbackofen

Danny Boyle schafft das Unmögliche: Ein Film, der den Spagat schafft, Genie und Wahnsinn des Steve Jobs zu porträtieren.

Inhalt

„Er muss Hallo sagen!“ Steve Jobs ist unerbittlich im Umgang mit seinem Chefprogrammierer. Denn der Start für den Macintosh 1984 soll einschlagen wie eine Bombe. Doch bei aller Strebsamkeit bleibt der neue Mac hinter den Erwartungen zurück. Die prognostizierte Absatzzahl wird nicht annähernd erreicht und Apple muss gar ein paar Produktionsfirmen schließen. Gut vier Jahre später steht Jobs nach seinem Weggang von Apple vor der Präsentation des schwarzen Würfels NeXTcube. Der ist zwar noch ohne funktionierendes Betriebssystem, wird aber dereinst die Plattform für eine viel bedeutendere Oberfläche liefern. 1998 schließlich, zwei Jahre, nachdem Jobs zu Apple zurückkehrte, stellt er dann mit dem iMac eben jenen revolutionären Computer vor, der die Hardware-Landschaft verändert wird und den Erfolg der Marke mit dem angebissenen Apfel auf den Weg bringen wird. Dass private Dinge derweil leiden akzeptiert der Machtmensch Jobs ohne mit der Wimper zu zucken …

Danny Boyle ist einer der wenigen Regisseure, die mit jedem Film ein kleines Meisterwerk abliefern. Dabei springt der Brite wie kaum ein anderer zwischen den Genres und zeigt, dass er sie alle beherrscht. NachThe Social Network kehrt er allerdings mit seinem jüngsten Film erstmals auf ein Feld zurück, das er schon mal beackert hat: Das Porträt eines Menschen, der die digitale Welt verändert hat. Sein Steve Jobs ist ein von Dialogen und Monologen dominierter Film basierend auf dem vorzüglichen Drehbuch von Aaron Sorkin (nach dem Buch von Walter Isaacson), den wohl jeder andere Regisseur gehörig versemmelt und unerträglich langweilig hätte werden lassen – nicht so Boyle. Schon die ersten 18 Minuten, die gerade mal zwei unterschiedliche Räume nutzen, sind inszeniert und vorgetragen wie ein Thriller und sorgen dafür, dass man Augen und Ohren nicht mal im Ansatz abwenden kann. So gebannt sitzt man vor dem Gezeigten, dass selbst Apple-Verweigerer (wie der Autor dieser Zeilen) vollkommen fasziniert sind. Und das ist eine Faszination, die zwischen Bewunderung und Abscheu schwankt. Bewunderung für die Visionen eines Mannes, der die Welt mit seinen Produkten faktisch tatsächlich verändert hat (ob man es gut oder schlecht finden mag, wie es vonstatten ging) und Abscheu für den Privatmenschen Jobs, der sozial (freundlich gesagt) inkompatibel war. Wie er seinen Entwickler Andy Herzfeld und andere Angestellte behandelt, zeugt nicht nur von Arroganz, sondern von einer hochgradigen Gefühlskälte. Jobs hält sich für den Dirigenten eines Orchesters, der die Kompetenz seiner Entwickler katalysiert und filtert. Das ist seine Antwort darauf, als ihn Apple-Mitbegründer Steve Wozniak fragt, was er denn eigentlich könne – denn Programmieren und Enwickeln ist es schon mal nicht. Es ist dieser Zwiespalt, der Steve Jobs Zeit seines Lebens begleitet hat. Denn man konnte ihm durchaus vorwerfen, nicht wirklich selbst Entwickler gewesen zu sein. Andererseits wäre Apple ohne ihn vermutlich nie das geworden, was es heute ist. Seinen Höhepunkt hat Boyles Film nach knapp einer Stunde, wenn man in Gegenschnitten zwischen 1985 und 1988 hin- und herwechselt und der Film erzählt, wie es zum zwischenzeitlichen Bruch Jobs mit Apple (oder andersherum, je nach Betrachtungsweise) kam. Steve Jobs beleuchtet außerdem, dass für den genialen Visionär stets klar war, dass Apple und all seine Produkte immer inkompatibel zu anderen Komponenten sein sollten und mussten – ein geschlossenes System. Etwas, das noch heute die Gegner erzürnt und die Fans erfreut. Es spiegelt aber auch essentiell wieder, dass sich Jobs nach außen immer abgeschirmt hat und niemanden teilhaben lassen wollte – ein hochgradig neurotisches Verhalten.

Boyle zeigt Jobs dabei als genialen Visionär, als einen, der es schafft, wie kein anderer, das Wissen und Können seiner Angestellten in herausragende Produkte zu kanalisieren aber eben auch als machtkonzentriertes Arschloch. Wenn er bei der stressigen Präsentation des Macintosh will, dass die EXIT-Lichter ausgeschaltet werden und sich dabei in maximal überheblicher Art über Feuerschutzbestimmungen hinwegsetzen will, weiß man, dass ihm Menschen eigentlich ziemlich egal sind. Nun, vielleicht nicht Menschen aber zumindest deren Meinung über ihn. Am deutlichsten wird das, auch wenn er seine Angestellten oft wie den letzten Dreck behandelt, in seiner „Beziehung“ zu Lisa. Eben jener Tochter, die er lange abstreitet, erzeugt zu haben. Beispielsweise wenn er dem fünfjährigen Mädchen 1984 erklärt, dass es ein „Zufall“ ist, dass einer seiner Computer den gleichen Namen trägt oder er im nächsten Atemzug der Mutter vorschlägt, in Apple-Aktien zu investieren, weil diese dramatisch unterbewertet seien – ignorierend, dass seine Ex-Partnerin gerade Sozialhilfe für sich und Lisa beantragt hat. Ein netter Mensch ist er immer nur dann, wenn er seine Produkte vorführen kann – und vielleicht in dem Moment als er seiner 19-jährigen Tochter gesteht, dass er „schlecht programmiert“ sei. Diesen wenig charmanten oder gar einfühlsamen Menschen gibt ein Michael Fassbender, der zwar bei der Oscarverleihung gegen Leonardo DiCaprio das Nachsehen hatte, der sich in Steve Jobs allerdings in einen wahren Rausch spielt. Vermutlich hatte ein Hauptdarsteller in den letzten Jahren nicht mal ansatzweise so viel Text in so langen Einstellungen zu präsentieren wie der gebürtige Heidelberger. Mit Inbrunst und höchster Emotionalität redet, schimpft und gestikuliert er sich durch die drei Akte und agiert höchst oscarwürdig. Dabei ist es vollkommen egal (wie Danny Boyle im Making-of ebenfalls erzählt), dass Fassbender seiner Figur äußerlich nicht wirklich ähnlich sieht. Tatsächlich gab man sich auch keine große Mühe, ihn so aussehen zu lassen, vertraute man doch auf die Kraft seiner Darstellung. Pikant ist durchaus, dass DiCaprio zunächst selbst für diese Rolle vorgesehen war. Steve Jobs allerdings ist nicht nur aufgrund Fassbenders eine schauspielerische Offenbarung. Auch Kate Winslet als Marketingchefin Joana Hoffman agiert sensationell gut und Jeff Daniels in der Rolle als Apples CEO und Präsident ist geradezu beängstigend eindrucksvoll. Wenn er sich nach einer Stunde ein denkwürdiges Streitgespräch mit Jobs liefert, ist das Schauspiel auf allerhöchstem Niveau. Neben der Geschichte selbst und den Schauspielern soll und muss auch der Score erwähnt werden. Die elektronischen Sounds von Daniel Pemberton sind thematisch perfekt passend und erzeugen eine wohlige Gänsehaut. Was bei einem Film von 122 Minuten zudem höchst erstaunlich ist: Steve Jobs kommt mit gerade einmal drei Haupt-Schauplätzen (und ein paar auflockernden Tatsachenbildern) aus, spielt praktisch nie unter freiem Himmel und nutzt eine klassische Theaterstruktur in drei Akten. Dass bei diesem reduzierten Setting zu keiner Zeit Langeweile aufkommt, sondern zwei Stunden lang Hochspannung herrscht.

Bild- und Tonqualität

Neben Boyle als großartigem Filmemacher kennt man auch den Look seiner Filme mittlerweile. In Steve Jobs allerdings treibt er es auf die Spitze: Mehr Korn hat man auf einer Blu-ray selten gesehen. Tatsächlich ist das Bild derart grobkörnig, dass schon in Halbtotalen Details und Katenschärfe mies sind und kaum Zeichnung zulassen. Die im 70er-Jahre-Look verwaschenen Farben überzeugen ebenfalls nicht und zu aller Stilisierung gesellen sich auch noch eingefügte Blitzer und Drop-outs. Man weiß, was Boyle damit bezwecken will und irgendwie tut es dem Film ja auch inhaltlich gut – schön aber ist das nicht. Boyle weiß aber, wie er seinen in drei Akte eingeteilten Film auch optisch einteilt, denn schon mit dem Übergang ins Jahr 1988 (Kapitel 7) ändert sich das Bild radikal: Das extreme Rauschen entwickelt sich in ein angenehmes Filmkorn auf uniformen Hintergründen, die ausgewaschen Farben werden plötzlich kräftig und bunt, die Schärfe ist bedeutend besser und die Blitzer und Drop-Outs bleiben aus. Mit Beginn des dritten Aktes wechselt es erneut. Farben reduzieren sich auf ein neutrales Niveau, die Bildruhe erhöht sich nochmals und die Schärfe ist nun exemplarisch gut. Der Grund für diesen Look ist vornehmlich in den unterschiedlichen Kameras zu suchen, die Alwin H. Küchler verwendete. Zunächst kam 16-mm-Filmmaterial für den ersten Teil zum Einsaz. Hiernach dann 35-mm-Film für den zweiten und am Ende hochauflösende Alexa-Digitalkameras für den dritten Akt.
Akustisch präsentiert Steve Jobs jederzeit hervorragend verständliche Dialoge, auf die sich der Film entsprechend konzentriert. Die kongeniale Filmmusik öffnet den Raum und legt sich warm und angenehm auf die Lautsprecher. Anlass für Effekte gibt es nur selten. Wenn dann aber der tosende Applaus entflammt, gibt es dafür umso mehr Gänsehaut (60’00). Dann wird’s außerdem auch hübsch dynamisch und der Subwoofer meldet sich zu Wort.

Bonusmaterial

Zwei Audiokommentare finden sich im Bonusmaterial von Steve Jobs -einer mit Regisseur Boyle selbst, der andere mit Drehbuchautor Aaron Sorkin und Cutter Elliot Graham. Hinzu kommt ein 45-minütiges Making-of, das in drei Teile gesplittet ist und für einen Hintergrundbericht extrem interessant geraten ist. Hier können sich alle anderen „Making-ofs“, die sich gerne so nennen aber am Ende doch nur lange Selbstbeweihräucherungs-Trailer sind, eine Menge abschneiden. Die Filmemacher und Schauspieler haben wirklich etwas zu sagen und präsentieren sich für ihre Kommentare vor einem strahlend weißen Hintergrund – ganz wie Jobs es gemacht hätte.

Fazit

Ein genialer Regisseur liefert einen genialen Film über einen genialen Kopf der Computerindustrie ab – nicht mehr und nicht weniger ist Steve Jobs, das jüngste Werk von Danny Boyle. Und das sagt ein Rezensent, der sich aus tiefer Überzeugung stets dem Apfel-Trend widersetzt hat. Man muss demnach kein Freund des Herstellers sein, um den Film höchst unterhaltsam und ebenso spannend zu finden.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60-85%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 60%
Film: 90%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Danny Boyle
Darsteller: Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Jeff Daniels, Michael Stuhlbarg
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 122
Codec: AVC
FSK: 6

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