Stonehearst Asylum – Diese Mauern wirst du nie verlassen

Blu-ray Review

Stonehearst Asylum Blu-ray Review Cover
Universum Film, seit 30.01.2015

OT: Eliza Graves

 


Es stand bei Edgar Allan Poe

Reihenweise bekannte Gesichter in einer wendungsreichen Geschichte um vermeintlich Normale und vermeintlich Verrückte.

Inhalt

Stonehearst Asylum ist eine bis nach Oxford berühmte Anstalt für mental verwirrte Menschen – mithin Verrückte. Allerdings für Patienten aus gutem Hause – ausgestoßen von den jeweiligen Familien, die sich ihrer kranken Angehörigen schämen. Dort, kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts, praktiziert Dr. Silas Lamb, dem der frisch zum Nervenarzt ausgebildete Edward Newgate einen Besuch abstattet. Vor Ort muss dieser feststellen, dass Lamb progressiver ist, als Newgate sich bei aller gelernter Schulmedizin vorstellen kann. Man stellt die Klienten nicht mal ruhig – eigentlich unvorstellbar in dieser Zeit. Obschon Newgate überrascht ist, neigt er dazu, dem vertrauenswürdigen Lamb Glauben zu schenken. Bis er des Nachts durch Geräusche in den Keller gelockt wird und über eingekerkerte Menschen stolpert. Unter ihnen Dr. Benjamin Salt, der eine ganz eigene Geschichte zu Lamb und dessen Methode zu erzählen hat …

Regisseur Brad Anderson (The Machinist) nahm sich der Kurzgeschichte „The System of Doctor Tarr and Professor Fether“ von Edgar Allan Poe an und weitete sie für Stonehearst Asylum um Thriller- und Drama-Elemente aus. Das konsequent düstere Setting im viktorianischen Design hat Anderson bis in die kleinsten Details umgesetzt und sorgt damit für eine glaubwürdige Atmosphäre. Wenngleich die Geschichte weitgehend konventionell erzählt ist, sorgt die Storywendung nach einer halben Stunde nicht nur für einen Aha-Effekt, sondern auch für die Möglichkeit, eine kontroverse Diskussion zu entfachen. Eine Diskussion darüber, welche Methoden beim Umgang mit psychisch Kranken klientenzentrierter und erfolgversprechender sind. Natürlich reden wir hier über Umstände, die so vor über hundert Jahren stattgefunden haben, doch das Ruhigstellen psychotischer Patienten, die Durchführung von Elektroschocks etc. waren noch in den 1970ern und danach gängige Praxis. So hat Stonehearst Asylum seine besten Momente tatsächlich dann, wenn die Figur des Dr. Lamb herausarbeitet, wie sehr die Kranken zuvor unter den Behandlungen gelitten haben.

Für die unterhaltsamen Momente sorgen vor allem die prominenten Darsteller, die sich in der Klinik von Stonehearst Asylum die Klinke in die Hand geben. Gleich zwei geschlagene Ritter sind darunter: Sir Michael Caine und Sir Ben Kingsley, die als Ärzte einen offenen Konkurrenzkampf betreiben, stehen dabei an vorderster Darstellerfront. Kingsley, der gut gelaunt für die Lacher sorgt und die durchaus dramatischen Züge des Films so auflockert, agiert zwar nicht oscarverdächtig, aber allemal besser als zuletzt im grauenvollen Tattoo-Look in Ender’s Game. Mit verschmitztem Grinsen führt er seinen jungen Arztkollegen durch die Räume der Klinik und klärt ihn mit ironischem Unterton über die Eigenheiten der Patienten auf. Caine, der mit deutlich weniger Screentime auskommen muss, wirkt ein wenig blasser, erzeugt mit seiner Präsenz aber eine wohlige Vertrautheit. Kate Beckinsale reiht sich souverän ins Ensemble ein, bleibt in ihrer Rolle allerdings etwas limitiert. Hier wäre etwas mehr (Konflikt)potenzial durchaus drin gewesen. Jim Sturgess in der Hauptrolle des jungen Arztes gibt sich Mühe, der prekären Lage seiner Figur Glaubwürdigkeit zu schenken, ist letztlich aber ein bisschen arg weinerlich. Ein willkommenes Wiedersehen gibt es mit einem der sympathischsten Nebendarsteller überhaupt, Jason Flemyng in der Rolle des Swanwick.
Während der Humor zu Beginn und die Kontroversität des Themas im Mittelteil durchaus dafür sorgen, dass man sich gut unterhalten fühlt, sind die knapp zwei Stunden Laufzeit einfach ein bisschen zu ausgedehnt und lassen Stonehearst Asylum im dritten Viertel etwas zäh werden. So richtig kommt die Story dann nicht mehr vorwärts und fügt den Motiven auch kaum mehr Neues hinzu – im Gegensatz zum zwar nicht sonderlich überraschenden, aber zumindest in sich stimmigen Ende.


Bild- und Tonqualität

Stonehearst Asylum liefert meist knackige Close-ups mit guter Schärfe und kann auch in Sachen Kontrastumfang überzeugen. Die Schwarzwerte sind knackig und die etwas braungelblich gewählte Farbpalette passt hervorragend zum Setting und der Stimmung. Lediglich die anfänglichen Nebelszenen wirken etwas flau. Ebenfalls sehr gut schlägt sich der Ton. Stonehearst Asylum ist von Beginn an vor allem durch seinen klassisch komponierten und perfekt zur düster-gothischen Atmosphäre passenden Filmscore sehr räumlich und lebendig. Die Stimmen hallen authentisch in den alten Gemäuern der Anstalt und sind ohnehin prägnant und vorzüglich verständlich. Hin und wieder gibt es ein paar direktionale Effekte, wie zum Beispiel bei den Kriegsvisionen von Lamb, große Dynamiksprünge bleiben jedoch thematisch bedingt eher aus.


Bonusmaterial

Sechs Programmtipps und die beiden Originaltrailer – mehr hat das Bonusmaterial von Stonehearst Asylum leider nicht zu bieten.

Fazit

Stonehearst Asylum ist zwar nicht ganz das, was die Besetzung und der Regisseur versprechen, hat aber in den kontrovers angehauchten Szenen, dem authentischen Setting und Sir Ben Kingsley drei schlagende Argumente, die den Film für Genrefans empfehlenswert machen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 10%
Film: 65%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Frankreich 2014
Regie: Brad Anderson
Darsteller: Kate Beckinsale, Jim Sturgess, Brendan Gleeson, Sir Ben Kingsley, Sir Michael Caine, Jason Flemyng
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 113
Codec: AVC
FSK: 16

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Martin Zopick

Der Titel lässt nicht ahnen, dass der Film auf einer Erzählung von E.A. Poe beruht. Regisseur Brad Anderson hat einen Reißer draus gemacht, der durchaus spannend daherkommt und nur eine Grundidee mit der Erzählung teilt.
In der titelgebenden Irrenanstalt kommt Mr. Newgate (Jim Sturgess), ein Prof aus Oxford an, der in einer Vorlesung eines Nervenarztes (Brendan Gleeson) die Patientin Eliza Graves (Kate Beckinsale) gesehen hatte und sich in sie verliebt. Als Leiter des Instituts gibt sich Dr. Lamb (Ben Kingsley) aus, Finn (David Thewlis) ist sein Gehilfe, seine rechte Hand fürs Grobe. Im Keller des Anwesens sind viele gesunde Patienten eingeschlossen, darunter der ehemalige Leiter Dr. Salt (Michael Caine) sowie die Oberpflegerin Mrs. Pike (Sinead Cusack). Dr. Lamb könnte ein geisteskranker Killer sein, Dr. Salt ein gebrochener Arzt.
Mit viel handfester Action Feuerwerk und Champagner werden die Kellerinsassen mit Hilfe von Newgate die auf den Kopf gestellte Pfleger- und Patientensituation wieder umkehren. Mit überraschenden Wendungen wie z.B. dem Gemütszustand von Dr. Salt oder dem von Dr. Lamb wird die vorige Normallage wiederhergestellt, bis der Nervenarzt und ein Mr. Graves, Elizas Ehemann, an die Pforte klopfen…
Weitere Verwechslungen schaffen etwas Verwirrung bis Eliza und Newgate ins Happy End in Italien tanzen.
Die düstere Stimmung wird der Vorlage gerecht, die Details der Handlung sind gut in den Plot eingepasst. Nur die unterschiedlichen Behandlungsmethoden bleiben etwas kryptisch, weil man nicht weiß, welche die richtige ist. Am Ende wird alles mit dem Mantel der Liebe zugedeckt.