Straight Outta Compton Director’s Cut

Blu-ray Review

Straight Outta Compton Blu-ray Review Cover
Universal Pictures, seit 14.01.2016

OT: Straight Outta Compton Director’s Cut

 


Niggaz Wit Attitudes

Fiebrig inszeniertes Biopic über die Gründung und den Erfolg der Rap-Crew von N.W.A.

Inhalt

Wer in der Gegend von Compton in Kalifornien aufwächst, hat nicht sonderlich viel Perspektive. Gewalt und Polizeiwillkür bestimmen den Alltag, dem Dr. Dre, Ice Cube und Eazy-E durch das hören tighter Rhymes zu entfliehen versuchen. Bisweilen produzieren sie sogar einen eigenen Track und landen mit „Boyz-n-the-Hood“ einen veritablen Hit. Als Manager Jerry Heller das mitbekommt und das Potenzial der Jungs erkennt, verschafft er der Crew einen Plattendeal – allerdings bekommt zunächst nur Eazy-E einen echten Vertrag, was innerhalb des Kollektivs zu Unstimmigkeiten führt. Währenddessen sorgt der Song „Fuck tha Police“ für Unstimmigkeiten, die sogar das FBI auf den Plan rufen. Fürderhin wird N.W.A. untersagt, den Titel live zu singen. Das sorgt allerdings auch für noch größere Publicity und öffentliche Aufmerksamkeit. Die scheint jedoch vor allem Cube nicht auskosten zu können, denn er ärgert sich über Eazys Egotrip und Hellers Einstellung ihm und den anderen gegenüber. Also schmeißt er hin und produziert eine Solo-LP, die alle Rekorde bricht. Dies wiederum lässt Eifersüchte bei Eazy aufkeimen und die Dinge scheinen sich hochzuschaukeln …

Dass F. Gary Grays Biopic über die Band N.W.A. (und damit über die Anfänge des Gangsta-Rap in den USA) im Sommer 2015 international für Furore sorgte, waren vor allem diejenigen überrascht, die mit der Musik und der Bewegung nur wenig anfangen konnten oder können. Doch selbst für diese ist Straight Outta Compton ein faszinierender Einblick in eine Welt, die man aus heutiger Sicht kaum noch für möglich hält. Mitte der 80er sah der Alltag aber gerade in den Vereinigten Staaten noch anders aus: Rassismus und polizeiliche Willkür war weitverbreitet und wurde offen zur Schau getragen. Die Perspektivlosigkeit der afroamerikanischen Bevölkerung führte entweder dazu, dass man in der (Drogen)Kriminalität oder frühzeitig auf dem Friedhof landete. In dieser Zeit treffen sich O’Shea Jackson aka Ice Cube, Andre Romell Young aka Dr. Dre und Eric Wrigt aka Eazy-E, um Platten aufzulegen und ein wenig zu scratchen. Dass daraus die einflussreichste Rap-Band der 80er und 90er würde, konnte niemand ahnen – auch nicht, dass sie gleichzeitig den Gangsta-Rap mitbegründen, auf dem heute der Großteil der entsprechenden Bands oder Solokünstler basiert. Dass Straight Outta Compton nicht einfach „nur ein weiteres Musik-Biopic“ geworden ist, liegt also auch ein stückweit daran, dass Dr. Dre, Ice Cube und Eazy-E WIRKLICH etwas bewegt haben. Welche Band kann heute schon von sich behaupten, dass sich das FBI aufgrund eines Musikstücks einschaltet. Bei F*** the Police von N.W.A. war dies seinerzeit der Fall. Gray begeht aber nicht den Fehler, seine Protagonisten verharmlost als introvertierte und handzahme Helden darzustellen. Nicht nur Eazys Drogengeschäfte werden thematisiert, auch die zahlreichen Gewaltausbrüche, Macho-Partys und der Waffenmissbrauch sind Teil des Films (allerdings lässt er die sexuelle Gewalt, die gerade Dre des Öfteren ausübte bewusst beiseite). Zur realistischen Schilderung gesellt sich das entsprechende Vokabular, das vornehmlich aus „shit“ „fuck“ und „nigga“ zu bestehen scheint. Das muss man schon ein bisschen mögen, damit es nicht irgendwann auf die Nerven geht – authentisch ist’s in jedem Fall. Allerdings nur im englischen Original so richtig, denn das dauernde „auf jeden“ der deutschen Synchro biedert sich viel zu sehr an die heutige Jugendsprache an, als dass es aus den 80ern/90ern stammen könnte.

Großartig arbeitet Straight Outta Compton den Schlagabtausch der ehemaligen Musiker heraus. Wie sich der Konflikt anhand der Texte von Cube und Eazy entfacht, ist plakativ geschildert und initiiert eine bedrohliche Stimmung, aus der heraus die spätere East-Coast-vs-West-Coast-Fehde erwuchs. Manchmal muss man sich schon an den Kopf fassen, wenn man sieht, dass Musiker, die eigentlich alle in irgendeiner Form am selben Hebel ziehen sollten, sich schon im Studio gewaltsam in die Haare kriegen und jeder neue Typ erst einmal von oben bis unten misstrauisch beäugt wird – was für ein grenzenloser Machismus, dem die ach so harten Gangsta-Rapper da fröhnten. Mit dem Abstand, den man heute zu der Zeit hat, wird auch klar, wie viel Schiebereien zwischen Managern, Plattenlabels und den vertraglich gebundenen Musikern stattfanden. Und will jemand mal nicht so wie der andere, hat man eine Knarre am Kopf – so einfach ist das. Aus filmischer und historischer Sicht ist übrigens schade, dass über N.W.A.-Gründungsmitglied Mik Lezan aka Arabian Prince kein Wort verloren wird. Der zeigt sich darüber traurig und vermutete, dass den größeren Namen einfach mehr Zugkraft zugesprochen wurde. So bemängelte er gleichzeitig, dass die von Paul Giamatti (dem bekanntesten Darsteller in Straight Outta Compton) gespielte Figur des Jerry Heller lange nicht so viel Bedeutung in der N.W.A.-Historie hat, wie der Film es nahelegt. Diese Mankos überspielen O’Shea Jackson jr., Corey Hawkins und Jason Mitchell allerdings mit Leidenschaft. Gerade O’Shea Jackson jr., Ice Cubes tatsächlicher Sohn, könnte eine jüngere Ausgabe seines Vaters sein.

Unterschied zwischen Kinofassung und Director’s Cut

ACHTUNG: Spoiler voraus!!

Der Director’s Cut von Straight Outta Compton läuft insgesamt knapp 20 Minuten länger als die theatralische Fassung und wurde schon kurz nach Kinostart beschlossen und fertig geschnitten. Gerade im letzten Drittel wurden entsprechende Elemente hinzugefügt, welche die neu hinzukommenden Figuren etwas intensiver vorstellen. Gerade Suges Einmischen in die Verträge mit Jerry bekommt deutlich mehr Raum. Das hält den Film etwas mehr im Fluss, während die Kinofassung während der letzten Dreiviertelstunde etwas fragmentarisch wirkt. Einige Szenen zwischen Jerry und Eazy deuten noch stärker an, dass der Rapper den Manager verlassen will, wobei auch das Gespräch der Zwei bezüglich Eazys Abrechnung mit Suge deutlich länger ausfällt. Auch die Liebelei zwischen Dre und Nicole bekommt etwas mehr Raum – ebenso wie das Abschiednehmen von Eazy, das nicht nur intensiver und emotionaler gerät, sondern auch noch eine rührende Szene zwischen ihm und Tomica bereithält. Fürs US-Publikum gab es aber auch Bilder, die in der Kinofassung viel zu eindeutiger sexueller Natur gewesen wären und die nun wieder enthalten sind. So gibt’s beispielsweise nach Ice Cubes Interview mit dem unfähigen Mann von der Zeitung beinahe explizite Sexszenen und noch viel mehr nackte Haut zu sehen (ab 117’00).

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Straight Outta Compton ist leider nur durchschnittlich. Die warme Farbgebung und durchweg bräunliche Filterung mag noch zur Atmosphäre passen, der flaue Kontrast jedoch gefällt nicht. Gerade Szenen in schlechter Ausleuchtung leiden unter sehr schwacher Durchzeichnung (Jerrys Büro 73’00). Hinzu gesellen sich immer wieder Randunschärfen – oft von den Seiten kommend. Die Schärfe ist lediglich in Nahaufnahmen sehr gut, leidet aber in Halbtotalen schon an einem etwas zweidimensionalen Eindruck. Was ein Biopic über eine Rap-Crew ist, sollte das Ganze natürlich entsprechend wuchtig rüberkommen – und genau das tut es. Wenn Dre, Eazy und Cube loslegen und die Bassline aus den Lautsprechern tönt, bebt das Heimkino und wird erfüllt mit Scratching-Sounds über die Rearspeaker. Die Musikszenen von Straight Outta Compton suchen in Sachen Dynamik tatsächlich ihresgleichen. Leider fallen die Dialoge dagegen in Sachen Lautstärke deutlich zurück. Manchmal greift man tatsächlich zur Fernbedienung, um den Pegel entsprechend anzupassen. Tatsächlich ist das aber auf der englischen Tonspur nicht bedeutend besser. Der O-Ton ist übrigens auch nicht hörbar besser aufgelöst, trotz der Tatsache, dass er in dts-HD-Master vorliegt, während die Synchronisation mit regulärem dts auskommen muss.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Straight Outta Compton ist angefüllt mit zahlreichem Material: Von unveröffentlichten Szenen und weiteren Songs gibt es insgesamt sechs Featurettes sowie einen Audiokommentar von Regisseur F. Gary Gray. Die Featurettes kümmern sich um die „Anfänge von N.W.A.“ und lässt auch die echten Bandmitglieder zu Wort kommen. In „Einfluss“ erzählen die ursprünglichen Mitglieder der Band, wie diese entstanden ist. „Aus der Sicht des Regisseurs“ schildert die sozialpolitischen Umstände, in denen die Band gegründet wurde. Ein Hauptthema ist dabei sicherlich der Umgang der Polizei mit Rodney King 1991 und die aus den Freisprüchen der Polizisten resultierenden Aufstände. „Auf der Straße: Dreharbeiten in Compton“ beschäftigt sich mit der authentischen Arbeit vor Ort in Los Angeles. „N.W.A. – Auftritt in Detroit“ führt Originalmitglieder und Schauspieler für einen Live-Auftritt, der für den Film inszeniert wurde, zusammen. „N.W.A. – Der Werdegang“ schließlich kümmert sich noch einmal einzeln um die Figuren und ihre Darsteller im Film – leider laufen die Featurettes jeweils nur zwischen einer und acht Minuten.

Fazit

Straight Outta Compton ist trotz ein paar ärgerlicher Mankos das bisher authentischste und rohste Filmwerk, das über die Ursprünge des Gangsta-Rap produziert wurde. Mit hochemotional agierenden Darstellern und fiebrigen Musikszenen nimmt F. Gary Grays Biopic nicht nur die Fans von N.W.A. gefangen. Der Director’s Cut ist in jeder Hinsicht die gelungenere Fassung und der Kinoversion emotional und inhaltlich vorzuziehen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 40%
Film: 75%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2015
Regie: F. Gary Gray
Darsteller: O’Shea Jackson jr., Corey Hawkins, Jason Mitchell, Paul Giamatti, Neil Brown Jr., Aldis Hodge, Marlon Yates jr., R. Marcos Taylor, Carra Patterson
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 147/167
Codec: AVC
FSK: 16

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