Blu-ray Review
OT: The Wolf Hour
Zeit im Abgrund
New York im Jahre 1977: Ein Schmelztiegel.
Inhalt
Eine runtergekommenes Haus in der Bronx, eine Wohnung, die schon bessere Zeiten gesehen hat und eine Schriftstellerin, die mal richtig angesehen war. June Leigh hat sich im Apartment ihrer verstorbenen Großmutter verschanzt. Mit ihrem Erstlingswerk „Patriarch“ hatte sie einen aufsehenerregenden Roman verfasst, der ihren eigenen Vater angeprangert hatte und in der Folge zum Zerwürfnis mit der Familie führte. Die Frau, die sich in der Anti-Establishment-Bewegung engagierte, passte so gar nichts ins Bild der wohlhabenden Familie. Geschrieben hat June nun schon lange nichts mehr und das einzige, was sie hin und wieder aus dem Bett holt, ist ihre Wohnungsklingel. Diese schlägt immer wieder an, ohne dass jemand vor der Tür steht. Der Blick aus dem Fenster zeigt ihr derweil den heißen Sommer des Jahres 1977 und das Radio spricht erneut vom Kaliber-44-Killer. Der hat nun in der Bronx zugeschlagen und verhöhnt die Polizei. Nichts, was die Agoraphobie vom June mindern könnte. Keinen Schritt setzt sie mehr vor die Tür, jeder Versuch endet in Schweißausbrüchen. Und so langsam geht ihr das Geld aus. Die einzige Hilfe könnte ein neues Manuskript sein. Ein neues Schaffenswerk, das ihr Tantiemen und Einkünfte sichern würde. Doch June wirkt weder psychisch noch physisch in der Lage, auch nur ein Wort auf der Schreibmaschine zu tippen …
Summer of Sam – Spike Lees Film von 1999 beschrieb das Leben einer Gruppe von Menschen in der Bronx vor dem Hintergrund der Taten des im Sommer 1977 sein Unwesen treibenden Serienkillers David Berkowitz. Berkowitz, der im gleichen Jahr gefasst und zu 365 Jahren Haft verurteilt wurde, nannte sich in einem Bekennerschreiben auch Son of Sam, was die Wahl des Filmtitels erklärt. Vier Jahre zuvor hatte bereits der Thriller Copykill Bezüge zu Berkowitz hergestellt, als er einer der Serienkiller war, dessen Taten ein Nachahmer zum Vorbild nahm. Interessanterweise erzählte der mit Sigourney Weaver und Helen Hunt prominent besetzte Film ebenfalls von einer Protagonistin, die unter Agoraphobie leidet. Und obwohl Alistair Banks Griffins Stunde der Angst inszenatorisch nichts mit den beiden anderen Filmen zu tun, hat, schließt sich hier eine Art Kreis. Griffin inszeniert seinen Film indes vielmehr als One-Woman-Show. Er konzentriert sich ausschließlich auf seine Hauptfigur, die von Naomi Watts mit fiebriger Intensität gespielt wird. Unterlegt nur mit ganz leise sägenden Tönen von Geigen lässt sogar der Score erkennen, wie flirrend die Hitze draußen ist. Jede Bewegung, jede Aktion von June wird dermaßen intensiv von Watts vorgetragen, dass man sich selbst in diesem stickigen Apartment wähnt, selbst das Gefühl hat, eine Angststörung zu bekommen. Der Blick aus dem Fenster macht das Ganze nur noch schlimmer. Wir sehen, wie die Menschen draußen mit der Hitze kämpfen und wie sich Aggressionen immer wieder in Sprache und Habitus mischen. Wir sehen, dass sich nach und nach die Straßen mit Müll füllen. Müll, den June per Seil nach unten ablässt, um ja nicht die Wohnung verlassen zu müssen. Einzig diese sägende Türklingel unterbricht immer wieder die nur von Straßengeräuschen getragene Atmosphäre und fährt den Zuschauer genauso wie June durch Mark und Bein. .
Ebenso überträgt sich die Paranoia der Hauptfigur auf den Zuschauer. In allem und jedem sieht sie eine Bedrohung, lässt nicht mal ihre Freundin zu sich nach Hause – natürlich auch, weil es ihr ganz offensichtlich unangenehm wäre, wenn man sie in diesem Zustand sieht. Dem Lebensmittellieferanten gegenüber tritt sie reichlich unfreundlich auf, was die Darstellung ihres Gemütszustand nur noch mehr intensiviert. Ihre schroffe Art ist natürlich lediglich Ausdruck ihrer Hilflosigkeit – denn freiwillig gewählt hat June ihren Zustand natürlich nicht. Vielmehr gibt sie sich die Schuld für diverse Dinge und möchte der Welt „da draußen“ nicht mehr zur Last fallen.
Inszenatorisch nutzt der Film seine eingegrenzten Möglichkeiten durch das räumlich beschränkte Szenario effektiv. Die Kamera findet immer wieder Einstellungen und Winkel, die das Geschehen unmittelbar auf den Zuschauer übertragen. Das Produktionsdesign passt sich dem stimmigen Bild an, indem es das Apartment wirklich hübsch schmuddelig und düster gestaltet hat. Das wird nicht mal sonderlich viel hübscher, wenn June ihre Freundin Margot doch noch hineinlässt und die zwei mal gemeinsam aufräumen. Dazu kommt das bei offenem Fenster oft zu hörende Stimmen-Wirrwarr der Menschen, die aufgrund der Temperaturen draußen immer hektischer zu werden scheinen. Atmosphärisch und darstellerisch kann man Stunde der Angst keinerlei Vorwürfe machen.
Allerdings werden sich Filmfans, die eine zielgerichtete Story vermuten oder erhoffen ziemlich bald abwenden. Denn das, was Griffin hier schildert, hat keinen Anfang und kein Ende. Es ist eine Momentaufnahme, die vor dem Hintergrund eines heißen Sommers eine Gefühlslage der damaligen Zeit reflektiert. Ein Killer ging um, die Temperaturen erreichten den Siedepunkt und ein New York weiter Stromausfall sorgte für chaotische Plünderungszustände. Mittendrin eine Frau, deren Leben ohnehin bereits aus den Fugen geraten war und die in ihrem Mikrokosmos ein Spiegelbild dessen ist, was sich im größeren Stil für das ganze Jahrzehnt sagen ließe.
- Oscar-Nominee Naomi Watts in einer beeindruckenden One-Woman-Show als Schriftstellerin in Angst!
- An ihrer Seite glänzen Jennifer Ehle (JUNGE MÄNNER) und Emory Cohen (BROOKLYN - EINE LIEBE ZWISCHEN ZWEI WELTEN)
- Der Film feierte eine vielbeachtete Premiere auf dem Sundance Film Festival
Bild- und Tonqualität
Das Bild der Blu-ray von Stunde der Angst ist zunächst einmal dunkel. Was nur logisch ist, wenn man bedenkt, dass eine gewisse Stimmung eingefangen werden soll. Junes Wohnung hat nur zwei Fenster und die hat sie meist mit Vorhängen zugehängt. In den hinteren Bereich des Apartments kommt deshalb kaum Licht. Die Farben werden durch die Bank warm wiedergegeben. Gedeckte Braun- und Senftöne dominieren das Geschehen. Nur selten wird mal ein Farbtupfer integriert. Die Bildruhe ist trotz des dunklen Szenarios sehr hoch und lässt nur ab und an eine geringfügige Körnung zu. Close-ups sind ansprechend scharf und gut aufgelöst. Digitale Artefakte sieht man nur ganz selten beispielsweise, wenn unter schwierigen Ausleuchtbedingungen schon mal leichtes Banding zu sehen ist.
Erstaunlich voluminös unterlegt die 5.1-DTS-HD-Master-Spur das Geschehen direkt zu Beginn. Ein unterschwelliger Tiefton sorgt für ein unangenehm bohrendes Gefühl in der Magengegend und Geräusche wie die flirrenden Geigenklänge oder die sägende Türklingel werden räumlich und dynamisch wiedergegeben. Immer wieder setzt dieser sonore Bass ein, wenn es im Apartment etwas dramatischer zugeht. Und immer wieder schreckt einen diese furchtbare Türklingel auf, während es ansonsten meist sehr ruhig zugeht.
- Oscar-Nominee Naomi Watts in einer beeindruckenden One-Woman-Show als Schriftstellerin in Angst!
- An ihrer Seite glänzen Jennifer Ehle (JUNGE MÄNNER) und Emory Cohen (BROOKLYN - EINE LIEBE ZWISCHEN ZWEI WELTEN)
- Der Film feierte eine vielbeachtete Premiere auf dem Sundance Film Festival
Bonusmaterial
Ein ganz kurzes, zweiminütiges Behind the Scenes wird von umso längeren Interviews mit den vier relevanten Darstellern flankiert, die insgesamt 30 Minuten andauern. Leider sind beide Featurettes nicht untertitelt. Eine Bildergalerie sowie die Trailer schließen sich an.
Fazit
Stunde der Angst wird nicht jedem gefallen. Dafür liefert er zu wenig vordergründigen Inhalt und hat auch mal seine zähen Momente. Als Reflexion auf eine unsichere Zeit und als Schaustück grandioser Schauspielkunst ist er aber für alle aufgeschlossenen Filmfreunde eine Empfehlung.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial:
Film: 75%
Anbieter: Koch Films
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Alistair Banks Griffin
Darsteller: Naomi Watts, Jennifer Ehle, Emory Cohen, Kelvin Harrison Jr., Jeremy Bobb
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 98
Codec: AVC
FSK: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Koch Films)
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Trailer zu Stunde der Angst
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.