Synchronic – Zeit ist eine Illusion

Blu-ray Review

Universal Pictures, 08.04.2021

OT: Synchronic

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Ein Hoch auf die Zirbeldrüse

Independent-SciFi mit Tiefgang.

Inhalt

„Ich hoffe, sie wacht auf. Ich glaube, sie hat morgen früh Schule“. Die Worte, mit denen die Rettungssanitäter Steve und Dennis von der jungen Frau empfangen werden, offenbaren deutlich, dass die Dame auf irgendeinem Trip hängt. Denn von Schule kann keine Rede sein. Das Mädchen, das nebenan auf dem Boden liegt, hat ganz offenbar eine Überdosis intus. Ihr Vater (oder wer auch immer) liegt mit einer riesigen Stichwunde in einem weiteren Raum. Am nächsten Tag werden sie zu einem Opfer gerufen, das komplett verbrannt ist. Am Ort des Geschehens drückt die Polizei ihnen ein Tütchen in die Hand, auf dem „Synchronic“ steht. Als diese Substanz auch bei einem nächsten Einsatz gefunden wird, scheint sich heraus zu kristallisieren, dass hier eine neue Designerdroge im Umlauf ist. Weitere Todesfälle begegnen den Sanitätern – einer merkwürdiger als der andere. Und immer scheint Synchronic im Spiel gewesen zu sein. Während all dieser Ereignisse muss sich Steve damit beschäftigen, dass er offenbar einen tennisballgroßen Tumor im Kopf hat. Und auch Dennis hat bald ganz eigene Probleme, denn seine (fast) erwachsene Tochter Brianna verschwindet – möglicherweise auch im Zusammenhang mit Synchronic. Steve beschließt deshalb, am eigenen Leib mit der Droge zu hantieren, um Hinweise zu bekommen, wo Brianne ist. Immerhin hat er nichts mehr zu verlieren. Doch das, was er dabei erlebt, wird nicht nur sein Leben verändern …

Justin Benson und Aaron Moorhead führen seit 2012 praktisch ausschließlich gemeinsam Regie. Ob das ihre Langfilme Resolution oder The Endless sind oder auch die gemeinsam inszenierte Marvel-Kurzserie Moon Knight, die 2022 über Disney+ kommen wird. Benson und Moorhead führen dabei nicht nur gemeinsam Regie, sondern zeichnen – sich ergänzend – auch fürs Drehbuch, den Schnitt, die Produktion und die Kameraarbeit verantwortlich. Wahre Tausendsassa also – oder aber Kontrollfreaks. Wer weiß. Mit Resolution begeisterten sie vor neun Jahren die Kritiker und versammelten Fans von Independent-Filmen mit verschachtelter und exzentrischer Erzählstruktur hinter sich. Das fantastische Element ist es, das das Duo dabei immer wieder ganz besonders fasziniert. Und auch die Drogen – bzw. deren Missbrauch. Zwei Jahre nach Resolution wagten sie sich mit Spring: Love is a Monster an eine Romantic-Fantasy-Geschichte, bevor sie 2017 etwas stärker ins SciFi-Genre wechselten und mit Endless laut dem US-Horror-Autor Brian Keene ein „echtes Horror-Meisterwerk“ realisierten, das wie ein Mix aus David Lynch, Stuart Gordon und Don Coscarelli wirke – ein Fiebertraum lovecraft’scher Art, das mehrfaches Sehen zwingend erfordere“ (Quelle). Und weil Keene nicht der einzige Fan des Films war, sondern eher in einen generellen Kanon von Kritiker-Lobeshymnen einstimmte, wurde das aktuelle Werk von Benson/Moorhead nicht nur von den Anhängern des Duos heiß erwartet. Uraufgeführt auf dem 2019er Toronto International Film Festival, kam er im Oktober 2020 für eine kurze Zeit in die US-Kinos und liegt nun auch dem deutschen Zuschauer im Heimkino vor. Zum Glück.

Und irgendwie spielt auch Synchronic im gleichen Universum wie die Vorgänger. So hatten Benson und Moorhead schon in Endless mit dem Thema Zeit gespielt, als ein Wesen Menschen in einer Zeitschleife gefangen hielt. Und auch Drogen spielen hier wieder eine besonders starke Rolle. Immerhin ist es die filmtitelgebende Substanz Synchronic, welche die Menschen erst in den Zustand versetzt, in dem der Film über weite Strecken spielt. Schon die Anfangs-Sequenz driftet dabei in alptraumhafte Gefilde ab, die von surrealer Anmutung sind und kaum ein besseres Intro für den Film hätten hergeben können. Während der Typ des gezeigten Paares durch irgendeine Art Portal vom Aufzug direkt in eine Wüste zu fallen scheint, zeigt sich der Frau eine Schamanin, während sich das Schlafzimmer in Luft aufgelöst hat. Klingt abgedreht? Das ist es auch. Man sollte hier wirklich keinen 08/15-Film erwarten, sondern etwas Sinnerweiterndes und abseits des Mainstream Befindliches. Und das nicht nur während der drogengeschwängerten Szenen. Auch die reale Welt wird von Moorheads Kameraführung irgendwie entrückt dargestellt. Die Kamera bewegt sich fluide, fast schwimmend durch die Szenerie, ist nie lange an einem Ort, neigt glücklicherweise nicht zur unangenehmen und Kopfschmerz verursachenden Wackel-Attitüde. Vielmehr schwebt sie förmlich durch den Raum und gleitet von Figur zu Figur, während die Story sich auf ihre seltsamen Pfade begibt. Der unheilschwangere Score, der in den besten Momenten an die eindringliche Schlusssequenz von Auslöschung erinnert. erzeugt derweil eine echte Gänsehaut. Und das stark stilisierte, etwas körnige und oft orangebetonte Bild unterstützt das noch. Audiovisuell ist das ganz großes Kino und dient der Story maximal.

Zwar nimmt sich Synchronic nach einer halben Stunde etwas zurück und hat schon mal ein paar zähere Momente, doch spätestens, wenn Steve seine Nachforschungen in Sachen Drogen und den Verbleib von Brianna anstellt, ziehen Atmosphäre und Spannung wieder deutllich an. Die Geschichte erlaubt sich (ohne zu viel zu verraten) zwar ein paar konstruiert wirkende Details, aber Steves „Kurztrips“ kombinieren geschickt Humor, Spannung und sogar ein paar poetische Momente. Von allen Filmen des Regieduos mag Synchronic der linearste sein, doch das heißt noch lange nicht, dass er einfach zu konsumieren ist und jedem gefallen wird. Dafür halten die 100 Minuten dann doch zu wenig Action oder konventionelle Dialoge bereit. Man muss sich einlassen, auf diese Geschichte, die ein wenig von Vergebung und Erlösung, aber vor allem auch von der Vergänglichkeit des Lebens erzählt, dabei aber gekonnt mit Zeitreiseklischees spielt. In Synchronic ist das, was in einer anderen Zeit spielt, keineswegs quietschbunt und witzig. Nein, hier geht’s bedrohlich zu. Lebensbedrohlich und düster. Und es zeigt, dass das Leben in der Gegenwart spielt. Die Zukunft ist ungewiss, die Vergangenheit unter Umständen saugefährlich. Justin Benson und Aaron Moorhead fügen, um dieses Credo zu unterstützen, noch ein ganz bestimmtes todbringendes Detail hinzu, das Steve eindeutig aufzeigt, dass er im Hier und Jetzt noch etwas bewegen kann. Sich darüber zu beschweren, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist, brächte ohnehin nichts. Anthony Mackie, der diesen Steve spielt, agiert herausragend gut. Er emanzipiert sich ebenso von der Rolle, mit der er einem größeren Publikum bekannt wurde, wie es auch Jamie Dornan an seiner Seite als Dennis tut. Weder sieht man in Mackie den marvell’schen Falcon, noch in Dornan den blass gespielten Part des Christian Grey in Fifty Shades of Grey. Und wenn dann das Schlussbild der beiden auf dem TV flimmert, mag es kitschig sein. Aber es brennt sich auch ins Bewusstsein ein und kann empfänglichen Menschen durchaus rühren. Nach 100 Minuten ist klar, dass man zuletzt kaum einen intensiveren und ungewöhnlicheren Film zu Gesicht bekommen hat.

Preis: 9,72 €
(Stand von: 2024/03/19 6:30 am - Details
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8 neu von 6,74 €7 gebraucht von 2,95 €
Studio:
Format: Blu-ray
Spieldauer:
Erscheinungstermin: Thu, 08 Apr 2021
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Bild- und Tonqualität

Synchronic ist bewusst stilisiert. Zwar digital gedreht, hat man ihm in der Postproduktion eine sichtbare Körnung verpasst und ihn abgedunkelt. Möglichst düster und schummerig soll’s aussehen, wenn Steven und Dennis zur Arbeit gehen. In dunklen Szenen während Innenraumaufnahmen bleibt im Schwarz nicht viel Zeichnung übrig. Das ist technisch bedauerlich, atmosphärisch aber bewusst eingesetzt worden. Immerhin bleiben digitale Artefakte in den schwierigen Helligkeitsverhältnissen allermeistens aus. Hier und da lassen sich leichte Probleme im Encoding feststellen, was aber in Summe nicht allzu ärgerlich auffällt. Farben werden größtenteils von der teils orangefarbenen, teils grau-bräunlichen Filterung übertüncht. Das ist – im positiven Sinne – ziemlich schmuddelig und für den Film vermutlich genau der richtige Weg. Die Schärfe ist meist gut, solange man sich auf Naheinstellungen konzentriert. Geht das Bild in die Halbtotale, lässt die Detailauflösung etwas nach. Die nachträglich eingefügte Körnung wird meist homogen wiedergegeben, auch wenn das Encoding, wie gesagt, noch etwas souveräner hätte ausfallen dürfen. Die DTS HD-Master-Spur beginnt wunderbar räumlich, wenn man den Regen auf den Rears leise fallen hört und auch das Rumoren in einem der Nachbarzimmer. Sieht man nach etwas über drei Minuten aus dem Aufzug in eine fremde Welt, unterstützt der Subwoofer das Geschehen vehement. Ein wirklich guter Einstand in einen Film, der maßgeblich auch durch seine Soundkulisse auflebt und den kongenialen Score sehr weich und räumlich auf die Speaker legt. Die Stimmen der deutschen Synchro sind allerdings etwas zu leise, dünner als im Originalton und nicht so gut eingebettet wie jene der englischen Fassung. Dafür ist die Atmosphäre grundsätzlich vereinnahmend und auch während der Zeitreisemomente sehr effektvoll. Gerade in den fantastischen Szenen gibt es immer wieder Anlass für sämtliche Speaker, ins Geschehen einzugreifen. Ein wenig dynamischer hätte es zwar sein dürfen, aber in Summe geht das durchaus in Ordnung.

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Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Synchronic hält eine kleine Einführung der Regisseure parat, in denen sie erklären, dass für Storyboards oder ähnliches keine Zeit (und kein Geld) da war. Also hat man eine Previsualisierung einfach selbst gedreht – quasi einen Probedreh. Erstaunlich, wenn man solche Dinge hört, wie effektiv ein Film werden kann, obwohl zu wenig Geld zur Verfügung stand. Die Entwicklung der Zeitreisesequenzen gibt dann einen kurzen Einblick in die Abläufe der visuellen Effekte, mit denen gearbeitet wurde. Zwar sieht man im fertigen Film, dass auch hier das Geld etwas fehlte, doch innovatives Design macht vieles wieder wett. Und in „Wer ritzte „Allways“ in den Stein?“ erfahren wir genau das: Wer hat die Botschaft hinterlassen – ein nicht ganz ernstzunehmendes Alternatives Ende.

Fazit

Synchronic ist so etwas wie ein Independent-Mix aus Inception und Bringing Out the Dead. Ein Film, der aufgrund seiner Metaebene durchaus noch zum Nachdenken anregt, wenn das Schlussbild in die Credits wechselt. Ein Film allerdings, der nicht jedem Geschmack entspricht und vornehmlich für ein aufgeschlossenes Publikum gedacht ist, das gerne mal abseits vom Mainstream vorbeischaut.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: %
Film: 75%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Justin Benson, Aaron Moorhead
Darsteller: Anthony Mackie, Jamie Dornan, Katie Aselton, Ramiz Monsef, Ally Ioannides
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 102
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures)
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Trailer zu Synchronic

Synchronic - Trailer HD deutsch / german - Trailer FSK 12


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Ralph

Liest sich sehr interessant – und da mir schon die früheren Filme des Regie-Duos gefallen haben, werde ich den Film gleich ordern. Danke für das interessante Review!