T2 Trainspotting

Blu-ray Review

T2 Trainspotting Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, 22.06.2017

OT: T2 Trainspotting

 


Choose Your Future

Kann man DEN europäischen Kultfilm der letzten 25 Jahre fortsetzen?

Inhalt

Es ist 20 Jahre her, dass Renton seine Kumpels übers Ohr gehauen hat und mit 12.000 Pfund nach Amsterdam abgehauen ist. Jetzt ist er gesundheitlich nicht mehr auf der Höhe, ist alleine und kurz davor, seinen Job zu verlieren. Also kehrt er heim. Zu seinem Vater, dessen Frau und Rentons Mutter vor Kurzem verstarb. Zu Spud, der gerade versucht, sich endgültig das Leben zu nehmen und zu Sick Boy, der sich mit Betrügereien über Wasser hält, weil sein Pub ungefähr zwei Kunden pro Tag hat. Keiner von ihnen ist sonderlich erfreut, den alten Kumpel wieder zu sehen. So beschließt Sick Boy, sich auf jede nur erdenkliche Weise zu rächen, in dem er Renton zunächst zum Geschäftspartner für seinen Stripclub macht, um es ihm dann so heim zu zahlen, dass es richtig schmerzt. Ein noch unbarmherzigerer Gegner aber ist Begbie. Der ist soeben aus dem Knast, respektive dem Krankenhaus ausgebrochen, in das er eingeliefert wurde, weil er sich absichtlich von einem Mithäftling hat abstechen lassen. Als Begbie hört, dass Renton in der Gegend ist, gehen die Pferde (wie immer) mit ihm durch und Renton muss um seine Leben fürchten …

Nein, Renton taucht dieses Mal nicht in die Tiefe eines widerlichen WCs hinunter und Spud kann auch seinen Schließmuskel im Zaum halten (zumindest den). Außerdem war es praktisch unmöglich, die atemlose Eröffnungssequenz des Originals zu wiederholen, die auch 20 Jahre nach Trainspotting noch zu den besten Eingangsszenen der Filmgeschichte gehört. T2 Trainspotting beginnt ungleich bitterer. Mit einem Renton, der versucht gegen sein körperliches Alter anzutrainieren, mit einem Begbie, dem man auch nach zwei Jahrzehnten Knast die vorzeitige Entlassung verweigert, mit einem Spud, der aufgrund der britischen Sommerzeit soeben Job, Familie und Zugang zum Sohn verloren hat und sich nur allzu gerne wieder seinem einzigen Freund, dem Heroin, zuwendet und mit einem Sick Boy, der andere erpresst, um Geld für sein anvisiertes Striplokal locker zu machen. Danny Boyle, der seine Fortsetzung auf Irvine Welshs „Porno“ basieren lässt, macht deutlich: Seine Helden sind auch nach 20 Jahren noch nicht erwachsen geworden. T2 Trainspotting zelebriert auf eine ziemlich verquere Art die Nostalgie zum Vorgänger und schafft dies zum einen mit zahlreichen Zitaten (auch musikalischer Natur) und zum anderen mit ein paar großartigen Szenen, die eher improvisiert als einstudiert wirken. Wenn Renton und Simon eine Versammlung von militanten Protestanten ausrauben und vor Ort einen Song zum Besten geben müssen, schustert sich Renton einen Text zusammen, der zum Brüllen komisch ist und die Anwesenden schnell zum Mitgröhlen veranlasst. Ebenso großartig gerät die Szene, in der die sie Simons Freundin Veronika die heile Welt der 70er beibringen – eben jenes Jahrzehnt, in dem sie aufgewachsen sind und das sie geprägt hat. Dazu liefert Boyle noch zahlreiche bissige Kommentare auf die Veränderungen der Welt während der letzten 20 Jahre. Beispielsweise, wenn Renton am Flughafen Edinburgh von netten Hostessen begrüßt wird, die aus Slowenien kommen und mit Schottland aber auch rein gar nichts gemein haben. Oder wenn er zeigt, wie sich Simon die Haare mit einer Zahnbürste blond färbt oder aber in der grenzgenialen Szene, in der Renton Veronika erklärt, wie er den 80er-Jahre-Anti-Drogen-Slogan „Choose Life“ gerne für seine eigenen Interpretationen ge- und missbraucht – eine Sequenz, die in zwei Minuten die Welt auf möglichst sarkastische bis zynische Weise erklärt und dabei mehrfach ins Schwarze trifft.

Was schon beim ersten Teil absolute Pflicht war, gilt für T2 Trainspotting ebenso: Man kann, darf und sollte ihn nicht in der synchronisierten Fassung schauen. Zum einen sind die Original-Dialekte derart großartig, dass sie eine Menge zur Atmosphäre des Films beitragen und zum anderen ist die Übersetzung um Welten harmloser, wenn es um die Flüche und Schimpfworte geht. Gerade, wenn Ewen Bremner so richtig los legt. Überhaupt ist es natürlich zum großen Teil das Cast, das in der alten Besetzung zurückgekommen ist, um die Entwicklung der Figuren zu zeigen. McGregor, der seinerzeit noch ein junger britischer Nachwuchsdarsteller war und seitdem steile Hollywoodkarriere gemacht hat, stellt sich in den Dienst der Geschichte und dominiert seine Kollegen zu keiner Zeit. Die Lacher hat allerdings erneut Bremner auf seiner Seite. Der charismatische Darsteller mit brutalem schottischen Dialekt ist ein derart physischer Schauspieler, dass selbst seine extrovertiertesten Bewegungen nicht deplatziert wirken. Schade, dass seine Figur in der Fortsetzung bis zum letzten Drittel des Films nur Mittel zum Zweck ist und kein sonderlich zentraler Bestandteil mehr. Zum Ende hin hat man dann das Gefühl, dass sich Boyle dafür entschuldigen möchte, wenn er ihn plötzlich zur Schlüsselfigur macht. Weil das aber eine wunderbar melancholische Note hinterlässt, darf die finale Szene auch mit einem Remix von Iggy Pops „Lust for Life“ enden, um den Kreis zum Vorgänger auf charmante Art zu schließen.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von T2 Trainspotting ist lange nicht mehr so blass und körnig wie jenes des Originals. Die grünen Wiesen rund um Edinburgh sind sogar äußerst saftig und der Kontrastumfang ist bisweilen extrem hoch (67’04). Die Close-ups wissen ebenso zu überzeugen und zeigen mitunter extrem viele Details. Allerdings ist der Eindruck nicht konsistent. Hin und wieder wird das Korn spontan heftiger (100’15/102’45) und Farben verwaschen in einer Gelb- oder Grünfilterung.
Beim Sound sind es vor allem die Songs, die für Räumlichkeit und Dynamik sorgen. Wenn nach gut 63 Minuten die halbe Disko „Radio Gaga“ mitsingt, sind die Effektlautsprecher absolut präsent. Die Dialoge werden ansonsten klar wiedergegeben, wobei sie im Deutschen ein wenig zu leise eingebettet sind. Gelegenheit für echte Surround-Effekte gibt es in T2 Trainspotting allerdings nur selten – beispielsweise, wenn ein Zug vorbeirauscht.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von T2 Trainspotting gibt’s zunächst einen Audiokommentar von Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor John Hodge. Des Weiteren wartet eine Unterhaltung mit Boyle und seinen Schauspielern in „20 Years in the Making“. Ewen Bremner ist hier zwar nur als Pappkamerad anwesend, aber die vier anderen führen ein sehr unterhaltsames Gespräch über den alten und den neuen Film sowie die Zeit, die dazwischen vergangen ist. Der Kurzfillm „Calton Athletic Documentary: Choosing Endorphins over Addiction“ lässt einige Ex-Junkies und Ex-Alkoholiker zu Wort kommen, die über das Programm der Calton Athletic Recovery Group wieder ins Leben zurückgefunden haben. 29! entfernte Szenen mit einer Gesamtlaufzeit von 30 Minuten runden das Angebot ab.

Fazit

Eins ist klar: Man kann Kult nicht wiederholen. Diese Erfahrung musste schon John Landis mit Blues Brothers 2000 machen. Aber im Gegensatz zu Landis versucht Danny Boyle es mit T2 Trainspotting auch erst gar nicht. Seine Fortsetzung ist vielmehr die konsequente, schonungslose und ziemlich ehrliche Fortführung des Vorgängers, die von Nostalgie umweht wird und auch den Zuschauer und Fan des Originals mitnimmt auf eine Reise in die eigene Vergangenheit. Man muss heute nicht zwingend genauso kaputt sein, wie die Typen in diesem Film, um nachvollziehen zu können, wie es in ihnen aussieht – und dennoch fühlt man sich auf eine gewisse Weise verbunden. Mehr kann man von T2 Trainspotting wohl kaum erwarten.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 50%
Film: 70%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: GB 2016
Regie: Danny Boyle
Darsteller: Ewan McGregor, Jonny Lee Miller, Ewen Bremner, Robert Carlyle
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 117
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu T2 Trainspotting

T2 TRAINSPOTTING - Trailer - Ab 16.2.2017 im Kino!

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