Blu-ray Review
OT: Tár
Da-da-da-daaaa
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Inhalt
Lydia Tár ist die erste Chefdirigentin eines großen Orchesters und arbeitet seit einiger Zeit in Berlin. Aufgrund ihres Talents spricht man mittlerweile in einem Atemzug mit den ganz großen des Fachs von ihr. Als Schülerin von Bernstein hat sie als eine der wenigen überhaupt sowohl Emmy als auch Grammy, Oscar und Tony Award gewonnen. Derzeit steht sie kurz vor der Aufführung der 5. Sinfonie von Mahler, die während der Aufführung auch aufgezeichnet werden soll. Um dies zu einem gelungenen Event zu machen, hat sich Lydia einige innovative Ideen einfallen lassen. Gleichzeitig steht die Veröffentlichung ihres Buchs Tár on Tár kurz bevor und sie leitet auch noch das Projekt des Accordion-Fellowship, das als Mentoring-Programm talentierte Dirigentinnen unterstützen soll. Alle, die dort bisher eingeschrieben waren, konnten von Tár erfolgreich untergebracht werden. Alles, bis auf eine: Krista Taylor. Von eben dieser Krista bekommen Lydia und ihre Assistentin Francesca immer mehr verzweifelte Emails. Dies nicht beachtend, ändern sich die Dinge dramatisch, als sich Krista das Leben nimmt. Die Situation wird potenziell bedrohlich für Lydia, denn sie hatte mit Krista einst ein Verhältnis. Auch ihre Partnerin Sharon verhält sich zunehmend ablehnend und Tár wird von gespenstischen Alpträumen heimgesucht. Nach und nach scheint sich der Boden unter ihren Füßen zu verabschieden …
Mit Oscar-Kandidaten ist das schon mal so eine Sache. Nicht selten wirken Beiträge, die in die Auswahl der Kategorie „Bester Film“ gelangen, ein wenig gezwungen und auf Filmpreise abzielend. Und es geschieht auch nicht allzu oft, das mal ein Gewinner bei der Academy UND dem Publikum gleichermaßen gut ankam – im Sinne eines finanziellen Erfolges. Blockbuster jedenfalls gelangen nur selten in den Genuss, den Goldjungen abzuräumen. Zuletzt dürfte das für Jacksons Abschluss der Ringe-Trilogie gelten – und das ist bald 20 Jahre her. Wer aber erinnert sich selbst anderthalb Jahre nach dessen Gewinn noch an den Sieger von 2022, Coda? Oder an Oscarkandidaten wie Der seidene Faden, Fences oder Lion? Es steht zu befürchten, dass ähnliches auch mit Tár passieren wird. Der von Todd Field (Little Children) inszenierte und mit Cate Blanchett glänzend besetzte Film galt als Mitfavorit für die Oscar-Verleihung 2023. Dass am Ende der Multiversum-Fantasy-Spaß Everything, Everywhere All at Once abräumte, hatte niemand in der Form auf dem Schirm. Immerhin ist Letzterer aber (so diskussionswürdig die Entscheidung der Academy sein mag) immerhin erinnerungswürdig. Tár hingegen ist ein so sprödes und sperriges Drama, dass sein Publikum schon im Kino nicht allzu groß gewesen ist. 29 Mio. Dollar weltweites Einspielergebnis sind bei einem Budget von 25 Mio. Dollar eine Enttäuschung und faktisch auch ein Flop. Bezeichnend zudem, dass der Film international viermal so viel einspielt hat wie in den USA selbst – offenbar ist das Thema klassische Musik in Verbindung mit einer Geschichte über eine Frau, die einen Job innerhalb eines von Männern dominierten Bereichs ausübt, eher ein europäisches. Und ein Deutsches, wie sich zeigte. Denn außerhalb der USA hat Tár hierzulande am meisten eingespielt.
Das liegt sicher auch ein bisschen daran, dass wir eine Tradition an großen Orchestern und Dirigenten haben und Tár praktisch ausschließlich in Deutschland spielt und gedreht wurde. Ab August 2021 fanden die Dreharbeiten zu einem großen Teil in Berlin, Potsdam, aber auch Dresden statt. Dort nahm man im Kulturpalast mit der Dresdner Philharmonie auf, das unter Leitung von Stanislav Kochanovsky Mahlers 5. Sinfonie einspielte. Da mit Nina Hoss zudem eine deutsche Schauspielerin involviert war, nahm das hiesige Arthaus-Publikum offenbar besonders Notiz von der Geschichte. Rechtfertigen lässt sich das allerdings vor allem und fast ausschließlich mit dem Schauspiel von Cate Blanchett. Ihre konzentriertes und auf den Punkt abgeliefertes Porträt einer Dirigentin, die sich erfolgreich in einer absoluten Männerdomäne hochgearbeitet hat, dann aber an ihrem Perfektionismus und ihrem asozialen Verhalten scheitert, fesselt immer wieder. Und das, wo man nur äußerst bedingt Identifkationsansätze mit der von ihr gespielten Lydia Tár hat. Wie soll man das auch, wenn man (abseits ihres Könnens am Dirigentenstab) nur wenig Sympathisches an ihr finden kann. Anderen gegenüber ist sie entweder abweisend, überheblich oder machtausnutzend. Gerade in der Offenlegung der offensichtlich nicht entwickelten zwischenmenschlichen Beziehungsfähigkeit Társ brilliert Blanchett, lässt mit ihrer Performance aber dennoch keine Möglichkeit der Identifikation zu. Nina Hoss hätte man eine größere Rolle gewünscht, zumal sie neben der großen US-Schauspielerin keinesfalls untergeht. Ganz im Gegenteil. Hoss sorgt für die nahbaren und emotional greifbaren Momente des Films.
Was man dem Film und seiner Inszenierung zugutehalten muss, ist seine Metapher auf einen elitären Kulturbetrieb, der sich in seiner Männerdominanz suhlt und dabei selbst nicht vor drastischen Verfehlungen gefeit ist. So kann man die das toxische Verhalten Társ durchaus als mehr oder weniger offenen Kommentar auf den Fall des Star-Dirigenten James Levine sehen – sowie grundsätzlich auf den Missbrauch, der durch Menschen in machtvollen Positionen verübt wird.
Visuell hilft Field die Arbeit von Kameramann Forian Hoffmeister, der die Innenräume unglaublich atmosphärisch einfängt und ein hervorragendes Auge für die Protagonisten hat. Interessant auch die Lichtgestaltung, die während der Innenraumszenen innerhalb der Konzertsäle oder auch während des langen Eingangsinterviews von sehr warmen und angenehmen Farben geprägt ist, während die Szenen in Társ Wohnung(en) mit sehr kühler Lichtstimmung auch das Innenleben der Hauptakteurin widerspiegeln. Ob es die zunehmend surrealen Momente gebraucht hätte sei dahingestellt. Und es ist durchaus verständlich, wenn viele Zuschauer mit Tár aufgrund der teils arg ausgedehnten Szenen und der spröden Hauptfigur nicht viel anfangen können. Regisseur Field fühlt sich ab und an in seiner etwas gewollt wirkenden Inszenierung aber scheinbar wohl. Schon die ersten fünf Minuten muss man erst einmal durchstehen, wenn sich der Film die Zeit nimmt, die Endcredits an den Beginn zu stellen – unterlegt von Gesangstönen.
Bild- und Tonqualität
Tár wurde komplett digital gefilmt. Neben der kleinere ARRI Alexa Mini LF, die mit 3.4K aufzeichnet kam auch die große ARRI Alexa 65 zum Einsatz, deren Auflösung bei 6.5K liegt. Von diesem gemischten Material wurde ein 4K-DI gezogen, was auch für die Blu-ray eine gute Basis bilden sollte. Allerdings hat die 50-GB-Disk mit 158 Minuten Filmmaterial und zwei verlustfrei komprimierten Dolby-Atmos-Tonspuren eine Menge Material unterzubringen. Vordergründig sieht das aber gar nicht schlecht aus. Eigentlich sogar ziemlich gut. Die Bildruhe ist exemplarisch hoch, die Klarheit der Bilder ist mitunter famos. Dazu kommt ein für eine Blu-ray wirklich fantastischer Kontrastumfang. Wenn man Lydias schwarze Anzugjacke auf weißem Hemde sieht, könnte Schwarz-Weiß-Kontrast kaum dynamischer sein. Farben werden meist sehr neutral wiedergegeben, haben bei Innenraumaufnahmen in holzvertäfelten Räumen allerdings eine angenehm warme Betonung, die im diametralen Gegensatz zur kalten Farbgestaltung in Lydias Klavierzimmer steht. Die Schärfe, bzw. der Detailgrad ist mitunter wirklich hoch. Die auf dem Boden liegenden Schallplatten oder so manches Close-up zeigen sich messerscharf abgebildet. Blanchetts Antlitz ist so gut aufgelöst, dass man ihr Make-up deutlich als solches ausmachen kann. Das Encoding ist sicher der größte Schwachpunkt, wenn man von einem sprechen möchte. Denn aufgrund der hohen Datenmenge und der damit verbundenen, teils niedrigeren Datenrate zeigt sich das digitale Rauschen auf uniformen Hintergründen wie der Holzwand bei 11’50 nicht ganz einwandfrei. Hier und da ist die dort zu sehende Unruhe etwas ungleichmäßig pulsierend und die Rauschmuster formieren sich zu leichten Clustern.
Universal liefert Tàr mit Dolby-Atmos-Tonspuren für beide Sprachfassungen aus, was absolut lobenswert ist – selbst wenn die Atmos-Fassung ein wenig anders ist als sonst. Doch dazu später mehr. Es beginnt zunächst mit fein detailliertem Gesang während der Credits zu Beginn. Der Wechsel auf eine reine und ziemlich lange Dialogszene in einem großen Hörsaal lässt die Atmosphäre sehr authentisch erlebbar machen. Die Größe und Höhe des Raumes wird akustisch gut widergespiegelt und die Dialoge stehen konzentriert im Raum. Allerdings haben sie hörbar weniger Volumen als jene des O-Tons, die kräftiger und deutlicher klingen. Gut eine Stunde lang kocht der Ton allerdings auf Sparflamme, konzentriert sich auf die Sprachwiedergabe oder auf kurze Momente mit Naturgeräuschen. Und dann, wie aus dem Nichts donnert nach einer Schwarzblende eine Orchesterprobe los, als säße man im Graben direkt vor der Bühne. Ja, Dynamik kann der Ton. So viel ist klar. Das Aufbranden sämtlicher Instrumente wird dermaßen wuchtig ins Heimkino transportiert, dass einem schon fast ein bisschen Angst und Bange wird. Umso ärgerlicher sind Momente, in denen deutsche Schauspieler, die im Original englisch sprechen, für die Synchro sich offensichtlich selbst eingesprochen haben. Und das klingt immer extrem ungelenk (Techniker bei Minute 62’00). Sensationell hingegen die Ortbarkeit des Metronoms nach etwas über 73 Minuten, das man über die Lautsprecher verfolgen kann. Nimmt man die Höhen-Ebene hinzu, ist erst einmal Enttäuschung angesagt. Denn es passiert praktisch nichts. Es ist still von oben. Nicht mal beim Orchestereinsatz gibt’s raumfüllende Sounds aus den Heights. Und wenn man denkt, es kommt so rein gar nichts mehr, füllen nach 111 Minuten plötzlich flüsternde Stimmen die Deckenlautsprecher. Ein überraschender Effekt, mit dem man gar nicht mehr gerechnet hätte. Vier Minuten später gibt’s dann noch mal Gesang von oben, den man eigentlich auch direkt zu Beginn schon dort hätte ablegen können. Und gleich darauf tröpfelt es Wasser in dem maroden Gebäude. Ein paar Minuten später donnert dann auch noch mal eine S-Bahn über die Köpfe der Zuschauer. In Summe ist das nicht viel und es dauert ewig. Aber vorher gab’s auch keinen echten Anlass (sieht man von den Musikmomenten ab, die nicht auf die Heights gelegt werden). Das, was nachher aber kommt, klingt gut und ist sinnvoll umgesetzt.
Bonusmaterial
Bonusmaterial ist leider Fehlanzeige. Die Blu-ray von Tár bietet keinerlei Extras.
Fazit
Tár ist absolut nicht jedermanns Sache. Die Inszenierung ist mitunter langatmig und eine echte Identifikationsfigur liefert Todd Fields Film ebenfalls nicht. Als Porträt über eine Frau, die durch ihr Verhalten nach und nach von einer machtvollen Position in die Niederungen ihres Berufs hinabsteigen muss, ist der Film vor allem durch Blancetts überzeugende Darbietung interessant. Dabei hilft der Blu-ray ein sehr kontrastreiches und scharfes Bild. Der Ton ist sehr dynamisch, allerdings nutzt er dies themenbedingt nur sehr selten. Die Höhenspeaker haben fast über die gesamte Laufzeit nichts zu tun.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 85%
Tonqualität BD 2D-Soundebene (dt. Fassung): 80%
Tonqualität BD 3D-Soundebene Quantität (dt. Fassung): 20%
Tonqualität BD 3D-Soundebene Qualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität BD 2D-Soundebene (Originalversion): 80%
Tonqualität BD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 20%
Tonqualität BD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 0%
Film: 60%
Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2023
Regie: Todd Field
Darsteller: Cate Blanchett, Nina Hoss, Mark Strong, Noémie Merlant
Tonformate: Dolby Atmos: de, en
Untertitel: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 158
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures)
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