Blu-ray Review
OT: Tax Collector
Familie geht über alles
Nach Bright und Suicide Squad kehrt David Ayer dem fantastischen Film den Rücken und besinnt sich auf seine Wurzeln. Eigentlich ein begrüßenswerter Schritt, oder …?
Inhalt
David hat das große Los gezogen. Eine wunderschöne Ehefrau, ein paar glückliche Kinder, ein großes Haus und eine liebevolle Familie. Um diesen Status zu erreichen und zu halten, spielt er in einer der größten Gangster-Familien von Los Angeles mit. Er ist ein „Steuereintreiber“. Bei jedem Geschäft, bei jedem Drogendeal, für jeden Mädchenhandel hält er die Hand auf und kassiert. Alle anderen Gangs drücken einen festgelegten Anteil an ihn ab. Und wenn mal einer nicht spurt, ruft er Creeper. Der stets gut angezogene, eigentlich ziemlich magere Kerl gilt als „der Teufel in Person“. Er muss ran, wenn Zahlungsunwillige „überredet“ werden müssen. Da kann man schon mal Säure oder auch das Abtrennen von Gliedern im Spiel sein. Allerdings ist David selbst ist nur ein Handlanger. Die Gelder, die er eintreibt, sammelt er für einen Kerl namens Wizard. Wizard sitzt im Knast und ist eine Legende. Und Wizard ist gar nicht glücklich, wenn bei der Kollekte durch David mal ein paar Dollar fehlen. Also bekommt auch David Druck, muss sich hier und da um seine Frau und die Familie sorgen, wenn mal etwas nicht glatt läuft. Und glatt läuft gerade gar nichts. Denn ausgerechnet, wo Wizard etwas „Großes“ mit der Kohle vorhat, schuldet ihm eine Gang 20.000 $ und dann taucht auch noch ein verschollen geglaubter Widersacher von Wizard auf, der plötzlich selbst Gelder von ehemaligen Kunden Davids eintreibt. Dieser Conejo scheint wirklich Eier in der Hose zu haben, dass er Wizard die Stirn bieten will. Nun ist es an David, sich im Business zu behaupten …
„Hey, Shia! In deinem neuen Film spielst du einen ziemlich tätowierten Gangster.“
„Okay, gebt mir ein paar Wochen Zeit. Ich lass mir eben den Oberkörper zuballern!“
Ob es diesen Dialog gab, entzieht sich meiner Kenntnis. Dass LaBeouf sich tatsächlich extra für den Film großflächig Tinte unter die Haut jagen ließ, ist allerdings Tatsache und kein Gerücht. Ein Instagram-Post zeigt ihn beim Nadelkünstler und das finale Kunstwerk sieht auch anders aus als ein paar Edding-Malereien auf der Haut.
Warum er sich allerdings für diesen Film überhaupt hergab, dürfte ein Rätsel bleiben.
Denn David Ayer hat mit Tax Collector ein dermaßen vor Stereotypen triefendes Gangsterfilmchen realisiert, dass es kracht. Ohne die Keule wirklich schwingen zu wollen, aber Ayer darf sich nicht wirklich beschweren, wenn man ihm eine latent rassistische Figurenzeichnung unterstellt. Aber selbst wenn man das nicht tut und es einfach als Gedankenlosigkeit darstellt, bleiben noch Dialoge zum Weghören, eine Figurentiefe, die in etwa so weit reicht wie der Flusspegel des Rheins nach zwei Monaten Trockenzeit und ein Spannungsbogen, der in der ersten Hälfte darauf beruht, dass grimmig dreinblickende Kerle anderen grimmig dreinblickenden Kerlen in die Augen schauen. Ein paar Machosprüche von testosterongesteuerten Ladies durchbrechen die testosterongesteuerten Manieren der Herren – sorgen also auch nicht für Abwechslung. Und ziemlich bald geht einem diese aufgesetzte Gossen-Gangsprache tierisch auf den Zwirn.
Dass Hauptdarsteller Bobby Soto als David zudem blass und steif bleibt; er das Charisma einer Salzsäule ausstrahlt, passt ins Bild. Selbst ein gelangweilt und dieses Mal nur bedingt überzeugend agierender Shia LaBeouf spielt ihn mit ein bis zwei Schulterzucken und Zurechtzupfungen seines Jackets noch glatt an die Wand. Dennoch wirkt seine Performance in Tax Collector wie eine müde Variante im Vergleich zu seiner Leistung in (bspw.) Peanut Butter Falcon.
Bezeichnend, dass die erste Dreiviertelstunde wirkt, als wolle ein schlechtes Schülertheater einen auf Der Pate machen. Das ist wirklich so zäh und ungelenk inszeniert, dass man sich fragt, wie Ayer jemals kleine Highlights wie End of Watch realisieren konnte oder das Drehbuch für Training Day verfasste. Denn auch für diesen, hier beschriebenen 2019er Genre-Abklatsch voller Plattitüden hat er das Skript geschrieben. Vom Drehbuch eines Training Day ist hier aber nicht mehr als die gute Absicht übrig.
Wenn der Ton dann nach einer Stunde urplötzlich ins Ultrabrutale kippt und man dann auch noch versucht, erstmals so etwas wie eine emotionale Szene zu integrieren, merkt man erst Recht, wie umfassend der Film an seinen eigenen Ansprüchen scheitert. Hier will einfach nichts zusammenpassen. Und wo der anfangs eingestreute Konflikt zwischen Wizard und David innerhalb des Films geblieben ist, weiß vermutlich nur Ayer selbst. Dafür inszeniert er nach 77 Minuten lieber blutige Shootouts in Superzeitlupe, um sich einen möglichst coolen Anstrich zu verpassen. Das mag Videospielfans und Freunde von grafischer Gewalt erfreuen, filmisch gesehen ist das nur ein weiteres Puzzleteil, das nicht zum Rest passen mag (zumal es bei dieser einen Szene bleibt). Für Genre-Allesseher mag das gerade noch akzeptabel sein. Wer allerdings den Vergleich zu Training Day zieht, wird konstatieren, dass Tax Collector nicht in der gleichen Liga spielt – vielleicht nicht mal den gleichen Sport betreibt.
Shia LaBeouf hat sich für einen knapp zweiminütigen blankbrüstigen Auftritt den Oberkörper vollflächig inken lassen. Ob sich das für diesen Film gelohnt hat, ist fraglich. Immerhin hat er sich die Blumenkohlohren nicht zuvor „antrainiert“ – hier vertraute er dann doch auf Attrappen.
Bild- und Tonqualität
Das Bild von Tax Collector liegt im Format 1,85:1 vor und basiert auf einem digitalen Dreh. Die Bildruhe ist deshalb durchweg hoch und es wartet kein bewusst auf Korn getrimmtes Bild auf den Zuschauer. Das könnte man durchaus annehmen, wenn man bedenkt, welches Szenario der Film nutzt und wie ein Training Day damals aussah. Trotz allem wurde hier auch sichtbar gefiltert, was hin und wieder zu etwas wachsigen Gesichtern führt. Dennoch ist die zugrundeliegende Auflösung sehr gut, was man in Close-ups sehr gut sehen kann (55’26). Farben sind grundsätzlich warm gehalten, der Schwarzwert ist knackig. Allerdings könnte in dunklen Szenen die Durchzeichnung etwas besser sein. Außerdem sieht man bisweilen leichte Nachschärfungen, was oft einhergeht, wenn eine gewisse Filterung eingesetzt wurde.
Der Ton von Tax Collector liegt fürs Deutsche in regulärem DTS vor. Der auf 0.7 Mbps reduzierte Datenstrom klingt aber (analog zu vielen 20th-Century-Fox-Titeln) gut und reicht im Bass schön weit runter. Sowohl der Score als auch die Beats bei 49’40 lassen das Heimkino ordentlich erzittern. Die deutschen Dialoge sind durchweg gut verständlich, wobei die englische Fassung in unkomprimiertem DTS HD-Master offener und räumlicher klingt. Trotz der besseren und hörbar dynamischeren Originalton-Spur funktionieren Schüsse wie jene in der größten Actionszene nach 57 Minuten sehr gut. Querschläger durchkreuzen das Heimkino und das Knattern der MPs kommt mit guter Feinauflösung. Allzu viele extrem dynamische Attacken weist der Film aber nicht auf, sodass man hier oft auch nichts vermisst. Dennoch: Wer den O-Ton grundsätzlich favorisiert, bekommt mehr Volumen und Dynamik.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Tax Collector enthält insgesamt vier erweiterte/entfernte Szenen. Zum einen gibt’s den ungekürzten Anfang, der mehr von Alexis‘ Traum erzählt, zum anderen sieht man noch ein Gespräch zwischen David und seinem Ringen-Trainer. Außerdem darf man sich an der ungekürzten Kleid-Szene beim Brautladen erfreuen und bekommt noch mehr von der anfänglichen Steuer-Eintreiben-Sequenz zu sehen.
Fazit
The Tax Collector ist knapp eine Stunde lang ziemlich zäh und langweilig, dazu voll von Klischees und durchwachsen agierenden Schauspielern. Im letzten Drittel driftet er dann unvermittelt ins Ultrabrutale ab, was für sich genommen okay wäre, würde es zu den vorherigen zwei Dritteln passen. So richtig will sich hier aber nichts zusammen fügen und außer Shia LaBeouf bleibt hier fast nichts von erwähnenswerter Qualität übrig. Schade drum.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 30%
Film: 40%
Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2019
Regie: David Ayer
Darsteller: Shia LaBeouf, Bobby Soto, Cinthya Carmona, Jose Conejo Martin
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 95
Codec: AVC
FSK: SPIO JK KsJ
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures)
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Trailer zu The Tax Collector
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Also wenn ich mir den Trailer anschaue erwartet man einen guten Actionfilm. Liest man jedoch deine Kritik muss das ein anderer Film gewesen sein. Schade werde ihn mal billig Streamen und mir dann selbst ein Urteil bilden.
P.S. Wann kommen eigentlich die anderen Filme aus der Columbia Box mit deiner Kritik?
Hallo Kisi.
Nach und nach kommen immer mal wieder ältere Titel mit rein. Zuletzt ja Full Metal Jacket und Universal Soldier. Es ist einfach mit einem wahnsinnigen Zeitaufwand verbunden, wenn gleichzeitig auch noch aktuelle Titel betreut werden wollen. Und derzeit liegen rund 30 noch nicht rezensierte UHD-Blu-rays „auf Halde“. 🙁