Blu-ray Review
OT: Thanksgiving
Zombies vor’m Kaufhaus
Eli Roth nimmt sich des Amerikaners Lieblingsfest vor.
Inhalt
„Du musst schon am Thanksgiving-Abend deinen Laden öffnen, sagte sie“. „Du musst die Chance nutzen, den Black Friday schon tags zuvor einzuläuten, sagte sie“ – Thomas‘ Wright neue Freundin Kathleen ist nicht nur bildhübsch, sondern auch hochgradig geldgeil und manipulativ. Dass Thomas seinen Wright Mart für die nächtliche Eröffnung zur Schnäppchenjagd lediglich mit zwei Sicherheitsbeamten koordinieren und ansonsten seine Angestellten mit der Menschenmasse alleine lässt, führt zu einer Katastrophe, anderen tumultartigem Ende unter anderem die Frau des Marktleiters den blutigen Tod in einer Massenpanik findet. Ein Jahr später hat Thomas sich mit zahlreichen „guten Tagen“ und Stiftungen wieder die Zuneigung des gemeinen Volkes und vor allem der hohen Tiere der Stadt erkauft und hat erneut vor, seinen Konsumtempel an Thanksgiving mit Schnäppchenangeboten zu öffnen. Die paar Demonstranten, die vor dem Geschäft skandieren, wird man schon noch los. Was man allerdings bald nicht mehr los bekommt, ist der mysteriöse Fremde, der sich per soziale Medien bei Thomas‘ Tochter Jessica und deren Freunden meldet. Offenbar ist der Unbekannte nicht allzu erfreut über die Ereignisse von vor einem Jahr und sinnt auf Rache. Jessica und ihren Freunden scheint dabei eine besondere Bedeutung zuzukommen, die sich bald in blutigen Konsequenzen auswirkt …
Filme von Eli Roth haben es in Deutschland nicht leicht. Seine Hostel-Reihe weist eine lange Historie an Indizierungen und Beschlagnahmungen auf und auch weitere Werke des passionierten Horrorfilm-Regisseurs wurden aufgrund des Gewaltlevels immer wieder kontrovers diskutiert. Sein Thanksgiving-Slasher mit dem logischen Titel Thanksgiving lief im Kino noch ungeschnitten und sollte bereits im Februar erscheinen. Dann aber verweigerte die FSK die Freigabe in erster Instanz und Sony Pictures ließ durch den deutschen Vertrieb Plaion verkünden, dass man den Titel auf unbestimmte Zeit verschieben muss. Tatsächlich hat man die Möglichkeit, ein zweites Mal Geld in die Hand zu nehmen und in Berufung zu gehen, um nach erneuter Vorlage (vor einem möglicherweise anders zusammengesetzten Gremium) eventuell erfolgreich zu sein. Genau das geschah, sodass Fans von ungeschnittenen Horrorfilmen nun mit zwei Monaten Verspätung in den Genuss des Streifens kommen. Thanksgiving geht inhaltlich auf einen der fünf „Fake“-Trailer zurück, die im Zuge des Grindhouse-Double-Features Planet Terror/Death Proof von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino gezeigt wurden und mit der Veröffentlichung von Roths Thanksgiving existieren (nach Machete und Hobo With a Shotgun) nunmehr drei Langfilme, die auf den Trailern der Grindhouse-Kollaboration basieren. Geplant war das Ganze schon um die 2010er-Jahre herum, doch immer wieder gab’s Drehbuchänderungen und andere Projekte, die Roth betreute.
Gut 17 Jahre nachdem die Fake-Trailer im Kino gelaufen waren, ist es jetzt aber so weit. Und Eli Roth hat aus dem gut zweieinhalbminütigen Trailer einen erstaunlicch geradlinigen 100-Minüter gemacht, der erstaunlich viele Elemente aus der damaligen Vorschau enthält. Natürlich muss man sich aber drumherum etwas einfallen lassen, damit man den Zuschauer bei der Stange hält. Während die grundsätzliche Struktur mit der Teenagergruppe als klassisches Horrorfilmmotiv dient, reicherte Roth seine Story mit einer üppigen Portion Konsum- und Social-Media-Kritik sowie mit zahlreichen Homagen an. Die große Black-Friday-Panik-Tumult-Chaos-Eröffnungsszene hat er beispielsweise sehr bewusst an einen Horrorklassiker von George A. Romero angelehnt. Wenn die Meute auf die verschlossenen Kaufhaustüren zurennt und dort pochend und skandierend die Scheiben malträtiert, werden Erinnerungen an Zombie – Dawn of the Dead wach. Auch wenn der Vergleich zwischen Schnäppchenkonsumenten und Zombies arg holzhammerartig daherkommt, kann man anhand von ähnlichen Bildern, die es auch in Deutschland zu entsprechenden Spezialangeboten schon gab (vgl. die PCs einer deutschen Discounter-Kette), nicht von der Hand weisen, dass Thanksgiving hier den Finger tief in die Wunde der Konsumhölle legt. Natürlich übertreibt Roth hier genüsslich, um eine Art Final-Destination-Introszene zu inszenieren und das Ganze mit blutigem Humor ganz nach seinem Gusto zu würzen. Das gilt für die Teilskalpierung in dieser Szene genauso, wie für den Smartphone-erkennt-Gesicht-nicht-Moment nach 24’40.
Inhaltlich und strukturell erinnert vieles außerdem an die Scream-Filme. Vor allem die Jagd nach dem Mörder, bzw. die Suche nach dessen Identität weckt Erinnerungen an die Slasher-Reihe von Wes Craven. Roth gibt dem Zuschauer ein paar mögliche Figuren (neuer Hilfsheriff, undurchsichtiger Schulstreber, ein zwielichter Heimkommer mit Waffenkomplex, der reuige Ex-Freund und Ghoster oder einfach JEDER in der Stadt) an die Hand, während das grundlegende Motiv an sich von Beginn an feststeht – und leider auch der Täter inklusive dessen Motivation. Hier gibt der Film einfach zu viel preis, als dass es am Ende überraschend wäre. Die Teenagergruppe, auf die sich Thanksgiving fokussiert, rätselt natürlich konsequent in die falsche Richtung, während sich der Killer einen nach dem anderen vornimmt. So weit, so genrestereotypisch. Roth schafft es allerdings, ein wenig Abwechslung in die Sache zu bringen, indem er es mit oben beschriebenem Humor würzt und die Tötungsszenen nach und nach übertriebener darstellt. In jedem Kill steckt eine Menge (sarkastischer) Humor und tatsächlich auch immer wieder ein Bezug zum wichtigsten US-Familienfeiertag im Jahr. Für Gorefans gibt’s hier in jedem Fall erstaunlich viel zu sehen und es verwundert nicht, dass die FSK die Freigabe zunächst verweigerte. Viel mehr hat man in den letzten SAW-Teilen auch nicht zu Gesicht bekommen. Davon ab gelingen Roth durchaus spannende Szenen. Wenn der Killer Jagd auf Jessica macht und die sich vor ihm versteckt, merkt man, dass der Regisseur auch anders kann, als ständig mit Gedärmen um sich zu schmeißen. Auch die Kathleen-Sequenz nach rund 75 Minuten ist wirklich packend inszeniert. Dass echte Überraschungen komplett ausbleiben und der Film am Ende auch ziemlich austauschbar die üblichen Motive abspult – inkl. Möglichkeit zur (offenbar beschlossenen) Fortsetzung, kann man mit einem Gähnen quittieren. Dennoch funktioniert Thanksgiving über weite Strecken sehr gut, ist passend (sowie mit McDreamy sogar prominent besetzt) und trägt sich im Genre als lohnenswerter Vertreter ein.
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Bild- und Tonqualität
Thanksgiving ist natürlich digital gefilmt. Zum Einsatz kam eine und das Material wurde über ein 4K-DI gemastert. Basierend auf diesem schafft es nun die Blu-ray hierzulande auf Disk. Und sie sieht richtig gut aus. Mit einer homogen über den Bildschirm verteilten Schärfe, ohne Probleme in den Randbereichen punktet die Scheibe neben einer sehr dynamischen Kontrastgebung. Egal, ob’s die satten Schwarzwerte sind oder die kräftigen Farben – die Full-HD-Scheibe bleibt stets souverän. Interessant, dass Roth sich nicht dafür entschieden hat, dem Treiben einen schmutzigeren, gröberen Grindhouse-Look zu verpassen, wo die Story doch auf dem Fake-Trailer für Rodriguez’/Tarantinos Grindhouse Double-Feature beruht. Es gibt zwar etwas digitales Rauschen, doch das hält sich vornehm im Hintergrund und fällt nie störend auf, was am wirklich hervorragenden Encoding liegt. Hier und da kommt es zwar aus dem Tritt (zitterndes Auge bei 13’25), meist jedoch löst es das feine digitale Rauschen sensationell gut auf. Wer sich mal den nächtlichen Himmel bei 22’54 in der Einzelbildfortschaltung anschaut, wird merken, dass ein derart gutes Encoding sonst nur von 4K-Disks erreicht wird. Im Gegensatz zu anderen Anbietern, bei denen in dunklen Szenen gerne mal die Datenrate massiv in den Keller rauscht (räusper: Studiocanal), bleibt’s hier bei satten 35-40 Mbps. Kommen wir noch mal zurück zur Schärfe/Auflösung. Egal, ob’s Close-ups sind, die selbst bei den jungen Darstellern sämtliche Unebenheiten offenbaren oder das aufgenähte Abzeichen des Sheriffs – Details werden durch die Bank krisp und plastisch abgebildet.
Thanksgiving nutzt für beide Sprachfassungen eine DTS-HD-Master-Tonspur. Und da es sich um einen Sony-Titel, nicht um Disney oder Leonine handelt, bekommen wir hier auch keinen dynamikkomprimierten Einheitsbrei. Bereits die Musik zu Beginn des Films kommt laut und kraftvoll zum Ohr. Eine Wohltat gegenüber den zahlreichen Outputs der letzten Monate, die irgendwo im Durchschnittssound stecken bleiben. Auch die Räumlichkeit ist klasse. Das Chaos vor dem Right Mart mit all dem Gehupe und dem Gebrülle sorgt für eine umhüllende Atmosphäre. Fast wähnt man sich mittendrin, im Black-Friday-Gewimmel. Erst recht heftig wird es, wenn es im Laden zu tumultartigen Zuständen kommt. Schläge, Tritte und andere Sounds werden druckvoll zum Zuschauer transportiert. Der Bass im Truck bei Minute 5’35 pumpt zudem ordentlich ins Heimkino. Jeder Jumpscare-Angriff des Killers sorgt für einen ruppigen Dynamiksprung und für Freude beim Zuschauer. Der Schuss aus der alten Muskete, den Scuba irgendwann abfeuert, gelangt ebenso satt zum Ohr. Wenn die Kreissäge nach 64 Minuten ihr Werk verrichtet, spritzt und splattert es über alle Speaker, auf dass man sich selbst unter einer Blutdusche wähnt. Und die Punches bei 69’48 und 70“08 sitzen ebenfalls satt. Bei all dem bleiben die Dialoge dauerhaft hervorragend verständlich und gehen nie unter.
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Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Thanksgiving hält zwei Featurettes bereit, die mit rund dreieinhalb Minuten allerdings nicht sonderlich lang ausgefallen sind. In „Hinter den Schreien“ geht es ein wenig um die Hintergründe, warum man unbedingt einen Thanksgiving-Film machen wollte. Außerdem schaut man schon ein wenig hinter die Kulissen. „Massenhaftes Blutvergießen“ kümmert sich um die unterschiedlichen Tötungsvarianten, die der Film liefert. Roth wollte es so „pervers“ wie möglich und Make-up-Designer Adrien Morot hat es so eklig und realistisch wie möglich umgesetzt. Die Darsteller dürfen außerdem ihren „Lieblings-Kill“ küren. Dazu gibt’s rund fünf Minuten an witzigen Outtakes sowie 34! Minuten an geschnittenen/alternativen/erweiterten Szenen, die allerdings nur in einer Szene mehr Abscheulichkeiten zu bieten haben, während sie ansonsten vor allem dialogkonzentriert sind. Zu guter Letzt darf man sich über den Audiokommentar von Eli Roth und Co-Autor Jeff Rendell und „Die Massachusetts Filme“ freuen – jene SEHR frühen Filme der beiden, die schon seit ihrer Kindergartenzeit befreundet sind – ein großer Spaß. Vor allem, wenn man es sich mit dem Audiokommentar der beiden anschaut.
Fazit
Thanksgiving erfindet das Rad des Slashers (wie es für Cravens Scream-Reihe gelten darf) keineswegs neu. Dennoch weiß der Regisseur, wie er mit praktischen Maskeneffekten die Gorefans begeistern und mit spannend inszenierten Szenen auch den generellen Horrorfreund unterhalten kann. Nicht mehr und nicht weniger sollte man von Roths jüngstem Genrewerk erwarten. Und nicht mehr oder weniger bekommt man dann auch. Das Ganze wird eingefasst von einem sehr dynamischem und homogenen Bild der Blu-ray sowie einem effektvollen Sound.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 90%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 60%
Film: 60%
Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2023
Regie: Eli Roth
Darsteller: Nell Verlaque, Gina Gershon, Patrick Dempsey, Rick Hoffman, Karen Cliche
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Untertitel: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 106
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Sony Pictures)
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So testet Blu-ray-rezensionen.net
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Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Doppelte Verneinung im Fazit. Nur als Hinweis 🙂
Haha, sehr geil. Ich weiß genau, wie ich den Satz anfangen wollte, habe dann vermutlich mittendrin eine Pause eingelegt und mit der anderen Redewendung geendet. Danke für den Hinweis.
Inhaltlich wirklich sehr guter Slasher. War extrem positiv überrascht.