Blu-ray Review
OT: The Accountant
Präzisionsarbeit
Ben Affleck kann’s doch (noch).
Inhalt
Genau ein Teller steht im Küchenschrank und genau ein Set aus Gabel, Messer und Löffel liegt geometrisch angeordnet in der Schublade. Das Essen wird nach einem bestimmten System auf dem Teller angeordnet und in seinem Job als Steuerberater ist er ein absolutes As. Mit Zahlen kann er umgehen, was daran liegt, dass Christian Wolff unter dem Asperger Syndrom leidet und mit Mathematik deutlich besser zurechtkommt als mit Menschen. Während er hauptberuflich jeden Schlupfwinkel kennt, um seinen Klienten eine Steuervergünstigung zu ermöglichen, führt er jedoch ein Doppelleben. Sein „Nebenjob“ ist der eines Buchhalters für eine Verbrecherorganisation, die durch sein Talent viel Geld spart. Während er von seiner Kontaktperson zu einem neuen Job für ein international operierendes Roboter-Prothesen-Unternehmen gerufen wird, sitzt ihm Ray King vom Finanzministerium im Nacken. Der wird in Kürze pensioniert und will vor seinem Ruhestand unbedingt noch wissen, wer hinter dem geheimnisvollen Accountant steckt. Als Wolff bei „Living Robotics“ Unstimmigkeiten entdeckt, findet sich zur gleichen Zeit ein Profikiller beim für diese Finanzlöcher verantwortlichen Mitarbeiter ein, der ihn zum Selbstmord durch Insulin zwingt. Während Firmenchef Blackburn dem Buchhalter dafür die Schuld gibt, sind die Auftraggeber der Tötung schon bald auch hinter Wolff und einer Angestellten der überprüften Firma her. Christian muss all seine Fähigkeiten einsetzen, um sich und die Frau zu retten …
The Accountant hat vermutlich den unspektakulärsten Filmtitel der letzten Jahre, was ihn damit auf eine Ebene mit Die Firma setzt. Hätte DER damals nicht John Grisham als großen Namen im Hintergrund gehabt und Tom Cruise als Protagonisten, wäre wohl niemand rein gegangen. Im Falle von Gavin O’Connors (Jane got a Gun, Warrior) Film wäre das schade, denn tatsächlich handelt es sich um einen der packendsten Thriller der letzten Zeit, der noch dazu mit innovativen Details aufwartet. Wolffs Autismus in Kombination mit dessen ungewöhnlichem Doppelleben hält das Interesse an seiner Figur und dem Film dauerhaft aufrecht. Dass man ihm mit Anna Kendrick ein Kontergewicht verpasst hat, hätte nicht mal sein müssen (zumal sie im späteren Verlauf praktisch nicht mehr stattfindet), sorgt im Verlauf aber für ein paar nette Gags und etwas Entspannung. Kendrick (zuletzt großartig in Mr. Right) kommt zwar nicht über die für sie typischerweise vorbehaltene Rolle des naiv-schüchternen Sidekicks heraus, ist in solchen Figuren aber einfach perfekt besetzt. Herausragend an ihrer Seite ist (überraschend genug) Ben Affleck. Der Schauspieler, dem immer mal wieder vorgeworfen wird (auch von meiner Seite aus), dass er mimisch eingeschränkt und nicht gerade eine Ausgeburt an emotionaler Wucht ist, schafft es in The Accountant mühelos, dass man ihm den Autisten ebenso abnimmt wie den Kämpfer. Dabei darf’s auch mal etwas humorvoll sein, wenn er nach der Verteidigung des Farmer-Ehepaares unbeholfen zum Abschied winkt, nachdem er einem Kerl das Genick gebrochen und dem zweiten ein faustgroßes Loch in den Schädel geschossen hat.
Die von ihm bekannten starren Gesichtszüge sind hier noch mal etwas betonartiger, was allerdings sehr gut zu den autistischen Merkmalen seiner Figur passt, die nur bedingt fähig ist, soziale Interaktion zu betreiben. Dazu kommt, dass Gavin O’Connor und sein Team die Choreografie der Actionszenen so gestalteten, dass auch hier die Effizienz eines mathematischen Genies miteinbezogen wurde. Fights sind nicht länger als nötig und die Art, wie sich Wolff seiner Gegner entledigt, folgt einer absolut berechneten und direkten Formel. Keine überflüssigen Bewegungen, keine Risiken, einen Gegner am Leben zurück zu lassen – absolute Mortalitätsrate. Gerade bei den Shoot-outs verströmt The Accountant dabei einen Hauch von John Wick. Die eingestreuten Rückblenden schildern im Kontrast recht eindringlich, wie hart das Leben als Kind mit autistischem Krankheitsbild ist, lassen aber auch vermuten, welche Überraschung der Film am Ende noch bereithält. Zwischendurch zieht sich der Film leider ein wenig, wenn Ray King Medina die Geschichte des Buchhalters arg erschöpfend erzählt. Gut, dass sich an diese Momente der packende Showdown anschließt, bei dem einem gerne mal die Spucke wegbleiben kann. Ob man mit der Auflösung der Geschichte am Ende zufrieden ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Bild- und Tonqualität BD
Die Blu-ray demonstriert von Beginn an, dass The Accountant auf Filmmaterial gedreht wurde. O’Connor favorisiert einen analogen Look, der sich in leichter Körnung offenbart, wie man sie beispielsweise gut auf uniformen Hintergründen erkennen kann (Garagentor 13’31). Während der Rückblicke in Wolffs Vergangenheit wird das Geschehen über vornehmlich graue Farben präsentiert, während die Gegenwart häufig eine Baunpalette nutzt. Der Kontrastumfang liegt im oberen Bereich, ohne die Spitzen der Dynamik zu erreichen. Das verhindert schon die leichte Körnung, die Weiß nie wirklich kristallklar, sondern eher leicht gräulich präsentiert (29’30). Innenraumszenen bei „Living Robotics“ kommen ein wenig kühler/bläulicher rüber, was der Szene den passenden technischen Anstrich verpasst. Die Schärfe ist während der Nahaufnahmen sehr gut, lässt in Halbtotalen nur wenig nach und präsentiert auch Totale durchaus gut aufgelöst. Gerade in Innenräumen ist die Tiefe erstaunlich gut (114’32).
Dass eine komprimierte Dolby-Digital-Spur nun mal keine hochauflösende dts-HD-MA-Spur ist, hört man leider schon von Beginn an in The Accountant. Die Schüsse in der Bar verhallen lange nicht so knackig, sind leiser und weniger dynamisch. Dazu hört man die Fußtritte der laufenden Person im oberen Stockwerk im Original viel effektvoller und direktionaler über die Rearspeaker als es auf der deutschen Spur der Fall ist. Auch Stimmen sind deutlich leiser als auf der englischen Tonvariante, was eine Anpassung notwendig macht. Dies wiederum lässt die Actionelemente ein wenig zu laut rüberkommen. Die dts-HD-MA-Fassung bettet Stimmen dagegen deutlich homogener ins ohnehin schon voluminösere Geschehen ein. Dass die Dolby-Digital-Fassung dennoch nicht von schlechten Eltern ist, darf sie demonstrieren, wenn Christian auf der Farm seine Schießübungen mit dem Großkaliber durchführt. Zuletzt gelang eine Waffe dieser Art derart vehement ins Heimkino beim ebenfalls mit Affleck besetzten Smokin‘ Aces. Anders als brutal kann man das kaum beschreiben und so darf man es hiermit als Lob für die komprimierte DD-Spur verstanden wissen. Klar, die englische Fassung macht das noch heftiger und lässt das Heimkino derart erzittern, dass man Angst um die Gläser im Schrank haben muss (16’55) – eine absolute Demonstrationsszene für Soundfreaks. Wenn dann nach 101 Minuten das Haus von Blackburn angegriffen wird, bleibt scheinbar kein Stein mehr auf dem anderen – mehr Vehemenz, mit Verlaub, geht nicht.
Bild- und Tonqualität UHD
The Accountant gehört zu den Filmen, die auf 35mm Film gedreht wurden, für deren Video-Veröffentlichung das Material jedoch auf ein 2K-Intermediate abgetastet wurde. Die Realisierung für die 4K-Fassung geschah dann über ein Upscaling. In Sachen Auflösung ist also kein allzu großer Sprung zur Blu-ray zu erwarten und auch nicht erkennbar. Die leichte Filmkörnung ist noch etwas feiner und ausgeprägter und runde Umrandungen zeigen bei genauem Hinsehen weniger Kantenabstufungen (siehe Bildvergleich). Durch die Erweiterung des Farbraums im Rahmen von Rec.2020 sowie dem Mastering in HDR wirken orange-braune Farben kräftiger und Rot ist deutlich satter. Allerdings kauft sich die UHD dies mit einem etwas dunkleren Bild ein, das Details auf schwarzen Bereichen etwas stärker verschluckt. Hier punktet die Blu-ray mit etwas besserer Durchzeichnung, hat aber nicht den gleichen Punch in helleren Bereichen.
Beim Ton der UHD von The Accountant gibt es nichts Außergewöhnliches zu berichten, denn er nutzt (fast) die gleichen Spuren wie die Blu-ray. Lediglich zwei zusätzliche rückwärtige Höhen-Effektkanäle für die englische Version liegen vor. Man hat es hier also mit einer 7.1-dts-HD-Master-Spur zu tun. Eine Dolby-Atmos-Fassung hat man der UHD leider nicht spendiert. Die beiden Rear-Hights werden vornehmlich für atmosphärische Geräusche genutzt.
Bonusmaterial
Im Bonusbereich von The Accountant wurden insgesamt drei Featurettes abgelegt. In „Inside Man“ erzählen die Hauptdarsteller und Regisseur O’Connor, was sie an dem Projekt begeisterte und dass die Figur des Christian Wolff für einen Actionfilm sehr ungewöhnlich ist, was den Reiz ausmachte. Auch das Thema Autismus wird angesprochen. „Behavioral Science“ kümmert sich noch stärker um die autistischen Züge des Protagonisten und darum, dass alle Beteiligten diese Eigenschaften möglichst realistisch umsetzen wollten. Um dies zu gewährleisten besuchte man Schulen mit autistischen Kindern und zog eine Expertin hinzu. „Accountant in Action“ schließlich nimmt Bezug auf die Kampfszenen, die man ebenfalls auf die autistischen Züge des Helden abstimmte.
Fazit
Sensationelle Actionelemente wechseln sich mit ein paar sehr langsamen Erzähltmomenten ab – The Accountant ist zugleich packender Thriller und (Familien)Drama – nicht immer ganz ausgewogen, aber sehr gut gespielt und mit wuchtigem Sound im Heimkino.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 75%
Bildqualität UHD: 75%
Tonqualität BD (dt. Fassung): 85% (im Rahmen einer Dolby-Digital-Wertuung)
Tonqualität BD (Originalversion): 90%
Tonqualität UHD (dt. Fassung): 85% (im Rahmen einer Dolby-Digital-Wertuung)
Tonqualität UHD (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 50%
Film: 75%
Anbieter: Warner Home
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Gavin O’Connor
Darsteller: Ben Affleck, Anna Kendrick, J.K. Simmons, Jon Bernthal, John Lithgow, Jeffrey Tambor, Cynthia Addai-Robinson
Tonformate BD: dts HD-Master 5.1: en // Dolby Digital 5.1: de
Tonformate UHD: dts HD-Master 7.1: en // Dolby Digital 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 128
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Nein (2K Intermediate)
FSK: 16
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots: © 2016 Warner Bros.)