The Ardennes – Ohne jeden Ausweg

Blu-ray Review

The Ardennes - Ohne jeden Ausweg Blu-ray Review Cover
Meteor/AL!VE, seit 26.08.2016

OT: D’Ardennen

 


Abwärtsspirale

Europäisches Sozialdrama, das ganz tief in die Abgründe der Menschen schaut.

Inhalt

Kenny bekam sieben Jahre im Gefängnis, nachdem er mit seiner Freundin Sylvie und Bruder Dave einen Überfall begangen hatte. Während die anderen beiden davonkamen, schnappte man nur Kenny – und der hielt den Mund. Nun kommt er vorzeitig frei und trifft auf veränderte Welten. Dave ha sich dem Establishment angepasst und geht einem regulären Job nach. Sylvie hat sich mittlerweile von den Drogen losgesagt und ist zu allem Übel noch mit Dave zusammen. Das verschweigen die beiden Kenny natürlich, was umso heikler ist, da Sylvie ein Kind von Dave erwartet. Der schafft es zwar, seinem Bruder einen Job zu besorgen, doch die vier Jahre Knast haben ihre Spuren hinterlassen und Kenny ist nun nicht nur aggressiv, sondern vor allem verbittert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die aufgestaute Wut ihren Weg bahnt …

Belgisches Kino, das nicht von ungefähr an Refns PUSHER erinnert, wenn die Kriminalität vor den einfachen Menschen der sozial schwachen Vorstädte einfach nicht Halt macht. In düsteren Bildern, die keinerlei Beschönigungen zulassen, lotet The Ardennes zunächst aus, wie zwei Brüder, die sich mittlerweile voneinander entfernt und andere Vorstellungen vom Leben haben, wieder zusammenfinden müssen. Dass das unter den gegebenen Umständen nur schief gehen kann, schildert Regisseur Pront mit kargen Dialogen, in kühlen Bildern und mit einem pumpenden Technosoundtrack im Hintergrund. Beeindruckend intensiv geraten die trostlosen Momente, in denen The Ardennes zeigt, wie trostlos die Situation für jemanden erscheint, der gerade aus dem Knast freikam und ohne seine damalige Freundin oder gar eine Perspektive dasteht. Die vortrefflich besetzten Schauspieler vermitteln Emotionen und den unweigerlichen Abstieg herausragend gut. Kevin Janssens muss in der Rolle als durch und durch unsympathischer Kerl mit Schmierfrisur damit leben, dass man ihn von Beginn an verachtet, sorgt aber dennoch dafür, dass man seine ausweglose Situation nachvollziehen kann. Wenn ein Streit über die Frage, ob Jean-Claude van Damme „der Größte“ ist in der Disko dafür sorgt, dass Kenny ausrastet, steht das zum einen sinnbildlich für den beschränkten geistigen Horizont der Figur aber zum anderen auch dafür, dass ein Mensch in dieser Situation kaum viel anderes zu haben scheint, als aufgestaute Wut loszuwerden. Die erste Hälfte des Films bleibt The Ardennes vornehmlich Familien- und Sozialdrama, das mit der Kündigung der Jobs von Kenny und Dave seine Wendung erfährt und zunehmend eskaliert. Jeroen Perceval kommt dabei die etwas undankbare Rolle des „Waschlappens“ zu, die er zwar überzeugend gibt, die ihn aber auch lange Zeit zur Passivität verpflichtet. Zur gleichen Zeit durchlebt Veerle Baetens als Sylvie eine emotionale Achterbahnfahrt und übertrifft darstellerisch ihr beiden männlichen Kollegen noch. Sie ist die mit Abstand stärkste Figur des Films und der Anker, an dem sich der Zuschauer festhalten kann, während drumherum die Zeichen auf Tristesse und Kriminalität stehen. Großartig ist auch Jan Bijvoet als Stef, der nach Borgman erneut die Untiefen der menschlichen Abgründe ausloten darf. Das Düstere des Films, der wirklich keinen Hoffnungsschimmer zulässt, wird auch über die Bilder selbst transportiert. Es ist beständig dunkel, die Sonne scheint jemand ausgeknipst zu haben und der Himmel bleibt dauerhaft grau. Wenn dann am Ende eine faustdicke Überraschung wartet, bleibt der Zuschauer ebenso schockiert wie bestürzt und deprimiert zurück.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von The Ardennes ist vor allem eins: Dunkel, sehr dunkel. Selbst die Tageslichtszenen lassen bei Restlicht im Wohnzimmer/Heimkino kaum Differenzierung zu. Während die Schärfe gleichsam nur mittelprächtig ist, lässt die Bildruhe selbst Nachtaufnahmen noch unverrauscht und ohne Körnung erscheinen. Farben werden deutlich gefiltert zum Besten gegeben. Meist wirken sie daher sichtbar grün oder blau – wenn’s mal nicht grau in grau ist. Leider schleichen sich auch Randunschärfen ein – gerade im unteren Bereich.
in Sachen Raumakustik trumpfen die Techno-Beats auf, die wahlweise in der Disko laufen oder als Filmsongs untergemischt werden. Immer wenn in The Ardennes Musik läuft, öffnet sich das Geschehen und wird etwas dynamisch(er). Ansonsten dominieren die Dialoge, die in der deutschen Fassung mit einer verhältnismäßig gut gelungenen Synchro aufwarten.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Ardennes gibt’s ein Interview mit Dave-Darsteller Jeroen Perceval, auf dessen Theaterstück der Film basiert, sowie mit Regisseur Pront. Ein weiteres Questions and Answer nach einer Premierenvorstellung vor Publikum gesellt sich hinzu.

Fazit

Wahrlich kein Sonntags-Nachmittags-Film und damit im krassen Gegensatz zum Gute-Laune-Werk vom Format eines Eddie the Eagle. The Ardennes ist herausragend gespieltes sozialdramatisches Kino aus Belgien, das vor allem Freunde anspruchsvoller Dramen überzeugen wird – und zwar bis zum bitteren Ende.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 40%
Film: 70%

Anbieter: Splendid/WVG
Land/Jahr: Belgien 2015
Regie: Robin Pront
Darsteller: Veerle Baetens, Kevin Janssens, Jeroen Perceval, Jan Bijvoet, Eric Godon, Viviane de Muynck
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 93
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu The Ardennes