Blu-ray Review
OT: The Assistant
Alltag
Eine Junior-Assistentin gerät in die Mühlen eines männerdominierten Filmproduzenten-Büros.
Inhalt
Jane hat es geschafft. Fürs erste jedenfalls. Ihren Abschluss am College hat sie frisch in der Tasche. Jetzt geht sie ihr Ziel an, irgendwann eine große und erfolgreiche Filmproduzentin zu werden. Als erstes fängt sie in einem Produktionsbüro als Junior-Assitentin eines mächtigen Filmmoguls an. Dort muss sie sich erst einmal mit niederen Arbeiten ihr Brot verdienen. Für die hauptsächlich männlichen Kollegen Kaffee kochen, Kopien anfertigen, Bilanzen ausdrucken oder auch mal die erboste Frau des Chefs am Telefon abwimmeln. Um ihren Job hinzubekommen, fängt sie früh an und kommt auch an den Wochenenden. Beim Chef gilt sie deshalb als fleißig und ambitioniert. Doch die Kollegen behandeln sie immer noch geringschätzig. Jane weiß aber, dass sie sich emporarbeiten wird, wenn sie weiter motiviert und fleißig bleibt. Dann jedoch keimt in ihr der schreckliche Verdacht, dass ihr Boss sich aus seiner Position heraus gegenüber Frauen unangemessen verhält …
Hashtag MeToo.
Was vor gut drei Jahren als Bewegung begann, nachdem bekannt wurde, dass Filmproduzent Harvey Weinstein dutzendfach sexuell übergriffig wurde, löste eine Welle des Protests aus, dessen Stimmen immer lauter wurden. Der bereits 2006 von der afroamerikanischen Aktivistin Tarana Burke benutzte Slogan wurde immer bekannter und im Zeitalter sozialer Netzwerke millionenfach verlinkt. Die Bewegung, die durch das Teilen eines Twitter-Postings von Alyssa Milano losgelöst wurde, sorgte dafür, dass ein Problem auf den Bildschirm gelangt, das seit Jahrzehnten unter Hollywoods Oberfläche schwelte: Die sexuelle Übergriffigkeit von Produzenten, die in Machtpositionen stehen und diese schamlos ausnutzen.
Zahllose Frauen, junge und weniger bekannte Schauspielerin, aber auch prominente Darstellerinnen teilten den Slogan und gaben an, ebenfalls Opfer von unterschiedlichsten sexuellen Anzüglichkeiten und Übergriffen geworden zu sein. Eine wichtige Bewegung, die in der Folge allerdings auch kontrovers diskutiert wurde. Fast jede Bewegung hat ja oft eine Gegenbewegung. Und so gab es schnell Kritiker, die vielen klagenden Frauen Berechnung vorwarfen.
The Assistant pickt sich nun einen beliebigen Tag in einer beliebigen Produktionsagentur heraus und schildert fiktional, was in den Büros von Harvey Weinstein möglicherweise genauso geschehen ist.
Quasi gefilmt in Echtzeit verfolgen wir den Alltag der angehenden Filmproduzenten Jane, die als Assistentin der Geschäftsführung für die ganzen Hiwi-Jobs verantwortlich ist. Sie trägt den männlichen Kollegen den Hintern hinterher und hält im Hintergrund den Betrieb am Laufen, während ihr die meisten Kollegen die kalte Schulter zeigen.
Regisseurin Kitty Green, die für ihre aufwühlenden Dokumentarfilme bekannt ist, nutzt für ihren ersten Spielfilm das Mittel der (Quasi)-Echtzeit-Inszenierung. Sie schildert einen Tag im Berufsleben der jungen Absolventin Jane, die während ihrer Arbeit für den Chef mitbekommt, wie dieser gegenüber Frauen übergriffig wird.
Zunächst ahnt man als Zuschauer (ohne die Inhaltsangabe gelesen zu haben) von dem Thema noch gar nichts, da es schon unangenehm genug ist, wie herablassend die Kollegen mit der jungen Anfängerin umspringen. Man ist also bereits aufgewühlt, bevor die eigentliche Thematik das Diktat übernimmt. Geschickt filmt Green dauerhaft am Chef vorbei. Man hört ihn nur als Stimme am Telefon oder aus dem Büro heraus. Man bekommt mit, dass er schnell aufbrausend sein kann und seine Mitarbeiter unter Stress setzt. Auf diese Weise wird seine Dominanz und die Angst, die alle vor ihm haben, noch deutlicher.
Die Kamera bleibt durchweg bei Jane, die von Julia Garner (We are What we are, Ozark) überzeugend gespielt wird. Dass sie in der Rolle der zwangsläufig devot und untergeben agierenden Jane mehr und mehr Frust entwickelt, liegt schon am generellen Umgang mit den- oder derjenigen, die einen solchen Hilfsposten bekleiden. Oft hat man das Gefühl, dass Jane den Tränen näher ist als alles andere. Und man fühlt es mit ihr.
Allerdings lässt sich The Assistant eine ganze Menge Zeit, um sein eigentliches Thema auch entsprechend aufs Tableau zu bringen. Gut über 40 Minuten vergehen, bis das Eintreffen einer neuen und blutjungen Assistentin Janes Aufmerksamkeit weckt.
Wenn sie dann zu Personalchef Wilcock geht und ihre Vermutungen auf den Tisch bringt, basieren diese auf den logischen Verknüpfungen, die Jane aus einigen Fakten addiert. Da sie aber nur geringfügige Indizien zu haben scheint, lässt Wilcock sie auflaufen.
Matthew Macfadyen gibt diesen Personalchef mit beängstigender Authentizität. Wie er die Argumente in Frage stellt; wie er von oben herab spricht und Jane demütigt; wie er sie fragt, ob sie ihren Vorwurf und ihre Beschwerde wirklich geltend machen möchte, wenn sie denn vor habe, tatsächlich noch eine Karriere haben zu wollen – man muss nicht selbst in einer solchen Situation gewesen sein, um zu wissen, dass diese Szene sich tausendfach so abgespielt hat.
Und dann schiebt er noch ein süffisantes „Ich glaube nicht, dass sie sich Sorgen machen müssen, sie sind nicht sein Typ“ hinterher. In diesem Moment wird das Ekelhafte an dem von Männern dominierten System der Filmindustrie (und anderer Sparten) offenbar. Zynisch suggeriert er eine „Sicherheit“ für die Frau, weil die nicht dem Schönheitsideal des betreffenden Mannes entspricht. Frei nach dem Motto: Was musste sie auch so einen kurzen Minirock tragen, ist es nicht der Mann, der sich gefälligst am Riemen zu reißen hat, sondern die Frau, die selbst schuld ist, wenn man ihr gegenüber anzüglich oder handgreiflich wird.
Man kann The Assistant inszenatorisch vorwerfen, dass er sich trotz der kurzen Laufzeit etwas zieht und hier und da etwas direkter sein könnte. Details jedoch werden vor allem im Nachhinein schmerzhaft bewusst. So beispielsweise die lapidar fallenden Kommentare der Kollegen, die offenbaren: Jeder weiß und wusste davon …
Bild- und Tonqualität
Das Bild von The Assistant liegt im Format 2.00:1 vor und ist durchweg laufruhig und recht rauscharm. Eine ganz dezente Körnung lässt das Geschehen filmischer erscheinen, bleibt aber konstant auf niedrigem Niveau. Close-ups sind von ausgewogener Schärfe, was auch für die Kontrastierung gilt. Farben sind dezent und knallen nicht um die Wette. Der Look ist insgesamt etwas reduzierter und nicht zwingend auf Hochglanz getrimmt. Zum Inhalt des Films passt das aber ganz gut.
Die beiden dts-HD-Master-Spuren bleiben bis auf wenige Ausnahmen sehr unspektakulär und praktisch komplett auf den Center bezogen. Die Stimmen gelangen von dort aus sehr verständlich zum Ohr, während lediglich in den kurzen Außenszenen etwas Räumlichkeit entsteht. Selbst von seitlich hinter der Kamera eintretende und miteinander sprechende Menschen werden nicht mal mit Stereo-Räumlichkeit dargestellt. Über die Mains kommt in dieser Zeit lediglich etwas Außengeräusch (Alarmsirenen von Einsatzfahrzeugen), während das von rechts ins Bild laufende Trio komplett nur auf den Center abgelegt wurde (10’10) – was übrigens auch bei der englischen Fassung der Fall ist. Mehr lässt sich über die Tonspuren tatsächlich nicht sagen.
Bonusmaterial
Schade, dass es im Bonusmaterial von The Assistant nur die beiden Trailer zu sehen gibt. Ein Featurette über die MeToo-Bewegung oder die Intention des Films wäre schön gewesen.
Fazit
The Assistant entlarvt das „System Weinstein“ als das, was es ist: Eines von machthungrigen Männern, die ihre Position ausnutzen, um Dinge zu erpressen, die sie freiwillig von den betreffenden Personen nie bekommen würden. Und als eines, das voll ist mit Menschen, die sich wegdrehen und schweigen. Beide Gruppen sind verachtenswert. Inszenatorisch manchmal etwas langatmig, inhaltlich aber von großer Bedeutung und darstellerisch sehr authentisch dargeboten.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 10%
Film: 75%
Anbieter: Ascot Elite Home Entertainment AG
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Kitty Green
Darsteller: Julia Garner, Matthew Macfadyen, Makenzie Leigh, Kristine Froseth
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,00:1
Laufzeit: 87
Codec: AVC
FSK: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Ascot Elite Home Entertainment AG)
Trailer zu The Assistant
Keine Frage: „Dieses System“ ist zu verurteilen und daran gibt es nichts schön zu reden.
Allerdings ist es wie mit der gesamten Bewegung: Es wird verallgemeinert und ohne einen Hauch einer gegenteiligen Andeutung so dargestellt, als wäre dies auf der ganzen Welt genereller Büroalltag. Zudem geht man anscheinend davon aus, dass nur weiblichen Personen so etwas wiederfährt, was aber mitnichten der Fall ist. Da war man ja selbst im Jahr 1994 mit dem Film „Enthüllung“ schon weiter!