Blu-ray Review
OT: The Autopsy of Jane Doe
Unbekannte Leiche mit Historie
Obacht: Hier kommt einer der spannendsten Horrorfilme der letzten Jahre.
Inhalt
Austin wollte eigentlich den Abend mit seiner Freundin verbringen. Doch weil er mit seinem Dad das Familien-Unternehmen eines Leichenbestatters führt, muss er einspringen, als die Polizei den beiden eine von außen scheinbar unverletzte tote Frau bringt. Da der Sheriff so schnell wie möglich Erkenntnisse braucht (man kennt nicht mal den Namen des Opfers), macht sich das Vater-Sohn-Gespann ans Werk. Während ihrer Untersuchungen an der Leiche stellen die Beiden fest, dass sie nur äußerlich unversehrt ist. stoßen aber schon früh auf Ungereimtheiten. Innerlich gleicht ihr Körper dann einem Schlachtfeld: Knöchel gebrochen, Zunge abgetrennt, Schnittverletzungen im Vaginalbereich – die Peiniger der Unbekannten haben offenbar Foltermethoden walten lassen. Doch das ist noch nicht alles, denn je weiter Austin und sein Vater in ihren Erkenntnissen kommen, desto mysteriöser wird der Fall. Weder passen die inneren Verletzungen zum äußeren Erscheinungsbild, noch lassen sich diese Traumata in irgendeiner Weise erklären. Außerdem mehren sich seltsame Dinge. Das Radio gibt komische Geräusche ab, der Strom schwankt und die Türen der Leichenboxen öffnen sich selbstständig – ob das alles noch mit rechten Dingen zugeht …?
Es gibt sie noch, die innovativen und WIRKLICH spannenden Filme. Die, die weit aus dem Einerlei der Genreproduktionen herausragen. Mit The Autopsy of Jane Doe kehrt André Øvredal (Trollhunter) auf den Regiestuhl zurück und legt einen dermaßen nervenzerrenden Film vor, dass man sich die Nägel schon mal wachsen lassen sollte, um sie entsprechend während des Films abkauen zu können. Und das, obwohl (oder gerade weil) die blutigen Szenen nach zehn Minuten zunächst praktisch abgeschlossen sind. Der Regisseur konzentriert sich ausnahmslos auf seine schneidend dichte Atmosphäre, die durch das begrenzte Setting im Keller des alten Hauses und die detaillierte Ausstattung noch verstärkt wird. So sind die Holzwände der Flure abgeschliffen, die Böden zeugen vom Herumfahren der Rollbahren und die Aufzugstür ist völlig verkratzt. Außerdem ist Øvredal ein Meister der Ausleuchtung und effektiven Kamerapositionen. Immer wieder filmt er aus ungewöhnlichen Perspektiven, was eine bisweilen starke Intimität zur Toten bewirkt und den Zuschauer bisweilen stärker ins Geschehen einbindet als es ihm lieb sein kann. Außerhalb des eigentlichen Autopsie-Raums erzeugen die immer wieder eingestreuten Szenen über den Konvex-Spiegel echten Thrill – und das nicht nur, wenn dort plötzlich Figuren auftauchen. Dazu gesellen sich fiese Geräusche, wenn Austins Dad beispielsweise die Rippenschere ansetzt. Ohnehin wird die Akustik extrem effektiv genutzt, um zusätzlich für Grusel zu sorgen: Poltern im Lüftungsschacht, seltsame Geräusche aus dem Radio oder das Unwetter draußen – The Autopsy of Jane Doe weiß, wie man Surroundsound effektiv nutzt. Doch selbst wenn die Inszenierung gelungen ist und das Setting stimmt, wenn das Drehbuch packend und mysteriös genug ist, um als Zuschauer beständig mitzurätseln, würde ein Film immer noch nicht zwingend funktionieren, wenn die Darsteller es nicht vermitteln könnten.
Bild- und Tonqualität
Das Bild von The Autopsy of Jane Doe nutzt zwar ein filmisches Korn, was aber insgesamt relativ unauffällig bleibt und auch in dunklen Szenen nicht deutlich stärker wird. Vornehmlich sieht man es auf uniformen Hintergründen. Farben sind bewusst kühl gehalten, was dem Film einen technisch-medizinischen Look beschert. Die Schärfe ist durchweg eher mittelprächtig und liefert nicht die maximale Fülle an Details. Wenn sich Gesichter bewegen, wirken diese bisweilen sehr soft, was an einer relativ schlechten Bewegungsschärfe liegt. Werden die Darsteller statisch gefilmt, sieht’s deutlich besser aus. Gerade Brian Cox’ Antlitz, bzw. dessen Gesichtsfurchen profitieren dann von hoher Detaildichte. In einigen dunklen Szenen (beispielsweise im Krematorium während der Verbrennung der Katze) werden Einzelheiten allerdings massiv im Schwarz verschluckt und es gesellen sich auch noch Color-Banding-Effekte hinzu.
Auch akustisch kommt The Autopsy of Jane Doe mühelos an Big-Budget-Produktionen heran. Schon der erste Blitz der Tatort-Kriminalisten sorgt für einen raumfüllenden Effekt mit Nachdruck. Dazu kommt der stets breit aufgestellte Filmscore, der durch seine schwebenden Sounds von Beginn an Grusel erzeugen kann und manchmal äußerst dynamisch anschwillt. Setzt dann der Grusel ein, werden die vorhandenen Lautsprecher auf höchst effektvolle Weise genutzt, um zusätzliche Spannung zu erzeugen: Geräusche aus dem Belüftungssystem, der grollende Donner draußen die Sounds, die von den Erscheinungen ausgehen – das alles wird so wirkungsvoll eingesetzt, dass sich der Grusel über den Ton höchst effektiv auf den Zuschauer überträgt.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von The Autopsy of Jane Doe gibt’s zunächst sieben Interviews mit den Darstellern, dem Regisseur und den Produzenten. Die fallen zwar ziemlich nüchtern aus, halten aber durchaus interessante Informationen bereit. Dazu gibt’s eine unkommentierte B’Roll mit Blicken hinter die Kulissen der Produktion. Beides ist nicht untertitelt.
Fazit
The Autopsy of Jane Doe ist ganz mühelos der spannendste Grusler des Heimkino-Herbstes und bildet neben Lights Out und Don’t Breathe das beste Horror-Trio des Jahres 2017.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 30%
Film: 90%
Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Großbritannien/USA 2016
Regie: André Øvredal
Darsteller: Olwen Catherine Kelly, Emile Hirsch, Brian Cox, Ophelia Lovibond, Michael McElhatton, Parker Sawyers
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 86
Codec: AVC
FSK: 16
Danke für die Empfehlung durch das Review! Selten ein Film erlebt der so dicht und intensiv von der Stimmung war! 9/10
Ging mir damals auch so. Auch heute schaue ich den zwischendurch noch mal gerne!