Platz 4: The Big Lebowski

Platz 4: The Big Lebowski (Blu-ray Review)

Blu-ray im Vertrieb von Universal Pictures
Blu-ray im Vertrieb von Universal Pictures

OT: The Big Lebowski

 


„Wo ist das Geld, Lebowski!?“

Die Coen-Brüder auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.

Story

 

„Der Teppich hat das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht.“ Lebowski, von allen nur „The Dude“ genannt, hätte ja noch darüber hinwegsehen können, dass man ihn Hals über Kopf in sein Klo getunkt hat, um herauszufinden, wo er „das Geld“ versteckt habe. Doch dass die eindringenen Schläger zum Abschluss auf seinen Flokati gepinkelt haben, das geht nun wirklich zu weit. Da der Dude auch noch einer Verwechslung zum Opfer fiel und die beiden Eindringlinge eigentlich einen ganz anderen Lebowski besuchen wollten, scheint es ihm nur logisch, seinem Namensvetter einen Besuch abzustatten und ihn um einen Ersatz für seinen Teppich zu bitten. Doch der Multimillionär lässt den Althippie abblitzen. Also denkt der Dude nach, spielt ein wenig Bowling mit seinen Freunden Walter und Donny und will die Sache eigentlich abschließen. Doch da hat Lebowski die Rechnung ohne Lebowski gemacht. Dem reichen Macker wurde seine Frau „Bunny“ entführt und nun bittet er den Dude, die vereinbarte Geldübergabe abzuwickeln, da er annimmt, es sind die gleichen Typen, die den Teppich klauten und der Dude können sie somit identifizieren. Natürlich geht die Geldübergabe schief und der Dude hat nicht nur den erbosten Lebowski, sondern auch dessen Tochter Maude und ein paar brutale Nihilsten am Hals …

Warum gerade „The Big Lebowski“?

Die siebte gemeinsame Arbeit der Coen-Brüder trägt die komplette, bis zu diesem Zeitpunkt entwickelte Handschrift der beiden und vereint den schrägen Humor mit skurrilen Typen und einer herrlich absurden Story. Eingeführt von einem sonoren Sprecher, der eine grundlegende Charakterisierung des „Dude“ abliefert und dem Zuschauer die Geschichte erzählt, gehört schon die erste Szene in The Big Lebowski ganz alleine Jeff Bridges. In einen Morgenmantel gekleidet und mit den modisch schrecklichsten Sandalen an den Füßen schlendert er durch den Supermarkt, öffnet ein Milchpaket und verköstigt sie vor Ort. An der Kasse stellt er mit sichtbarem Milchbart der gelangweilten Kassiererin einen Scheck über 0,69 Cent aus.
Es benötigt nur diese beiden ersten Sequenzen, um Jeff Bridges für immer mit der Rolle des „Dude“ zu verbinden. Keiner hätte diese Figur derart ausfüllen, sie leben können, wie er – und das, obwohl seine Vita schon zu dem Zeitpunkt voll prägnanter Individualcharaktere war (z.B. Jack Lucas aus „König der Fischer“ und Clu/Kevin Flynn aus „Tron“). Ich denke, ich lehne mich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass die Filmgeschichte nur wenig Typen aufweist, die cooler und entspannter inszeniert und dargestellt wurden. Bridges hat mit seinem Dope rauchenden und Bowling spielenden Charakter den durchsichtigen Badelatschen (wer kennt die Dinger nicht) und dem Morgenmantel ein Denkmal gesetzt und die Figur des Dude zu einer Ikone werden lassen. Das geht soweit, dass sich in den USA eine Bewegung gründete, die die Philosophie des „Dudeism“ lebt und die „Church of the Latter-Day Dude“-Kirche gegründet hat. In der Annahme, dass es den „Dudeism“ schon seit Anbeginn der Zivilisation gäbe und er als Gegenentwurf zum „Exzess“ und der „Aggression“ funktioniere, solle man alles „easy“ sehen und im „Flow“ bleiben.
Man muss natürlich nicht gleich einer Kirche beitreten, um einen Film gut zu finden und The Big Lebowski macht noch eine Menge mehr aus, als alleine seine Hauptfigur.

Da wären zum Beispiel die zahlreichen Nebencharaktere, von denen einer überdrehter ist als der andere. Allen voran Dudes bester Kumpel Walter Sobchak (John Goodman in der Rolle seines Lebens). Der Vietnam-Veteran Sobchak ist als gebürtiger polnischer Katholik bei der Hochzeit mit seiner Ex-Frau Cynthia zum Judentum konvertiert und beachtet vor allem seine eigenen Gesetze. So zückt er schon mal seine Waffe, weil die gegnerische Mannschaft beim Bowling angeblich übertreten hat und argumentiert, dass das hier nicht Vietnam sei, denn es gäbe Regeln. Die ständigen Streitgespräche zwischen dem Dude und Walter sind so brillant geschrieben und pointiert umgesetzt, dass jeder einzelne Satz ein legendäres Zitat geworden ist. Ebenfalls überragend ist Julianne Moore als Feministin Maude Lebowski mit Prinz-Eisenherz-Frisur, die ihre Kunst an Drahtseilen fliegend ausübt und dem verdutzten Dude nach einer gemeinsamen Nacht erzählt, dass es ihr nicht ums Vergnügen, sondern um eine Befruchtung ging. Und wo andere Filme mit einer plötzlich auf der Bildfläche erscheinenden zusätzlichen Gruppe, wie jener der Nihilisten, den roten Faden verloren hätten, binden die Coens diese Truppe so schlüssig und irrwitzig in ihren Film ein, dass sie zum allgemeinen Running Gag mutieren. Perfekt besetzt in der Rolle deren Anführers: Peter Stormare, der schon in Fargo kein Problem mit Gewalt hatte.

Und dann sind da noch diese wahnwitzigen Situationen in The Big Lebowski, bei denen man vor Lachen brüllend am Boden liegt. Echten Dudeisten muss man nur zwei Stichworte geben, um spontane Lachanfälle zu verursachen: „Türverbarrikadierung per Stuhl“ und „Donnys Asche“. Die geniale Absurdität solcher Einfälle gelingt nur wenigen Autoren und die Coen-Brüder sind die Speerspitze dieser Filmemacher. Als wäre das alles noch nicht genug, zitieren sie en Masse Popkultur: Der Film an sich ist eine Hommage an den Film-Noir der 40er und vor allem an die Raymond-Chandler-Werke über und mit Privatdetektiv Philip Marlowe. Auf anderer Ebene kommt die Besetzung der Nihilisten hinzu: Einer der Jungs ist „Flea“, der Bassist der Red Hot Chili Peppers, die einzige weibliche Nihilistin wird dargestellt von Singer-Songwriterin Aimee Mann und die im Film gezeigte Platte der Band „Autobahn“ ist selbstverständlich ein Verweis auf die deutschen Elektronik-Pioniere Kraftwerk. Der Soundtrack an sich ist schon ein Kunstwerk – erneut mit zahlreichen Zitaten gespickt und reich an Hommagen (so sind viele der Songs nicht im Original, sondern als Coverversion enthalten). Zudem hält er eine nette Anekdote bereit: Das Stones-Cover „Dead Flowers“ von Townes van Zandt rückte Allen Klein, der frühere Manager und Rechteinhaber des Songs, erst raus, als er in einem Rohschnitt des Films die Szene sah, in der Jeff Bridges als Dude aus einem Taxi geworfen wird und dies mit „I hate the fuckin‘ Eagles!“ kommentiert – und das, nachdem beim ersten Auftritt von Jesus in der Bowlinghalle „Hotel California“ läuft – natürlich nur in der Coverversion der Gipsy Kings.

Fazit

The Big Lebowski gehört zu den coolsten und entspanntesten Filmen aller Zeiten. Kaum ein Hauptcharakter wurde so dermaßen gelebt, wie die Rolle des Dude von Jeff Bridges und der schräge Humor der Coen-Brüder ist hier auf seinem absoluten Höhepunkt. Einmal pro Jahr dem Dudeismus zu folgen ist absolute Pflicht und wird selbstverständlich im Morgenmantel und mit einem gepflegten White Russian zelebriert.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 70%
Film: 100%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 1997
Buch/Regie: Joel & Ethan Coen
Darsteller: Jeff Bridges, John Goodman, Julianne Moore, Steve Buscemi, Peter Stormare, Philip Seymour Hoffman, John Turturro
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts 5.1: de, fr, sp, it, jp
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 117
Codec: VC-1
FSK: 12

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