The Big Short – Dies ist eine wahre Geschichte

Blu-ray Review

The Big Short Blu-ray Review Cover
Paramount Home, seit 02.06.2016

OT: The Big Short

 


Einfach nur Hinsehen

The Big Short ist eine brillante Finanzsatire, basierend auf (leider) historischen Tatsachen.

Inhalt

„Greenspan irrt sich!“ – Michael Burry, ein ziemlich schrulliger Hedgefonds-Manager nimmt den Mund ziemlich voll, nachdem er die Zahlen des Immobilienkapitalmarkts ganz genau gelesen hat. Er geht davon aus, dass dieser Kapitalbereich, der nur auf faulen Krediten fusst, in Kürze die nächste große Blase nach der des Neuen Markts von 2001 wird, die spektakulär platzen wird. Er entwickelt die Idee, gegen den Häusermarkt wetten. Das würde aber nur was bringen, wenn Millionen von Amerikanern ihre Kredite nicht mehr bedienen können – eine absurde Idee, wie die Banken finden. Dennoch nehmen sie nur zu gerne Burrys Investitionen an, da sie sich auf einer sicheren Straße wähnen – wollen sie doch Provision dafür haben, wenn sich der Manager irrt und der Immobilienmarkt steigt. Natürlich bleiben Burrys Aktionen nicht ungesehen, immerhin setzt er insgesamt 1,3 Milliarden Dollar ein. Nach und nach steigen auch andere in seine Idee ein und setzen auf das Platzen der Immobilienblase. Allerdings läuft nicht alles zunächst nach Plan, denn keiner hat mit den betrügerischen Machenschaften der Banken gerechnet.
Doch dann passiert es: Der Zins für Interbankkredite wird angehoben, der Großteil der US-Hausbesitzer kann die Hypotheken nicht mehr bedienen und es tritt ein, was Burry prophezeit hat. Er und andere werden dabei reich – nur zu welchem Preis?

Adam McKay, der als Produzent und Regisseur vornehmlich seichte Komödien wie Ricky Bobby, Anchorman oder den furchtbaren Stiefbrüder verantwortete, hat damit in den USA mächtige Erfolge feiern können, während die (meist mit Will Ferrell besetzten) albernen Zelluloidwerke hierzulande fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Künstlerisch anspruchsvoll war indes keiner seiner Filme. Und dann nimmt er Michael Lewis‘ (Moneyball) Sachbuch in die Hand und inszeniert DIE schwarze Tragikomödie des Kinojahres 2015. Belohnt wurde McKay (und natürlich auch The Big Short) mit einer Oscarnominierung für den besten Film, Nebendarsteller, adaptiertes Drehbuch, den besten Schnitt und die beste Regie – gar nicht übel für einen, der üblicherweise der Zote den Vorrang vor hintergründigem Witz gibt. The Big Short allerdings ist geradezu sensationell geworden. Einer der genialsten Winkelzüge des Films ist die Art, wie er dem Zuschauer seinen unverständlichen Inhalt klarmacht. McKay ballert die Informationen nur so raus und verursacht damit erst einmal Kopfschmerzen beim Betrachter. Dann jedoch lässt er Ryan Goslings Figur Jared Vennett, die den Film aus dem Off kommentiert, schlicht und einfach fragen: „Sie verstehen nichts? Das ist so gewollt“. Mit diesem einfachen Satz destilliert Vennett, was den Immobilienmarkt ausmacht. Man soll überhaupt nicht verstehen, was da passiert, denn dann käme man ja dahinter, was für ein großer Haufen Schei*e da zusammengebraut wird. Ergänzend dazu lässt The Big Short unbeteiligte Normalos anhand großartig locker integrierter Beispiele erklären, wie die Blase entstehen konnte oder was CDOs sind. Wenn Vennett Mark Baum und seinen Kollegen anhand eines wackligen Jenga-Turm erklärt, wie die Anleihen und Tranchen funktionieren und zusammenbrechen werden, dann wird das sogar dem unbedarftesten Finanz-Nichtversteher klar. Natürlich wird immer noch eine Fülle an Informationen vermittelt, die man allesamt so schnell nicht auffassen kann, doch das passiert trotz der Lauflänge von 130 Minuten eben zu keiner Zeit langweilig, sondern stets unglaublich unterhaltsam und voll schwarzem Humor. Süffisant und voller Sarkasmus kommentiert der Film die Zeit zwischen 2005 und 2008, wirkt dabei hin und wieder zwar etwas zerklüftet episodenhaft, was das unfassbar gut aufgelegte Cast aber wieder wettmacht. Allen voran Christian Bale als Michael Burry. Die oscarnominierte Performance zeigt erneut, dass Bale zu den ganz Großen gehört – unabhängig davon, ob er in Big-Budget-Unterhaltungsfilmen agiert oder eben in den vielschichtigen Dramen mitspielt. Bale schafft es, mit gezielter Mimik und Gestik zu vermitteln, dass er die Zahlen des Immobilienmarkts tatsächlich „gelesen“ hat. Dazu schafft er es sogar ohne jede Praxis „mal eben“ richtig getaktet Schlagzeug zu spielen und mit den Sticks umherzuwirbeln –  selbst wenn Letzteres nur die Drummer unter den Filmfans interessieren wird.

Die zweite Bank von Big Short ist Steve Carrell. Der spielt meist in den albernen Filmen mit, die McKay ansonsten inszeniert, glänzt aber vor allem immer dann, wenn er ernste Rollen darstellt (vgl. Little Miss Sunshine). Sein Mark Baum ist praktisch frei von Humor und wütet sich durch den Film – großartig. Ryan Gosling in der Rolle des überheblichen Deutsche-Bank-Managers und Kommentators Vennett ist mal nicht so hübsch wie sonst, spielt seine arrogante Rolle aber überzeugend und voller Inbrunst. Brad Pitt (mit Vollbart und langen Haaren) darf dazu als Ex-Aussteiger eine exzentrische Figur spielen, die unter dezentem Verfolgungswahn leidet und zum Schutz vor den Abhörverfahren der NSA ungefähr 15 Telefonanschlüsse hat. Schauspielerisch und rein inhaltlich ist Big Short damit absolut auf der sicheren Seite. Hinzu kommt das Werk von Kameramann Barry Ackroyd, dessen dynamische Arbeit mit Zooms, Teleobjektiven und Wackelkamera dem Film einen dokumentarischen Anstrich verpasst, ohne wie eine dröge Doku rüberzukommen. Auch der Soundtrack und Filmscore funktioniert vorzüglich, passt jederzeit zum Geschehen – ob das nun Burrys Leidenschaft für Heavy Metal ist (selten genug, dass man derart harte Klänge zu hören bekommt) oder Hip-Hop-Sounds zu Bildern des Turbokapitalismus. Kritik darf man sicherlich üben, wenn man sich nach gut 80 Minuten etwas in den dramatischen Entwicklungen verzettelt. Hier reichen die Erklärungen dann nicht mehr vollständig aus, um den Film zu erklären. Außerdem kommen die persönlichen Schicksale der Hausbewohner anfänglich ein wenig zu kurz. In einer Szene befragen zwei Analysten von Mark Baum diejenigen, die ihre Rate seit längerem nicht bezahlt haben. Dabei begegnen sie auch einem Vater, der in einem der Häuser zur Miete wohnt und diese pünktlich zahlt – im Gegensatz zu seinem Vermieter, der seit 90 Tagen die Hypothek nicht mehr bedient hat. Zu Recht fragt sich der Mann, ob er dann bald wieder ausziehen müsse? Am Ende der Immobilienblase sind die Verlierer immer die normalen Menschen, die mit dem ganzen Geschäft nichts zu tun hatten – diejenigen, die daran geglaubt haben, dass das System funktioniert. Die ganz großen Banken (und Verbrecher hinter dem Zusammenbruch) bekamen Staatskredite, um nicht unterzugehen.

Bild- und Tonqualität

Adam McKay legt die Optik seines Big Short an wie große Genre-Vorbilder im Stile von Wall Street oder American Hustle. Die teils wacklige Kamera, die oft aus dem Hintergrund mit Zooms arbeitet und Details im Vordergrund extrem unscharf „in den Weg stellt“, um eine halbdokumentarische Authentizität herzustellen, präsentiert seine Figuren nicht immer im Fokus. Hinzu gesellen sich starke Farbfilterungen, die zwischen kühlem Blau und deutlicher Grünfärbung schwanken. Schwarzwerte werden auf diese Weise oft verfälscht und der Kontrastumfang ist nicht selten nur mittelmäßig. Meist sind die Einstellungen etwas zu hell, was entsprechende Lichthintergründe überstrahlen lässt. Das außerdem integrierte, deutliche Korn passt ebenfalls gut zum Look – selbst wenn das alles technisch nicht sonderlich hübsch aussieht. Was beim Bild noch als Stilmittel durchgeht, muss beim Ton allerdings objektiv kritisiert werden:
Die größtmögliche Qualitätsspreizung zwischen zwei unterschiedlichen Tonformaten läge vor, wenn ein Anbieter eine Tonspur mit dem digitalen Steinzeitsound Dolby Digital und die andere mit einem hochmodernen Tonsystem wie Dolby Atmos oder ähnlichem belegen würde – Herzlichen Glückwunsch Paramount, denn ihr habt es geschafft. Klotzt die englische Fassung mit dem ultraaktuellen dts:X-Sound, hört der deutsche Zuschauer in die Röhre eines nun über 20 Jahre alten und vollkommen überholten Tonformats. Es ist einfach unbegreiflich, warum man nicht ein paar wenige Gigabyte mehr freischaufeln kann, um den deutschen Ton gleichwertig gemastert auf die Disk zu pressen, denn seltsamerweise schaffen dies die allermeisten kleinen Anbieter. Wer also ohnehin gerne im Original schaut und der englischen Sprache auch in Dialogfilmen gut folgen kann, der darf sich nun (falls er im Besitz einer dts:X-fähigen Kette ist) über einen multidimensionalen 3D-Sound freuen. dts:X ist ebenso wie wie Auro 3D oder Dolby Atmos objekt- und nicht lautsprecherbasiert und liefert so auch eine zweite Höhenebene. Hinzu kommt, dass man per „Dialog Control“ den Pegel der Stimmen isoliert anheben oder absenken kann. Ist man noch nicht im Besitz eines dts:X-fähigen Systems, downmixt sich der Ton von The Big Short hinunter auf einen äußerst lebhaften, extrem weiträumigen dts-HD-Master-Sound. Unglaublich, wie unmittelbar die Stimmen der Rap-Sänger im Song bei 23’00 neben dem Zuschauer zu stehen scheinen, während sie auf der (auch dynamisch schwachen) Dolby-Digital-Spur auf einer frontalen Bühne auftreten. Atmosphäre auf dem Flughafen, in Außenszenen oder geschäftigen Büroräumen – all das bleibt auf der deutschen Tonspur vordergründig und liefert nur dezente Effekte. Hinzu kommen die Stimmen, die über die Originalfassung prägnanter, kräftiger und besser rüberkommen als über die schwachbrüstige Synchro. Und selbst wenn man die hiesige Fassung deutlich lauter macht, kommen direktionale Sounds einfach hörbar undynamischer und frontaler rüber als im Original (Alligator 45’36). Ähnliches gilt für Songs aus der Konserve wie Metallicas Master of Puppets, das Bale während des Lesens hört (45’52). Während die dts-HD-Master- (bzw. dts:X)-Spur dies fulminant aus allen Rohren feuert, sind die besungenen Puppen im Deutschen wohl aus Watte.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Big Short halten sich insgesamt fünf entfallene Szenen sowie die gleiche Anzahl an Featurettes auf. Im ersten „Tranchen finden“ geht’s um die hochkarätige Besetzung des Films. Adam McKay vermittelt glaubwürdig, dass man absolut überrascht war, all diese berühmten und talentierten Akteure zu bekommen. Nach und nach bekommt jeder seine Bühne und man nimmt als Zuschauer teil, wie sehr die Schauspieler vom Film und der Geschichte überzeugt waren. In „Der große Sprung: Adam McKay“ charakterisieren die Darsteller im Gegenzug ihren Regisseur. Die „Figuren von Big Short“ dringt dann noch tiefer in die Charaktere ein und lässt auch den Autor des Buches sowie die realen Personen zu Wort kommen. In „Das Kartenhaus: Der Beginn des Einsturzes“ entlarvt nicht nur die Blase selbst, sondern auch die Fachtermini, die bewusst kompliziert gewählt werden, damit jeder, der sie nicht versteht, sich dumm und klein fühlt. „Nachbildung einer Ära“ schließlich kümmert sich darum, dass der Film aufgrund des Jahres 2008, das er beschreibt nur bedingt ein zeithistorisches Werk ist. Immerhin leben wir rein optisch immer noch in der Welt von 2008. Zudem gibt es keine wirklichen Actionszenen und die meisten Aufnahmen sind Innenraumsequenzen. Man bemühte sich also, die Szenen trotzdem immer lebhaft und lebendig zu halten. Barry Ackroyd, der Kameraman von Big Short setzte dafür die schon weiter oben beschriebenen Teleobjektive ein, um eine Art voyeuristischen Effekt zu erschaffen. Auch viele Detail-Close-ups wurden integriert, damit ein scheinbar simples Telefonat auch noch dynamisch wirkt. Ackroyd war mit seiner Kamera vielmehr unter den Schauspielern als dass er diese vor ihr agieren ließ.

Fazit

The Big Short ist gleichzeitig entlarvend und voller Witz, ist großes Schauspiel gleichermaßen wie hervorragend inszeniertes Kino. Wer sich für die Finanzentwicklungen der damaligen Zeit (die noch heute Auswirkungen haben) nicht interessiert, wird sicher nicht immer folgen können. Allen anderen stellt Adam McKay in seinem Film zahlreiche einleuchtende Erklärungen und Beispiele zur Seite, um das Platzen der Immobilienblase zu veranschaulichen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 50%
Film: 85%

Anbieter: Paramount Home
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Adam McKay
Darsteller: Christian Bale, Steve Carell, Brad Pitt, Ryan Gosling, Marisa Tomei, Melissa Leo
Tonformate: dts:X (dts HD-Master 7.1 Core): en // DD 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 130
Codec: AVC
FSK: 6

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