Blu-ray Review
OT: The Big Ugly
Einsam an der Spitze
Rachedrama meets Neor-Noir-Thriller.
Inhalt
Harris ist ’ne große Nummer in London. Ein Gangster von Format und mit seinem zupackendem Handlanger Neelyn durchaus gefürchtet. Doch es gibt ein Problem, das alles Mafiosi haben: Zu viel Geld. Und das will gewaschen werden. Also beschließt Harris, seinen alten Buddy Preston in den USA zu besuchen. Dort will er in dessen Ölunternehmen investieren. Gemeinsam mit Neelyn und dessen Freundin Fiona reist er nach West Virginia. Der Deal wird dann angemessen begossen und in einer Bar feuchtfröhlich bei Alkohol, Drogen und nackten Frauen gefeiert. Da Neelyn aber seine Hitzkopf nicht unter Kontrolle hat, fängt er fast einen handfesten Streit mit Prestons Sohn Junior an. Mit Mühe und Not kann Fiona ihn beruhigen und ins Hotel zurück bringen. Als Neelyn dort am nächsten Morgen aufwacht, hat er nicht nur einen üblen Hangover, es fehlt auch jede Spur von Fiona. Einige Nachforschungen später findet er sie tot in einem kleinen Flußlauf in der Nähe. Unter Verdacht gerät schnell Junior, eben jener Typ, mit dem sich Neelyn Nachts zuvor bekriegt hatte. Und weil Neelyns Gefühle nicht mehr zu bremsen sind, sinnt er auf Rache. Selbst wenn dadurch der Deal seines Boss‘ mit Preston in Gefahr geraten sollte …
Ein leichtes Zusammenziehen der Zähne und ein gepresstes Einatmen kann man kaum vermeiden, wenn man in der Besetzungsliste eines Films auf Vinnie Jones, Ron Perlman und Malcolm McDowell trifft. Jeder für sich hatte zweifelsohne absolut großartige Filme, aber leider auch sehr viel Murks in der Vita. Gerade Jones spielt seit den glamourösen Tagen unter Regisseur Guy Ritchie vornehmlich in Actionfilmen mit, die noch unter dem Niveau der Cage- oder Travolta-Machwerke der letzten Jahre rangieren. Aber man gibt ja die Hoffnung niemals auf und in The Big Ugly verspricht ja schon alleine das Setting in West Virginia eine gewisse Atmosphäre. Und nicht nur das. Der mit Anleihen an John Wick erdachte Rachethriller lässt durchaus Emotionen zu und bietet Jones endlich mal die Möglichkeit, ein bisschen abseits seiner Ich-kneife-die-Zähne-zusammen-und-schaue-böse-Performances zu agieren. Und das tut er. Hier ist er mal nicht „nur“ der grimmige Kerl, der wie eine laufende Schrankwand durch seine Gegner pflügt, sondern durchaus einer mit Herz und Emotionen. Deshalb wirkt sein Gesicht dieses Mal durchaus nuanciert(er) und zeigt bisweilen Anflüge von echtem Schmerz. Auch sieht Jones erstaunlicherweise ziemlich abgerissen aus, was gut zu der Figur eines Typen passt, der jahrelang die Drecksarbeit erledigen musste und dessen Fels in der Brandung nun fortgespült wurde. Bei aller berechtigter Kritik, die er zuletzt bspw. für seine Steven-Seagal-ähnliche „Leistung“ in Vengeance Man bekam, zeigt er hier so etwas wie echtes Schauspiel.
Ron Perlman, den viele zuletzt sicherlich durch die TV-Serie Sons of Anarchy lieben gelernt haben, sah in dem von Regisseur Scott Wiper und Paul Tarantino (nein, nicht verschwistert mit Quentin) gleich so viel Magie, dass er nach dem Lesen der 11. Seite bereits zusagte. Eben jener Stelle, mit der sein Filmcharakter eingeführt wird. Und was ist das für eine großartige Szene: Da kreuzt der loyale, seinem Land und dem, was Gott ihm gegeben hat, ehrfürchtig ergebene Preston den Weg von ein paar Rednecks, die an ihrem Pick-up eine Südstaatenflagge befestigt haben. Anstelle von Beifall klatscht es jedoch eine verbale Schelle, wenn er den Jungs sagt, „diese Scheiße habe sein Land auseinander gerissen“. Politik sei ihm egal, denn er glaube an Gewinnen und Verlieren. Wenn sie die Flagge einfach nur so herumwedeln, zeigten sie damit nur, dass sie Verlierer seien. Wenn sie ernsthaft Flagge zeigen wollen, sollen sie erst einmal etwas gewinnen.
Perlman hinterlässt damit eine Duftmarke, die den Film direkt vom üblichen Genrekram abhebt.
Witzigerweise hatte VInnie Jones das Skript zu Perlman gesendet, da dieser praktisch im Alleingang die Gelder für den Film organisierte und zugleich als Produzent auftrat.
Und Jones‘ Charakter dominiert den Film weitgehend. Dabei sollte man hier keinen schnell gepaceten und atemlosen Actionthriller erwarten. Vielmehr beschwört The Big Ugly über seine Art des Filmens, über die eher melancholische Filmmusik und über Jones‘ zunächst zurückgenommenes Spiel eine drückende, dem Neo-Noir-Film nicht unähnliche Stimmung. Selbst wenn sein Neelyn die Herzdame letztlich findet, wird das nicht zum Selbstzweck ausgeschlachtet, sondern erstaunlich bewegend gefilmt.
Und selbst wenn sich daran ein Akt der Rache anschließt, so wird auch das stilvoll und behände inszeniert. Sinnloses Haudrauf ist weder Sache von Regisseur Wiper noch vom Drehbuch selbst. Der Film nimmt sich Zeit. Er begegnet seinen Figuren mit Respekt und findet eine Menge Grau zwischen dem Schwarz und dem Weiß. Außerdem hat die Kamera auch mal ein Auge darauf, wo sich jene befinden, die vom System und der Gesellschaft ein bisschen verlassen wurden.
Ja, man muss sich hier und da auf das langsame Erzähltempo einlassen, aber rein darstellerisch und atmosphärisch sticht The Big Ugly aus dem Einerlei heraus. Und das ist für alle Beteiligten bereits mehr als man sich aufgrund der Besetzung zunächst gedacht hätte.
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
Bild- und Tonqualität UHD
Da die 4K-Scheibe von The Big Ugly keine Blu-ray enthält und ich nur diese zu Rezensionszwecken erhalten habe, entfällt an dieser Stelle ausnahmsweise die Bewertung der Blu-ray. Die UHD-BD zeigt sich beim Ton ohnehin unverändert und liefert (analog zur Blu-ray) DTS-HD-Master fürs Deutsche und Englische.
Aber zunächst zum Bild: Der auf einer BD-66 untergebrachte Film ist technisch zunächst mal ein Fragezeichen. Denn man findet praktisch keine Angabe über die verwendeten Kameras oder die Auflösung des Digital Intermediate. BIS man über ein Interview mit Kameramann Jeremy Osbern stolpert. Und dann wird’s sogar interessant. Denn The Big Ugly ist der erste abendfüllende Film, der mit der neuen RED Gemini aufgenommen wurde. Diese wurde vor allem für Aufnahmen bei Dunkelheit modifiziert, was den langen Nachtszenen des Films helfen sollte. Die mit ihr möglichen, sehr hohen ISO-Zahlen reduzierten den Aufwand, der für die Beleuchtung gemacht werden musste, was dem Film ein ganz besonderes Flair bringen sollte. Die RED Gemini nimmt dabei mit 5K auf. Tatsächlich war aber dann doch nicht zu erfahren, in welcher Auflösung ein Digital Intermediate erstellt wurde. Ohne die Blu-ray im Vergleich sehen zu können, ist es also fast unmöglich, eine Aussage über die native Auflösung des Films auf der UHD-BD zu treffen.
Auf der anderen Seite ist die Detailauflösung in der fokussierten Mitte durchaus hervorragend. In der fokussierten Mitte deshalb, weil die Kamera oft mit Randunschärfen arbeitet. Am oberen und unteren Bildrand wird’s deshalb schon mal bewusst softer. Die mit ~3000 Nit in den Spitzhelligkeiten gemasterte UHD-BD sorgt dabei für absolut knackige Kontraste und eine hohe Bilddynamik bei den Außenszenen unter Sonnenschein. Die zahlreichen dunkleren Innenraumszenen werden durch prägnante Spitzlichter in den Neonröhren oder anderen Leuchtquellen ergänzt, während Hautfarben zwar kräftig, aber nicht überbetont erscheinen. Die Durchzeichnung ist meist gut, auch wenn in den dunklen Momenten schon mal farbig-körnige Streifen über dem Bild liegen (13’37) und hier und da Schattenbereiche ein paar Einzelheiten mehr darstellen dürften. Da man die RED-Gemini-Kamera vornehmlich einsetzte, um in der Düsternis zu filmen, darf an dieser Stelle natürlich die Frage erlaubt sein, ob schon das Ausgangsmaterial vom Chip der Kamera mitunter leichte Schwierigkeiten mit den Gegebenheiten offenbart, oder erst die anschließende HDR-Postproduktion und das Grading dafür verantwortlich ist.
Je eine DTS-HD-Master-Spur gibt’s für die englische und die deutsche Tonfassung. Und sie beginnt mit einer hervorragend-präsenten Stimmwiedergabe von Vinnie Jones‘ Synchronsprecher. Der sich kurz darauf lösende einzelne Schuss, durchreißt die Stille hörbar und sorgt für einen kurzen dynamischen Peak – wirklich hübsch. Wechselt die Szenerie nach einer Viertelstunde in die Bar, darf die Band sogar mal ein wenig den Bassbereich kitzeln, der bis dato etwas unterversorgt blieb. In der Folge bleibt es allerdings erst einmal eine Weile lang ziemlich ruhig und die Lautsprecher bekommen nicht allzu viel zu tun. Der Score hält sich oft im Hintergrund und die Konzentration liegt auf den sehr gut verständlichen und harmonisch eingebetteten Dialogen. Das darf man aber ruhig positiv sehen, denn selbst das schaffen andere Filme nicht immer perfekt. Sprechen dann mal die Fäuste, wird der Score etwas bedrohlicher und dynamischer, was entsprechend wiedergegeben wird. Exorbitante Surroundaktivität bleibt allerdings längere Zeit eher Mangelware. Bis nach knapp einer Stunde die Stimmen in Neelyns Kopf umherwandern und für eine sehr räumliche Darstellung sorgen. Wenn’s dann nach knapp 77 Minuten mal so richtig rappelt im Karton, reicht das Ganze dann noch einmal recht weit in den Tiefbasskeller hinunter und macht im potenten Heimkino richtig Spaß.
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Bonusmaterial
Prgrammtipps und Trailer gibt’s im Bonusmaterial. Ansonsten herrscht hier Ebbe. Dabei hätte man gerne mal wieder einen kleinen Hintergrundbericht darüber gehabt, wie Vinnie Jones‘ Karriere zuletzt verlaufen ist. Auch Ron Perlman ist stets ein angenehmer und freundlicher Interviewpartner. Schade, dass man beim Bonusmaterial oftmals doch wieder in die Röhre schauen muss.
Fazit
The Big Ugly ist kein Rache-Actioner im Stile eines John Wick. Die Anleihen, die Scott Wiper beim Keanu-Reeves-Megahit nimmt, sind eher auf grundlegende Motive des Protagonisten zurück zu führen, nicht auf die Handlungen. Der stimmungsvoll inszenierte Film lebt von seiner Atmosphäre und den gut aufgelegten Darstellern. Das ist – ausgehend von dem, was die letzten Filme mit Vinnie Jones vermuten ließen – schon mehr als man erwarten durfte und damit durchaus einen Blick wert.
Die UHD-BD lässt das Bild in den hellen Szenen sehr dynamisch und kontrastreich erscheinen. In den dunklen Szenen gibt’s schon mal etwas stärkeres, manchmal auch farbiges Rauschen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität UHD: 75%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 75%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 10%
Film: 65%
Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Scott Wiper
Darsteller: Vinnie Jones, Malcolm McDowell, Ron Perlman, Nicholas Braun, Leven Rambin, Lenora Crichlow
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 107
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Disk-Kapazität: BD-66
Real 4K: Ja/Nein (?? DI)
High Dynamic Range: HDR10, Dolby Vision
Maximale Lichtstärke: 3057 Nit
FSK: 16
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Capelight Pictures)
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Trailer zu Big Ugly
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.