The Captive – Spurlos verschwunden

Blu-ray Review

The Captive Spurlos Verschwunden Blu-ray Review Cover
Ascot Elite, seit 27.01.2015

OT: The Captive

 


Acht Jahre

Atom Egoyan inszeniert in The Captive ein Psychogramm aus der Triangel Entführer, Entführte und Zurückgebliebene.

Inhalt

Matthew hat seine kleine Tochter Cassandra gerade vom Eislaufen abgeholt und hält noch mal kurz beim nächstgelegenen Diner, um das gemeinsame Abendessen zu organisieren. Als er zwei Minuten später zurückkommt, fehlt von Cass jede Spur. Der aufgelöste Matt wird von den Detectives Dunlop und Cornwall vernommen, die spezialisiert sind auf solche Fälle. Während des Verhörs verwickeln die beiden Beamten Matthew geschickt in Widersprüche, woraufhin der selbst in Verdacht gerät. Die Zweifel sind gesät, seine Frau Tina gibt ihm ohnehin die Schuld und plötzlich ist nicht nur das gemeinsame Kind weg, sondern auch die Ehe zerbrochen. Dann, eines Tages finden die beiden Polizisten im Internet ein Foto von Cass. Es dient online dazu, um weitere Kinder anzulocken und so den Ring von Kinderschändern bei „Laune“ zu halten. Ist dieser Hinweis die erste Möglichkeit, dem Täter auf die Spur zu kommen?

Atom Egoyan, der zuletzt noch mit Devil’s Knot zeigte, dass er schwierige Themen versiert und sensibel umsetzen kann, liefert mit The Captive – Spurlos Verschwunden einen seinen bisher besten Film ab. Die von ihm selbst geschriebene Geschichte um die Entführung eines jungen Mädchens und die späten die Auswirkung dieser Tat auf die Familie und das Umfeld, ist fernab von jeder oberflächlichen und effektheischenden Vordergründigkeit und taucht tief in die Psychologie seiner Figuren ein. Konzentriert entfaltet sich die Geschichte, die zunächst viel Aufmerksamkeit fordert, da Egoyan anfänglich oft in der Zeit springt, von hinten nach vorne. Ein Puzzleteil nach dem anderen legt der Regisseur auf den Tisch, sodass sich der Zuschauer das Gesamtbild selbst zusammenlegen muss. Dabei fokussiert er sich vor allem auf das Enführungs- sowie auf die Jahre sieben und acht nach dem Kidnapping. Dieser Kniff ermöglicht The Captive, die herangewachsene Cassandra zu zeigen, wie sie in ihrem Verlies vom Kidnapper über Jahre gehalten wurde. Auch der Entführer selbst wird auf diese Weise vorgestellt – ihm gebührt gar die erste Szene.

Immer wieder ist es tatsächlich Kevin Durand (oft für eher grobschlächtige Psychopathen besetzt), der in der Rolle des pervertierten Mika für Gänsehautmomente sorgt. Wenige Gestiken (man beachte seine Hände) reichen bisweilen aus, um darzustellen, dass mit diesem Typen etwas nicht stimmt. Mit brüchiger Stimme und in sich gekehrten Bewegungen taucht Durand in die anspruchsvolle Rolle eines Entführers, Kinderschänders und Kontrollfreaks ein und liefert die vielleicht bisher beste Leistung seiner Karriere. Sein Gegenspieler Ryan Reynolds zeigt nach einigen kleinen Filmen erneut, dass er mehr kann, als in einem albernen grünen Superheldenanzug die Laterne zu halten. Von ihm fordert The Captive, dass er den Schmerz durch die Entführung und die Anschuldigungen seiner Frau erträgt und dennoch genug Lebenskraft behält, um die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit der eigenen Tochter aufrecht zu erhalten. Dabei variiert er zwar nur selten seinen bekannten melancholischen Blick, doch hier passt’s zur Rolle und den entsprechenden Emotionen. Der undankbare Part bleibt für Mireille Enos (The Killing, World War Z), die zwar gebührend zusammenbrechen darf, sich danach aber auf etwas platte Anschuldigungen ihrem Mann gegenüber reduzieren muss. Rosario Dawson und Scott Speedman als Einsatzteam machen Dienst nach Vorschrift. Leider wird gerade die Figur der Entführten Cassandra zu wenig beleuchtet. So erfährt man nur sehr wenig über die Gefühle der seit acht Jahren Eingesperrten und bekommt auch nur am Rande mit, dass sie ihren Kidnapper nach und nach zu manipulieren beginnt.

Während die Atmosphäre in der verschneiten Gegend Kanadas bestens zum Film und seinen Charakteren passt, die allesamt über die Jahre nach der Entführung kühl geworden sind, lässt sich Egoyan im zweiten Teil des Films auf eine Nebengeschichte ein, die dem ohnehin schon ruhigen Erzähltempo bisweilen den Fluss raubt. Für die Geschichte weitgehend unerheblich, in sich nicht wirklich spannend und am Ende viel zu beiläufig aufgelöst, hätte der Regisseur besser daran getan, diese 15 Minuten im Schneideraum zu lassen und seinen Film dort auch ein wenig zu ordnen. Denn so interessant, wie es meist ist, sich die Zeiten und Ereignisse zusammenzureimen, so befremdlich wird’s dann, wenn man diese normalerweise über die Einblendung einer Jahreszahl vermittelt bekommt, dann aber plötzlich ein „2013 – Before“ auftaucht, da die folgenden Ereignisse eben erst vor kurzem – und zwar VOR dem zuletzt gesehenehen stattfanden. Hier stolpert The Captive dann ein wenig über sein eigenes Prinzip, das ohnehin schon einiges an Konzentration erfordert und nicht nur an dieser Stelle überkonstruiert wirkt.

Bild- und Tonqualität

Die Blu-ray von The Captive – Spurlos Verschwunden hat ein recht ruhiges, rauscharmes Bild, das bisweilen etwas arg hell wirkt. Scott Speedman beispielsweise sieht während der Szenen, die 2005 spielen, richtiggehend kränklich aus. In dunkleren Bereichen saufen Details dann plötzlich sichtbar ab. Die Schärfe bleibt durchgängig eher durchschnittlich, die Farben wirken natürlich, stechen vor dem weißen Schnee, der den Hintergrund der kanadischen Landschaft dominiert, teilweise lebhaft hervor. Beim Ton von The Captive darf man kein räumliches Wunder erwarten. Hin und wieder meinten es die Sounddesigner etwas zu gut und es ertönt eine Stimme aus den Rears, um zu verdeutlichen, dass der Protagonist sich hinter der Kamera befindet. Das ist allerdings so aufdringlich, dass es eher unnatürlich wirkt. Ansonsten legt sich der Klaviersoundtrack mitunter räumlich ab und der Center liefert gut verständliche Dialoge.

Bonusmaterial

Neben einem Originaltrailer und einigen Programmtipps befinden sich eine B’Roll von knapp 7,5 Minuten Länge sowie insgesamt sechs Interviews im Bonusmaterial von The Captive.

Fazit

The Captive – Spurlos Verschwunden ist ein sehr gut gespieltes und atmosphärisch inszeniertes Psychodrama, das um eine Viertelstunde entschlackt noch eindringlicher funktioniert hätte.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 20%
Film: 75%

Anbieter: Ascot Elite
Land/Jahr: CA 2014
Regie: Atom Egoyan
Darsteller: Ryan Reynolds, Scott Speedman, Rosario Dawson, Kevin Durand, Mireille Enos, Alexia Fast
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 112
Codec: AVC
FSK: 16

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!