The Circle

Blu-ray Review

The Circle Blu-ray Review Cover
Universum Film, 26.01.2018

OT: The Circle

 


Ein Guppy im sozialen Fischteich

Tom Hanks und Emma Watson in einem dystopischen Film nach dem Roman von Dave Eggers.

Inhalt

Mae ist 24, arbeitet nicht gerade sonderlich glücklich im Callcenter der Wasserwerke und ihr Kleinwagen ist gerade dabei, den Geist aufzugeben. Um aus all dem rauszukommen, hat sie sich vor Kurzem beim hippen Superkonzern „The Circle“ beworben. Der setzt sich für eine bessere Welt ein und nutzt dafür sämtliche ultramoderne Technologien. Überglücklich über die Einladung für ein Vorstellungsgespräch begibt sie sich voller Tatendrang in die Höhle des Löwen. Sie wird angenommen, soll in der Online-Kundenbetreuung beginnen, könnte sich aber von dort aus hocharbeiten. Zunächst mal ist sie aber völlig beeindruckt von der scheinbar vollständig autarken Welt, in der die Tausendschaft an Mitarbeitern jeden Tag lebt und von Sportkursen bis zum Yoga für Hunde praktisch alles wahrnehmen kann, was der menschliche Verstand sich vorzustellen in der Lage ist. Auch die erste Präsentation von CEO Eamon Bailey beeindruckt sie, wenngleich sie es etwas gruselig findet, dass der Aufzug mit Monitoren ausgestattet ist und bei ihrem Eintritt gleich mal peinliche Kindheitsfotos aus den sozialen Netzwerken fischt und gut sichtbar projiziert. Von Bailey bekommt sie auch die Motivation eingeimpft, nach der The Circle handelt. Der Vorstandsvorsitzende ist nämlich überzeugt, dass man alle Probleme der Welt lösen könne, wenn man einfach alles über jeden wüsste. Sogar den Welthunger könne man dann auslöschen.
Je anonymer man allerdings sei, desto heimlicher tue man. Und Heimlichkeit wäre der Auslöser für Probleme. Die neueste Erfindung des Konzerns zielt genau darauf ab, den Menschen noch gläserner zu machen: Eine kleine Kamera namens SeeChange, die man überall fast unsichtbar anbringen kann, damit sie jeden Winkel der Welt beobachten und im Internet hochladen kann. Mae wird dieser Erfindung bald ihr Leben verdanken und entwickelt sich daraufhin zu einer Art Gesicht des Konzerns. Dafür soll sie von nun an eine 24/7-Kamera am Körper tragen, sodass jeder Mensch ihr Leben zu jeder Sekunde beobachten kann. Eine Entwicklung, die ihre Liebsten bald mit Sorge betrachten und die Auswirkungen auf alles haben wird …

Man stelle sich vor, google, amazon, apple, facebook, ebay, youtube und sämtliche anderen relevanten Großfirmen und Internet-Größen wären ein Konzern. Man stelle sich weiter vor, dieser Konzern würde für die Menschen einfach alles machen und alles übernehmen. Man bräuchte nichts mehr selbst zu organisieren. Alles wäre unter einem Dach.
Was für die einen cool klingen mag, ist für die anderen die reinste Horrorvorstellung (und für Aluhut-Träger ohnehin schon Realität). Dave Eggers hat aus dieser Prämisse mit The Circle einen Roman fabriziert, der nicht von ungefähr an Orwells 1984 erinnert. Denn es dauert nur knapp 30 Minuten und Mae wird langsam unheimlich, welcher Druck auf sie ausgeübt wird, weil sämtliche Mitarbeiter plötzlich alles über sie zu wissen scheinen. Während Mae selbst ihrem Freund aus Kindheitstagen vorwirft, nicht kommunikativ (also nicht auf sozialen Netzwerken) unterwegs zu sein, wundern sich die anderen Mitarbeiter von The Circle darüber, dass die neue Kollegin nicht an den freiwilligen Kursen am Wochenende anwesend war, nicht zu den Abendveranstaltungen kam und sich noch keiner MS-Selbsthilfegruppe des Konzerns angeschlossen hat, wo ihr Vater doch an der Krankheit leidet.

Es sind diese Szenen, die dem Zuschauer eine ziemlich Gänsehaut bescheren. Denn obwohl sich UNSERE Realität noch nicht so darstellt, dass man von allen und jedem an jeder Ecke zu Dingen befragt wird, die man zuvor öffentlich gepostet hat, ist es doch an vielen Stellen zumindest in der Theorie möglich.
Man mag es immer noch abtun mit „och, so schlimm ist das doch alles gar nicht“. Doch der Prozess ist schleichend und eigentlich ist es schon schlimmer als man es vor 20 Jahren noch geglaubt hat. George Orwell, der 1984 im Jahre 1949 unter den Eindrücken des Zweiten Weltkriegs schrieb, würde jedenfalls kaum verwundert schauen, wenn er die heutigen Möglichkeiten sähe. Vielmehr würde er sich wohl bestätigt fühlen in seiner Denkweise vom kontrollierten Menschen – nur sieht es heute halt alles bunter und an der Oberfläche freundlicher aus. Dennoch: Man gebe der Welt einen charismatischen Führer … ähm … CEO, dazu coole Gimmicks, griffige Slogans und das vordergründige Beteuern, man mache das alles nur zum Wohle der Menschheit – und schon weiß man, dass ein Steve Jobs einer der modernen Verführer der Gesellschaft war. Man muss auch keinen Philosophie-Kurs belegt haben, um die Parallele zu erkennen, die The Circle zum Konzern mit dem Apfel herstellt – und das gilt nicht nur für die Computer-Monitore, die das Design praktisch 1:1 übernehmen.

Eine der beeindruckendsten Fragen, die der Film aufwirft, ist allerdings jene, die oldschool-Freund Mercer irgendwann stellt. Als Mae ihm sagt, er sei halt „nicht so kommunikativ“, entgegnet er, dass er doch gerade jetzt kommunikativ sei, da er sich mit ihr unterhalte.
Was die einen „Wandel“ in der Art der Kommunikation nennen, ist für die anderen der Untergang selbiger. Sicher, es gab auch schon Menschen, die den Buchdruck für Teufelswerk hielten. Doch ein bisschen anders sind die modernen Netzwerke dann doch. Und es ist durchaus berechtigt, sich über den Nutzen und die Leichtfertigkeit, mit der man mit facebook & Co. umgeht, Gedanken zu machen.
The Circle nimmt es allerdings bisweilen zu leicht. Gerade die Rolle der Mae ist viel zu naiv und bisweilen unverständlich unreflektiert. Emma Watson, die sich im wahren Leben sehr sozial engagiert zeigt, muss hier als naives Gör vom Lande agieren, die nicht mal einen Hauch Kritik offenbart. Selbst dann nicht, wenn ihr Freund Mercer ihr äußerst berechtigte Vorwürfe macht.
Die Tatsache, dass eine Überwachungskamera ihr kurz darauf das Leben rettet, reicht aus, um alle Bedenken (falls es welche gab) zu zerstreuen. Selbst die eindeutige Kritik, die Annie nach gut 65 Minuten vermittelt, sorgen bei Mae nicht für einen einsetzenden Gedankenprozess. Es ist fast etwas peinlich, Watson dabei zuzuschauen, wie ihre Figur sich instrumentalisieren lässt, ohne eine Spur von Reflexion – und das, während Annies Abstieg nicht mal ansatzweise erklärt wird. Ebenfalls bedauerlich ist die Tatsache, dass eine ziemlich wichtige Figur – die des Ty Kalden – praktisch aus dem Skript geschrieben wurde. So sehr, dass man sich manchmal fragt, was er überhaupt in der Story zu suchen hat. Die zarte Verbindung, die eigentlich zwischen ihm, der mittlerweile zum Kritiker des eigenen Werks wurde, und Mae entflammt, wird völlig an den Rand gedrängt und verändert. Das wird vor allem im Finale deutlich, das gegenüber dem Roman massiv abgeändert wurde. Hier kann sich der Film nicht zwischen dem deutlich krasseren Ende der Vorlage und einem gewissen Rache-Aspekt entscheiden. Ganz abgesehen davon, dass man die Motivation Maes schlicht nicht nachvollziehen kann.
Es bleibt ein Film, dessen Grundidee extrem wichtig ist und der viele unbequeme Fragen stellt, sich aber in der Umsetzung etwas unglücklich zeigt.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von The Circle ist überraschend schmuddelig und grau gehalten worden. Auf Hintergründen körnt es bisweilen extrem stark (5’40) und selbst Gesichter wirken wuselig und unruhig. Der erste Blick auf das Firmen-Imperium von „The Circle“ wirkt verwaschen und unscharf, weil das bewusste Korn so heftig ist und der Kontrastumfang eher mittelprächtig bleibt (5’45). Prinzipiell ändert sich an diesem offenbar gewollten Look nichts, denn Ausgangspunkt für die Aufnahmen war eine Red Epic Dragon Digitalkamera, die derartiges Korn nur bei hoher ISO-Zahl erzeugen würde. Da aber selbst die gut ausgeleuchteten Tageslichtszenen entsprechend aussehen, wurde hier offenbar nachträglich für eine analoge Stimmung gesorgt. Aus qualitativer Sicht ist das schade, denn selbst Close-ups von Emma Watson wirken nur mäßig plastisch und ihr Gesicht sieht etwas schmutzig aus.
Beim Sound dominiert von Beginn an vor allem der kongenial begleitende Filmscore, der überraschenderweise von Tim-Burton-Haus-und-Hof-Komponist Danny Elfman stammt. Tatsächlich kennt man den Musikschöpfer derart elektronisch gar nicht, was seine Titel für The Circle aber noch interessanter macht. Die Effektlautsprecher werden im Verlaufe aber nicht nur für die Musik genutzt. Sie lassen auch das Wasser der See rundherum anbranden, was gerade kurz vor dem Unfall eine schöne Räumlichkeit erzeugt (49’40). Auch das Geklatsche der Bailey-Fans gelangt extrem räumlich und dynamisch ins Heimkino. Dialoge sind über weite Strecken sehr gut verständlich. Allerdings leidet der Monolog von Tom Hanks zu Beginn unter teils hörbarer digitaler Kompression.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Circle wurden Kurzantworten zu diversen Fragen von insgesamt acht der Filmbeteiligten abgelegt. Das ist nicht sonderlich gehaltvoll und läuft insgesamt knapp 26 Minuten. Dazu gibt’s noch drei unterschiedliche Trailer zum Film.

Fazit

The Circle ist im Kern wichtiger als man denkt und sollte von jedem Nutzer sozialer Netzwerke gesehen werden, um die entscheidenden Fragen aufzuwerfen. Dass er filmisch und darstellerisch nicht ganz glücklich ist, kann nicht über das heikle Szenario hinwegtäuschen, in dem wir uns eigentlich alle schon lange befinden.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 30%
Film: 60%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA/Vereinigte Arabische Emirate 2017
Regie: James Ponsoldt
Darsteller: Tom Hanks, Emma Watson, Ellar Coltrane, Glenne Headly, Bill Paxton, Karen Gillan, Beck, Nate Corddry, Mamoudou Athie, John Boyega
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 110
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu The Circle

The Circle - Trailer 2 (deutsch/ german; FSK 12)

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