The Diary of a Teenage Girl

Blu-ray Review

The Diary of a Teenage Girl Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, seit 14.04.2016

OT: The Diary of a Teenage Girl

 


Flower Porno

Vom Erwachsenwerden einer jungen Frau in den 70ern.

Inhalt

Minnie lebt mitten in der Flower-Power-Zeit im Jahre 1976 und hatte gerade Sex. Das ist für das Teeenager-Mädel ziemlich außergewöhnlich und Grund genug, es ihrem Audio-Tagebuch mitzuteilen. Ebenso wie sie dem Cassettenrekorder mitteilt, dass ihre Mutter und deren neuer Freund Monroe ihre Beziehung nicht ganz so eng sehen. Anlass genug, es okay zu finden, dass der seine Hand auf Minnies Brust legte, während sie gemeinsam vor dem Fernseher saßen. Monroe war es dann auch, dem sie ihre Jungfräulichkeit schenkte. Während Minnie also weiter ihren Körper, ihre Lust und Sexualität entdeckt und dabei ihrem Streben nachkommt, eine berühmte Comiczeichnerin zu werden, distanziert sich Monroe wieder von der jungen Dame – sehr zu deren Leidwesen, die den 20 Jahre älteren Typen gerne für sich alleine hätte …

Ausgehend von einer äußerst mutigen Darstellung Bel Powleys (Side by Side) und flankiert von der ebenso provokanten Inszenierung hat man es bei The Diary of a Teenage Girl mit einem rundum gelungenen Mix aus Drama und Komödie zu tun. Marielle Heller, die zuvor auch als Darstellerin unterwegs war (Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones) hat sich für ihr Regiedebüt die Graphic Novel von Phoebe Gloeckner vorgenommen, die ebenso wie der Film mit der Vermischung von realer Erzählung und Comic-Strips arbeitet. Die sind nicht selten Stilmittel, um Minnies tagebuchartige Sprachaufzeichnungen zu visualisieren und ebenso oft erotischer Natur. Manchmal mag das ein wenig wie ein Fremdkörper wirken, doch gewöhlich kann ja jeder. The Diary of a Teenage Girl, der in den unterschiedlichsten Kategorieren beim Sundance-Festival oder auch auf der Berline ausgezeichnet wurde, schreckt auch vor vulgärer Sprache (wir befinden uns ja auch mitten in der Zeit der sexuellen Befreiung) und freizügigen Szenen nicht zurück (immerhin so freizügig, dass die Briten den Film erst als Volljährige zu Gesicht bekamen), bleibt dabei aber stets authentisch und nicht platt. Wenn Minnie als Erzählerin durch Diary … leitet, dann nimmt man ihr die Gefühlswelt vorbehaltlos ab – egal, wie oft sie das Wort „Ficken“ nutzt. Die sich langsam entfaltende Dramatik ist dabei ebenso glaubwürdig wie der eingestreute Humor, der vor allem dann den Ton bestimmt, wenn Minnies Ziehvater Pascal auf der Bildfläche erscheint. Das große Verdienst von The Diary of a Teenage Girl ist die Tatsache, dass man in ihm (neben dem Coming-of-Age-Thema) auch noch ein Statement für Feminismus sehen kann – einem unprätentiösen und unverklemmten Feminismus, der zur Abwechslung dankenswerterweise mal nicht mit der moralisierenden EMMA-Flagge wedelt. Auch das unterschwellig gegenwärtige Thema „sexueller Missbrauch“ wird nicht plakativ ausgenutzt, sondern sorgt eher für ein etwas unwohles Gefühl in der Magengegend. Bel Powley, die sicher nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, spielt die Minnie nicht nur mit dem Mut zur körperlichen Freizügigkeit, sondern verleiht der Protagonistin vor allem eine unerhörte Echtheit. Auch wenn man ihr (unmoralisches) Verhalten bisweilen nicht gut finden kann (nicht nur verführt sie den Freund ihrer Mutter, sondern nutzt auch noch einen Mitschüler aus) und sie deshalb auch nicht zur grundsympathischen Figur wird, so ist sie eben vollkommen authentisch – mit all ihren Wünschen, Ansprüchen und Unsicherheiten. Trotz all dieser Echtheit und der noch dazu herausragenden Ausstattung hat der Film ein Manko, das vielleicht nicht bei jedem gleichermaßen zum Tragen kommt: Durch Gründe, die sich beim Betrachten kaum erschließen, fällt es gleichermaßen schwer, eine emotionale Bindung zur Hauptfigur herzustellen.

Bild- und Tonqualität

Gemäß der Tatsache, dass Diary of a Teenage Girl in den 70ern spielt, ist das Bild optisch entsprechend an die Zeit angepasst: Die Farben sind entsättigt und noch dazu etwas braun-orange gefiltert. In den dunkleren Szenen lässt der Kontrast noch stärker nach als während der gut ausgeleuchteten Momente ohnehin schon. Die Schärfe bleibt schwach ausgeprägt und Objekte werden von einem leichten Schein umgeben.
In Sachen Akustik dominieren grundsätzlich die Dialoge, die ein wenig zu leise eingebettet wurden – zumindest im Gegensatz zum 70ies Musik-Score, der im Vergleich ziemlich laut, dafür aber auch sehr räumlich ausfällt. Weitere Aktzente sucht man über die gesamte Laufzeit hingegen bis auf ein paar atmosphärische Naturgeräusche vergeblich.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Diary of a Teenage Girl gibt’s einen Audiokommentar mit Regisseurin Marielle Heller und den Darstellern Bel Powley und Alexander Skarsgar. Dazu noch drei entfallene Szenen, ein 25-minütiges Questions & Answers mit den gleichen Teilnehmern wie beim Audiokommentar und ein 23-minütiges Making-of, das vor allem von den Motivationen der Darsteller spricht, mitgemacht zu haben. Auch die Entwicklung der Geschichte wird beleuchtet.

Fazit

Die Gefühlswelt eines Teenagers – The Diary of a Teenage Girl ist so echt wie das Leben – und das nicht nur in den 70ern, sondern ganz grundsätzlich. Mit einem Höchstmaß an Authentizität in Ausstattung, Schauspiel und Inszenierung dürfte Marielle Hellers Jugendporträt zu den realistischsten Charakterisierungen eines jungen Mädchens gehören, die es je auf die Leinwand gebracht haben. Einzig schade, dass man aus schwer nachzuvollziehenden Gründen nie so recht mit Minnie mitfühlen kann.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 50%
Film: 75%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Marielle Heller
Darsteller: Bel Powley, Alexander Skarsgård, Kristen Wiig , Christopher Meloni, Margarita Levieva
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 102
Codec: AVC
FSK: 16

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