The Dinner

Blu-ray Review

The Dinner Blu-ray Review Cover
Universum Film, 20.10.2017

OT: The Dinner

 


Das Reich der Affen

Moralische Fragen.

Inhalt

Stan Lohman hat seinem Bruder Paul und dessen Frau Claire gegenüber eine Einladung in ein exklusives Restaurant ausgesprochen, für das man gewöhnlicherweise gut drei Monate im voraus reservieren muss. Paul, der das angeberische Verhalten des gutsituierten Stan (seines Zeichens Abgeordneter des Kongresses) nicht leiden kann, würde sich zwar lieber ein Krebsgeschwür entfernen lassen, doch es gibt etwas Wichtiges zu besprechen. Bevor es aber dazu kommt, wird die Gesellschaft immer wieder unterbrochen, weil Stan ständig mit seinen Beratern über aktuelle Entwicklungen seiner Kandidatur zum Gouverneur sprechen muss. Eigentlich aber geht es darum, dass die beiden Söhne der Brüder eine verabscheuungswürdige Tat begangen haben, die noch dazu vom Adoptivsohn des Abgeordneten im World Wide Web hochgeladen wurde. Jetzt stellt sich die Frage: Vertuschen oder freiwillig melden …?

Die Story kommt euch bekannt vor? Das könnte daran liegen, dass Roman Polanski vor fünf Jahren mit Gott des Gemetzels ebenfalls zwei Ehepaare aufeinander prallen ließ, die über die körperlichen Streitigkeiten ihrer Kinder sprechen wollen und am Ende selbst jede angeblich erwachsene Kontrolle über sich verlieren. Oren Moverman (Love & Mercy) nutzt zwar eine andere Prämisse, in dem er die Kinder nicht als Kontrahenten, sondern als Komplizen einer Gräueltat schildert, doch das, was die Eltern in The Dinner daraus „machen“, ähnelt durchaus Polanskis Werk. Weitere Varianten in der Geschichte, die auf dem Roman Es ist angerichtet von Hermann Koch basiert, sind die Tatsache, dass die Väter Brüder sind und sich ohnehin nicht mögen. Außerdem bekommt das Spiel eine pikante Note: Immerhin bangt einer der beiden Herren um seine politische Zukunft, wenn die Tat der Söhne ans Licht kommen würde. Die Väter können sich gar derart nicht mögen, dass Paul den Gang zum gemeinsamen Restaurantbesuch mit den großen Kriegen und düsteren Zeiten der Weltgeschichte vergleicht. Natürlich spricht aber auch ein bisschen der Neid aus seiner Stimme, wenngleich er sich das nicht eingestehen möchte. In Person von Steve Coogan mutiert dieser Paul zum weltgrößten Zyniker, der schon den KELLNER mit peinlichem Wissen und ebensolchen Witzen über die Feinschmeckerküche kompromitiert. Er steht damit für das moralische Gewissen des Zuschauers, was allerdings schon bald einen knacks bekommen wird.

Ohnehin ist es nicht einfach, dem Film zuzuschauen, denn der Fremdschämfaktor ist generell groß. Stan manövriert seinen Bruder und die Frauen immer wieder in Situationen, die man selbst auch als extrem unangenehm empfinden würde. Inszenatorisch teilt Moverman seinen Film auf wie ein gutes Menü. Es beginnt mit dem Aperitif, zu dem das Vorstellungsprozedere abgehalten wird. Während der Vorspeise gibt es betretenes Schweigen und ein paar Anfeindungen und der Hauptgang liefert die ersten Wahrheiten. Käsegang und Dessert rücken dann endlich raus mit der Sprache und zeigen, dass keiner der Erwachsenen ein moralisches Vorbild wäre – inklusive der Mütter. So hält Claire die Tat der Jungs nicht mal für Mord oder Totschlag, sondern für einen Unfall. Sie legt sich die Argumente zurecht, wie sie es braucht, um ihren Jungen reinzuwaschen. Zwischendurch streut er immer wieder Rückblicke auf die Tat der Kids ein und zeigt retrospektiv auch Stationen von Pauls Leben. Das legt zum einen die Beziehungen zwischen den einzelnen Personen offen und lässt nach und nach tief in die Seele der Charaktere blicken. Allerdings hätten es 90 Minuten auch getan. Das Erzähltempo selbst ist schon langsam genug, weshalb viele Rückblicke die Geduld ein bisschen strapazieren. Und der gemeinsame Besuch der Brüder in Gettysburg, um den „Krieg“ zwischen Paul und Stan zu schildern, ist nicht nur redundant, sondern auch inszenatorisch ein Fremdkörper. Es dauert am Ende auch viel zu lange, bevor klar wird, warum man sich eigentlich getroffen hat und das eigentlich anvisierte Gespräch lässt arg auf sich warten. Wäre da nicht Steve Coogan, dessen Paul am deutlichsten charakterisiert wird und der seine Figur nuanciert spielt, bräuchte man noch mehr Sitzfleisch als ohnehin schon.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von The Dinner ist vornehmlich dunkel. Sowohl im Restaurant als draußen vor ihm, kann man Gesichter oft nur deshalb erkennen, weil fast alle schwarze Kleidung tragen und die Haut deshalb heraussticht. Farben sind bewusst warm gefiltert und hangeln sich an einer Braunpalette entlang. Die Bildruhe ist gut, Körnung nur geringfügig vorhanden.
In Sachen Raumakustik bleibt The Dinner durchweg unauffällig. Da der Film vollständig auf die Dialoge konzentriert ist und nur ganz dezent (oft disharmonische) Musik nutzt, ändert sich das über die komplette Laufzeit nicht.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Dinner finden sich Interviews mit drei der Hauptdarsteller und dem Regisseur. Dazu gibt’s die Trailer und eine Bildergalerie.

Fazit

The Dinner ist ein anspruchsvolle Drama, das unbequeme Wahrheiten offenlegt und eine Welt der verkommenen Moral zur Schau stellt. Das ist gut gespielt, aber locker 30 Minuten zu lang.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 20%
Film: 65%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Oren Moverman
Darsteller: Richard Gere, Laura Linney, Steve Coogan, Rebecca Hall, Chloë Sevigny, Charlie Plummer, Adepero Oduye, Michael Chernus, Taylor Rae Almonte, Joel Bissonnette
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit:
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu The Dinner

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