The Dressmaker – Die Schneiderin

Blu-ray Review

The Dressmaker - Die Schneiderin Blu-ray Review Cover
Ascot Elite, seit 22.04.2016

OT: The Dressmaker


Dungartar soll brennen!

Kate Winslet ist in The Dressmaker der best angezogene Racheengel der Filmgeschichte.

Inhalt

„Ich bin zurück, ihr Mistkerle!“ – Myrtle „Tilly“ Dunnage erscheint nach fast zwei Jahrzehnten im Jahre 1951 wieder in ihrer alten Heimat, irgendwo im australischen Outback. Dort war sie als Jugendliche praktisch vertrieben worden, nachdem sie (vor allem von den Jungs und Männern) beständig schlecht behandelt und gehänselt wurde. Als Tochter einer Hure hatte man sie bezeichnet, was noch einer der charmantesten Sprüche war. Im fernen London, Mailand und Paris hat sie ihr Talent als Schneiderin entwickelt, weshalb sie auch perfekt angezogen und stilsicher wie ein bunter Hund in der Gegend auffällt. So läuft sie beispielsweise im roten Kleid mit ebensolchen High Heels und Lippen beim Rugbyspiel auf und verdreht nicht nur deren Kapitän Teddy den Kopf. Als die Frauen der Gegend von Tillys Schneiderkünsten erfahren, scheinen sie ihre Vorurteile nach und nach zu verlieren und reihen sich in eine lange Schlange ein, die durch ein wenig Make-up und einen neuen Dress (vor allem bei den Männern) Eindruck schinden möchte. Doch Myrtle ist eigentlich wegen etwas anderem gekommen – sie möchte Genugtuung und Gerechtigkeit dafür, dass man sie seinerzeit verjagt und verbannt hatte. Also macht sie sich daran zu erfahren, was damals wirklich geschehen ist …

Schon nach knapp einer Viertelstunde hat man in The Dressmaker – Die Schneiderin mehr skurrile Figuren vorgestellt bekommen als in fünf anderen Filmen zusammen. Von der verlausten Mutter über einen buckligen Dorfbewohner und eine zwangsgestörte Putzwütige bis zum frauenkleidertragenden Sheriff (grandios: Hugo Weaving). Dabei ist das, was als satirische Komödie beginnt, durchaus auch von bitteren Tönen durchsetzt. So wird während der integrierten Rückblicke geschildert, wie übel man Tilly als jungem Mädchen mitspielte. Auch das tragische Ereignis von damals wird aufgerollt und entfaltet für sich eine wirklich intensive Kraft, aus der heraus der ganze Schmerz und Wut der Titelfigur erkenntlich wird. Und dann ist der auf Rosalie Hams 2000er Novelle bassierende Film ja ganz nebenbei auch noch eine Romanze, in der Liam Hemsworth routiniert das sexy Objekt der Begierde gibt. Dass der Spagat zwischen Satire/Komödie, Drama und Romantik so gut klappt, liegt an einer Kate Winslet, die mit vollem Körpereinsatz eine Erotik ausstrahlt, die kaum von dieser Welt zu kommen scheint. Wie sie in ihren sensationellen Kleidern durch die braungraue Umgebung zu schweben scheint und sich sämtliche Köpfe nach ihr umdrehen, ist unwiderstehlich. Ihr gelingen aber ebenso die tieftraurigen Momente und solche der Erkenntnis, die eine jahrzehntealte Last von ihr nehmen. Aber auch Judy Davies als Tillys Mutter Molly ist großartig, wenn sie beispielsweise während einer Kinovorführung den Film lauthals kommentiert und mit Popcorn um sich schmeißt. The Dressmaker ist sicher ein ungewöhnlicher Film, der kaum jedem gefallen wird. Dafür aber jenen, die mit bizarren Werken umso mehr anfangen können. Letztere werden dann auch mit weiteren Aspekten belohnt, die Jocelyn Moorehouses Werk reizvoll machen: Natürlich ist da zum einen die grandiose Landschaft, die atmosphärisch und bisweilen episch in Szene gesetzt wird. Obendrauf gibt’s ein famoses Kostümdesign, das sowohl in den schicken Outfits von Tilly als auch in den authentischen Klamotten der Einheimischen perfekt funktioniert. Und dass das Ende ungefähr fünf Twists bereithält, schadet auch keinesfalls, um den Unterhaltungswert zu steigern.

Bild- und Tonqualität

Die Blu-ray von The Dressmaker liefert ein klares und kontrastreiches Bild mit einer sehr ausgewogenen Schärfe in sämtlichen Einstellungen. Nahaufnahmen offenbaren jedes Haar in Hemsworth‘ Bart und Halbtotale sind besser als bei den meisten Veröffentlichungen der letzten Zeit. Die Bildruhe ist hoch und gerade in Sachen Rausch- und Kornfreiheit ist der Film exemplarisch gut. Da die Farbpalette grundsätzlich etwas reduziert ist – stechen die bunten und kräftigen Töne von Tillys Kleidern oder dem Lippenstift der Frauen umso mehr heraus. Aber auch die erdigen Farben der trockenen Gegend kommen authentisch rüber.
Akustisch glänzt The Dressmaker vor allem mit glasklaren Dialogen, die der Fan von Originalspuren auf jeden Fall in Englisch schauen sollte. Die großartigen Aussie-Dialekte machen richtig Spaß. Selbst Kate Winslet, gebürtige Engländerin, überzeugt mit einem perfekt antrainierten Slang. Die Effekthäufigkeit ist eher selten. Hin und wieder gibt’s mal etwas Umgebungsatmosphäre und wenn’s brennt, dann darf auch von den Rearspeakern mal etwas Information kommen. Die stimmige Filmmusik legt sich bisweilen ebenfalls recht angenehm auf sämtliche Lautsprecher.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Dressmaker finden sich zunächst neben den obligatorischen Trailern insgesamt elf Interviews mit den Darstellern und Mitgliedern vom Filmteam. So kommen neben der Autorin und der Regisseurin sogar der Kostümdesigner zu Wort. Eine B’Roll gibt’s obendrauf und dazu noch drei Featurettes, die zwar relativ kurz bleiben, dafür aber ein paar Hintergrundinfos zur Geschichte, den Kostümen und der Hauptdarstellerin liefern.

Fazit

The Dressmaker liefert eine (bunte) Paraderolle für Kate Winslet, deren Tilly rührt, zum Lachen bringt und emotional mitleiden lässt. Dazu kommen zwei Hände voll großartiger Nebenfiguren und eine abwechslungsreiche Geschichte mit überraschenden Wendungen im Dutzend.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 80%

Anbieter: Ascot Elite
Land/Jahr: AUS 2015
Regie: Jocelyn Moorhouse
Darsteller: Kate Winslet, Liam Hemsworth, Judy Davis, Hugo Weaving, Sarah Snook
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 119
Codec: AVC
FSK: 16

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
2 Kommentare
Neueste
Älteste Most Voted
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!
matthias

Tochter einer Hure wäre besser … Aber ansonsten eine aussagekräftige Rezension. Danke!