Blu-ray Review
OT: The Finest Hours
Wahnsinniges Unterfangen
Wie vier Männer in einem winzigen Boot bei Windstärke 9 die Mannschaft aus einem auseinandergebrochenen Tanker holen …
Inhalt
Am 18. Februar 1952 ist die SS Pendleton auf ihrem Weg von New England nach Boston und gerät in einem tosenden Sturm mit 20 Meter hohen Wellen. Nach mehreren wuchtigen Aufschlägen reißt im Maschinenraum eine Außenwand auf. Als einer der Seeleute den Captain davon berichten soll, stellt er fest, dass das Schiff in zwei Teile gerissen wurde und der Bug just vor seinen Augen sinkt. Das Heck treibt derweil weiter im Sturm und hat vielleicht noch ein paar Stunden, bis ihm das gleiche Schicksal blüht. An Bord bricht die Panik aus und Kompetenzgerangel verhindert zunächst eine klare Strategie. Raymond Sybert, der ranghöchste Offizier, beschließt, das Schiff auf eine Sandbank auflaufen zu lassen, um es zu stabilisieren. Währenddessen erhält die Küstenwache von Chatham im wahrsten Sinne des Wortes Wind von der Sache. Der neue Chef Daniel Cluff schickt vier seiner Männer, darunter den noch unerfahrenen Bernie Webber, zum Heck der Pendleton, um, wenn möglich Seeleute zu retten. Doch bei dem Seegang ist schon die Fahrt über die Sandbank vor der Küste eine große Gefahr …
Craig Gillespie (Lars und die Frauen) nimmt sich in The Finest Hours einer spektakulären wahren Geschichte an, die zu den riskantesten aber auch erfolgreichsten Rettungsaktionen der US-Küstenwache zählen. Mit einer nur vier Mann starken Crew rettet der zu dem Zeitpunkt unerfahrene Bernie Webber 32 der 41 Männer der SS Pendleton, die mitten auf dem Meer in zwei Hälften zerbrach. Leider hält sich der Film zunächst viel zu lange mit einer Liebesgeschichte auf, die für den Film vollkommen unnötig ist und nach spätestens zehn Minuten das Gefühl provoziert, sich als Zuschauer zu fragen, wo denn nun der Sturm und die Havarie bleiben. Man fragt sich, warum nicht wenigstens zwischen den beiden Schauplätzen hin- und hergewechselt wird, damit man die Manschaft der Pendleton mal vorgestellt bekommt. Gut 20 Minuten hätte man auf diese Weise entschlacken können und die eigentliche Geschichte dennoch erzählen können. Und so beginnt dieses Review ebenso wie der Film mit den „negativen“ Aspekten. Wenn man sich aber durch die etwas schwülstigen Szenen zwischen Bernie und Miriam gerettet hat, fährt The Finest Hours allerdings eine der spektakulärsten Schiffs-Unfall-Szenen auf, die man seit langer Zeit gesehen hat. Bedrohliche Wellen schlagen gegen das gewaltige Stahlkonstrukt und wenn der Kollege plötzlich vor dem abgerissenen Heck steht, stockt dem Zuschauer gleich mit dem Seemann der Atem. Faszinierend auch die authentisch wirkende Schilderung des Bord“funks“ beim Ansteuern der Untiefe – ohnehin sind die Szenen im Inneren des havarierten Restschiffs von hoher Spannung und größtmöglicher Dramatik. Denn natürlich bleibt es nicht beim Ursprungsunglück. Je länger es dauert, bis die Rettung naht, desto mehr Dinge gehen schief. Auch die Sequenzen, in denen Webber und seine drei Männer durch die auf die Sandbank treffenden Wellen müssen, sind atemberaubend – nicht zuletzt, weil die visuellen Effekte wirklich gelungen sind und bis auf kleine Details nicht künstlich wirken – auch wenn das der eine oder andere Filmkritiker gern anders gesehen hat und dem Film Schauwerte abgesprochen wurden.
Ein wenig verwundert es , dass The Finest Hours in den USA lediglich 27 Mio. Dollar einspielen konnte und hierzulande auf nicht mal 20.000 Besucher kam. Denn eigentlich hat der Film alles, was man braucht, um zu unterhalten und Spannung zu liefern. Dazu gesellt sich ein gut aufgelegtes Darstellerensemble bekannter Gesichter: Chris Pine darf den smarten und mutigen Rettungsmann spielen, was er routiniert erledigt. Man sieht in ihm auch nicht ständig den Cpt. Kirk, der nur das Element Atmosphäre gegen Wasser getauscht hat. An Bord der SS Pendleton ist es Casey Affleck, der mit charismatisch-abgeklärtem Spiel begeistert und die Männer motiviert. Herausragend ist auch Ben Foster als Richard Livesey, dem zynischen Begleiter Webbers, der das Unterfangen für lebensmüde hält aber dennoch mitfährt. Er ist es, der mit wenigen Mimiken mehr aussagt als er über Dialoge könnte. Katastrophal fehlbesetzt allerdings ist der sonst in souveränen Rollen zu sehende Eric Bana, der hier einen unentschlossenen und unsicheren Einsatzleiter der Küstenwache geben muss.
Bild- und Tonqualität
Warme und erdige Töne bestimmen das Bild von The Finest Hours, das während der VFX-Szenen etwas weicher wirkt als in den Realsequenzen. Die Bildruhe ist hoch, Körnung ist nur geringfügig vorhanden und wirkt stets filmisch. Der Kontrastumfang liegt im mittleren Bereich, die Schärfe geht in Ordnung, wenngleich ein eingesetzter Filter den typisch-weichen 50er-Jahre-Look herstellt. Wenn es zum Ende hin dunkel wird, nimmt die Körnung etwas zu, wird aber nie störend auffällig.
In Sachen Akustik muss man sich zirka eine Viertelstunde gedulden, bis man ordentlich geduscht wird – und zwar so richtig: Was der Sound auffährt, als die SS Pendleton durch die Wellen bricht, gehört zum absolut dynamischsten und effektvollsten, was man zuletzt gehört hat. Auch das Knarzen und Ächzen, das man im Maschinenraum wahrnimmt, kommt unglaublich plastisch rüber – jedenfalls ist das auf der englischen Spur so, die in 7.1-dts-HD-Master vorliegt. Die deutsche Fassung von The Finest Hours liegt leider nur in 5.1 vor und muss mit dem etwas komprimierteren dts-High-Resolution auskommen. Die fehlenden zwei Spuren verschweigen einige direktionale Effekte aus den hinteren Höhenkanälen und die dts-HD-Master-Fassung ist schlicht brutaler, lauter und vehementer. Der Unterschied ist nicht so heftig wie zwischen einer HD-Spur und einer Dolby-Digital-Version, doch immerhin ist er hörbar und durchaus auffallend. Auch die Dialoge sind im Verhältnis leiser. Das bedeutet nicht, dass die hiesige Version schlecht ist – ganz im Gegenteil. Aber sie ist eben nicht ganz so gut wie die Originalfassung. Dennoch trägt auch sie die knarzenden Spannungen im Schiffsrumpf extrem effektvoll zum Zuhörer und das Boot der Küstenwache rast wuchtig durch die entgegenkommenden Wellen.
Bonusmaterial
Im Extramaterial von The Finest Hours warten neben zusätzlichen Szenen noch vier Featurettes sowie mit „Entgegen aller Erwartungen“ die Bernie Webber Story. Die berichtet vom 2009 verstorbenen Angehörigen der US-Küstenwache, der am 18. Februar 1952 die Crew der SS Pendleton rettet. Man bekommt einen tiefen Einblick auch in die kleine Stadt Chatham und deren Bewohnern, die hier ebenfalls zu Wort kommen. Die vier kurzen Featurettes „Bruderschaft“, „Zwei Crews“, „Die eigene Sternstunde?“ und „Die beste Inspiration: Die US-Küstenwache“ beschäftigen sich für jeweils knapp zwei Minuten mit einzelnen Aspekten des Films.
Fazit
The Finest Hours mag kein neues Das Boot sein, unterhält aber aufgrund der sorgsamen Charakterzeichnung, der individuellen Typen und vor allem der wahren Geschichte hinter dem Ganzen auf beständig hohem Niveau – vor allem, wenn man mal die zähen ersten 15 Minuten überstanden hat. Dazu kommen durchaus spektakuläre Schauwerte, die die Geschichte aber nie zu sehr übertünchen. Was Eric Bana in dieser Rolle allerdings zu suchen hat, wissen wohl nur die Casting-Agenten.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 50%
Film: 75%
Anbieter: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Craig Gillespie
Darsteller: Chris Pine, Casey Affleck, Ben Foster, Eric Bana, Holliday Grainger, John Ortiz, Kyle Gallner
Tonformate: dts HD-Master 7.1: en // dts HD-High-Resolution: 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 117
Codec: AVC
FSK: 12