Blu-ray Review
OT: Namhansanseong
45 Tage
Südkoreanischer Film über eine historische Festungsbelagerung im 17. Jahrhundert.
Inhalt
Das Jahr 1636: Es ist Winter im mittleren Westen Koreas und die Mandschu der Quing-Dynastie haben zum zweiten Mal das Land überfallen, auf dass sich deren König Injo ergebe und die Mandschu darin unterstütze, deren Krieg gegen die Ming-Dynastie zu führen. Nachdem Injo sich auf die Insel Ganghwado flüchten konnte, wurde er auch dort belagert und zog sich mit fast 14.000 Soldaten in die Kriegsfestung Namhansanseong zurück. Dort setzt ihm und seinen Soldaten aber die Kälte zu und außerdem wird die Nahrung langsam knapp. Je länger die Belagerung dauert, desto scheint die Bedrohung aus dem Inneren zu werden. Denn die Minister und Kommandanten des Königs sind alles andere als einer Meinung …
Ein paar Zahlen vorweg: 13.800 Soldaten, 3000 Mann Leibwache und 45 Tage. Was im späten Dezember 1636 an der Bergfestung Namhansanseong stattfand, gehört vermutlich zu den größten kriegerischen Einzelaktionen der Weltgeschichte. Belagert von rund 70.000 Kriegern des Mandschu-Kaisers Huang Taiji der Quing-Dynastie hielt der koreanische König Injo aus der Joseon-Dynastie mit seinen fast 14.000 Mann (davon 3000 Mönche als Leibwache) 45 Tage stand und wehrte die Angriffe immer wieder ab. Kapitulieren ließ ihn einzig der Hunger, denn die Festung war nicht mit genügend Lebensmitteln ausgestattet. Außerdem setzte den Soldaten die Kälte zu.
In The Fortress zeichnet der koreanische Regisseur Hwang Dong-hyuk diese Geschehnisse nun nach. Sein 140-minütiges Historienepos ist Kriegsfilm und Drama zugleich. Es beginnt mit vielen politischen Gesprächen. Verhandlungen zwischen den Ministern und ihrem König Injo. Während sein Außenminister einen der Kronprinzen aushändigen möchte, da dies von den Generälen der Quing gefordert wird, sehen andere Vertraute darin nicht den erhofften Abbruch der Belagerung. Viele der Leibgarde empfehlen, eine Konzentration der eigenen Truppen, die dann die „Barbaren“ zurückschlagen sollen.Der punktgenau eingesetzte Score von Oscar-Preisträger Ryuichi Sakamoto („Der letzte Kaiser“) tut sein Übriges – ein famos ausgestattetes, gewaltiges Historien-Epos bricht sich Bahn.
Von den Figuren her konzentriert sich The Fortress nicht nur auf den König und dem mutigen Kommandanten Lee Shi-baek, sondern setzt diesen beiden mit einem lokalen Schmied einen gemeinen Mann aus dem Volke gegenüber. Dessen Modifikationen an den Schusswaffen der königlichen Armee sorgen für eine effizientere Verteidigung, die die Angreifer immer wieder zurückschlagen kann. Auf diese Weise bleibt The Fortress halbwegs geerdet und kontert etwas das arg selbstverliebte Getue zwischen König und ergebenen Beratern. Es geht natürlich auch viel um Ehre. Darum, dass man ständig Exempel an den Soldaten und scheinbar abtrünnigen Ministern statuieren möchte. Wer will, der kann auch Kritik an geltenden politischen Verhältnissen ausfindig machen, wenn sich die unterschiedlichen Minister uneins sind und offenbar mehr um ihr eigenes Wohl, denn um das des Volkes bemüht sind.
Man braucht allerdings schon etwas Sitzfleisch – zumal man als europäischer Zuschauer das ganze Geplänkel um Ehre und Gesichtsverlust nur bedingt nachvollziehen kann. Immerhin wird das Gerede halbstündlich von recht imposanten Kriegs-Szenen unterbrochen, die eine große Zahl an Statisten auflaufen lassen und glücklicherweise nicht durch animiertes Blut in ihrer Atmosphäre gestört werden. Denn blutig geht’s hier durchaus zu.
Bild- und Tonqualität
The Fortress liegt auf der Blu-ray mit einer erstaunlich geringen durchschnittlichen Datenrate vor. In ruhigeren Innenraumszenen sinkt das schon mal auf DVD-Niveau von 7Mbps. Auch während stärker kontrastierter Momente bleibt es meist bei ~14Mbps. Das ist nicht gerade viel, obwohl die BD durchaus Bilddynamik beherrscht: Wenn kurz vor der Einblendung des Titels ein Mann verblutend auf dem weißen Eis zurückgelassen wird, ist das nicht nur eine visuell starke Szene, sondern auch aus technischer Sicht. Grundsätzlich ist die Farbgebung eher kühl gestaltet. Schnee ist mehr blaugrün als neutralweiß. Während der Innenraumszenen in der Festung wirkt es weniger gefiltert und natürlicher. Hier passen Hautfarben und auch das farbenfrohe Gewand des Königs. In puncto Schärfe wissen die meisten Close-ups zu gefallen, wohingegen einige Naheinstellungen etwas wachsartig erscheinen.
The Fortress schickt sich rein akustisch an, die Messlatte Richtung Referenzscheibe legen zu wollen. Es dauert keine zwei Minuten und eine Salve von Pfeilen wird Richtung Zuschauer abgefeuert. Mit zischendem und fein differenzierten Klängen startet sie von der Front und landet eindrucksvoll auf den Rears – klasse. Danach wird es zwar gut eine halbe Stunde lang ruhig, doch dann knallen die Gewehre und treffen die Morgensterne ins Mark. Noch heftiger wird es, wenn die koreanischen Soldaten nach etwas über einer Stunde in eine explosive Falle laufen und extrem wuchtige Detonationen das Heimkino erschüttern (66’40). Sehr räumlich gelingen dann auch die Schüsse im Nachgang, die weiträumig über die Rears verhallen. Zum Schluss gibt es dann noch mal vehemente Kanonenschläge, deren trockener Druck wirklich prima gelungen ist (ab 110’00).
Bonusmaterial
Neben diversen Trailern und Teasern gibt es im Bonusmaterial von The Fortress auch noch einen Making-Trailer, der einige Statements zur Produktion und Hinter-den-Kulissen-Bilder bereithält.
Fazit
The Fortress beschreibt ein entscheidendes Kapitel in der koreanischen und chinesischen Geschichte in wuchtigen, teils epischen Bildern. Selbst wenn man es Sitzfleisch benötigt, sollten sich gerade Fans des fernöstlichen Kinos angesprochen fühlen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 20%
Film: 60%
Anbieter: Koch Films
Land/Jahr: Südkorea 2017
Regie: Dong-hyuk Hwang
Darsteller: Byung-Hun Lee, Yoon-Seok Kim, Hae-il Park, Soo Go
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, kor
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 139
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Koch Films)
Danke für diese gute und qualifizierte Rezension, woraufhin ich mir den Film angesehen habe. Mich zumindest hat die lange Laufzeit überhaupt nicht gestört. Auch die politischen Verhältnisse und die darüber entstehenden Diskussionen empfinde ich als vielfach auf die Gegenwart übertragbar („Gesicht wahren“) und in ihrer von beiden Seiten mit unnachgiebiger Härte vorgetragenen Diskursen höchst anregend. Dazu die fantastische Ausstattung, ein immens großartiger Score und der Verzicht auf unnötiges Pathos machen diesen Film für mich zu einer Perle des historisierenden Asia-Kinos.