The Girl from the Song

Blu-ray Review

OT: The Girl from the Song

Girl from the Song Blu-ray Review Cover
Koch Media, 27.07.2017

 


Song for Jo

Eine Liebe im Angesicht des Burning Man.

Inhalt

Eric ist ein junger Musiker, dessen akustische Songs voller Melancholie und doch voller Leben stecken. Eines Tages lernt er die gleichaltrige Jo kennen, die (warum auch immer) auf einen Baum geklettert ist und nicht mehr runterkommt. Beim Versuch, herunter zu steigen, fällt sie direkt auf Eric, bricht ihm die Nase und sorgt damit für einen bleibenden Eindruck. Denn Eric kann ihr über die Aktion gar nicht lange böse sein – zumal Jo mit ihrer natürlich-forschen Art entwaffnend charmant ist und auch noch Joy-Division-Fan. Es kommt, wie es kommen muss: Eric verliebt sich unsterblich in sie und sie sich in ihn (so scheint es). Doch dann ist sie eines Tages fort. Wobei „fort“ das falsche Wort ist. Sie ist nicht einfach verschwunden, sondern aufgebrochen zum Burning-Man-Festival – obwohl sie den Gedanken daran eigentlich schon verworfen hatte. Weil Eric aber nicht so einfach aufgibt, reist er ihr nach. Dass es ihm ernst ist, sieht man alleine daran, dass er für den Trip seine Gitarre versetzt. Allerdings hätte er dafür vielleicht mal liebe ein Ticket gekauft, denn die Veranstaltung ist seit Monaten ausverkauft. Eric allerdings kann das nicht stoppen. Fest entschlossen dringt er in diese für ihn vollkommen fremde und gleichzeitig faszinierende Welt ein, sein Ziel fest vor Augen …

Das alljährlich in der Salzton-Wüste von Nevada stattfindende Musik-Festival „Burning Man“ nimmt sich der spanische Langfilm-Debütant Ibai Abad als Hintergrund, um seine Liebesgeschichte zu erzählen. Und das ist weder vordergründig, noch tiefgründig zu weit hergeholt. Denn das Festival steht nach außen hin schon seit seiner Existenz für eine Woche Freiheit, Kunst und Liebe. Noch viel wichtiger aber: Burning-Man-Gründer Larry Harvey hatte es 1986 offenbar aus Liebeskummer überhaupt erst ins Leben gerufen. The Girl from the Song wurde während des 2014er Festivals gedreht, was veranschaulicht, dass es von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung tatsächlich 2,5 Jahre gedauert hat, bis der Film fertig war. Angefangen als Crowdfunding-Projekt über „das schafft ihr nie“-Kommentare der Freunde bis hin zu den extrem schwierigen Dreharbeiten auf dem Festival selbst – immerhin ist das Wetter dort extrem und der Sand kann Technik schon mal an die Grenzen bringen. Doch der Aufwand hat sich gelohnt, denn schon lange lange gab’s keinen Film mehr, der Romantik und Musik so vortrefflich und bewegend miteinander verknüpfte. Und das vor allem, weil beides wunderbar funktioniert. Die Musik ist von vorne bis hinten sensationell gut und perfekt ausgewählt. Und die beiden Darsteller harmonieren gerade aufgrund ihrer offensichtlichen Unterschiede so wunderbar miteinander. Die flippige Jo, die von Joséphine Berry (Der Kuss des Schmetterlings) mit unglaublicher Energie dargestellt wird, ist das Mädchen, in sich das wohl jeder introvertierte Musiker verlieben würde. Die in Paris geborene Berry entspricht nicht dem gängigen Schönheitsideal amerikanischer Filme, was ihr in der Rolle der Jo zugute kommt. Wenn sie mit Lederjacke und leicht zersaustem Haar in Erics Vorlesung platzt, um ihm mitten unter allen Leuten an die Wäsche zu gehen, ist das ebenso erfrischend wie anarchisch.

Lewis Rainer (Hologramm für den König) auf der anderen Seite gibt seinem Eric genau die Portion Schüchternheit, die ein sensibler Musiker einfach braucht, ist aber an anderer Stelle unglaublich leidenschaftlich. Wenn er (fast in voller Länge) seine Interpretation von Leonard Cohens Halleluja schmettert, ist das großes Gefühlskino. Die krassen Gegensätze zwischen Eric und Jo ziehen sich spürbar an, wenngleich man der jungen Dame, die so gerne vor allem flüchtet, gerne mal die Leviten lesen würde. Weil sich der Film aber auch als Neuinterpretation der Geschichte von Orpheus & Eurydike verstanden wissen will, verlässt Eric aus Liebe seinen sicheren Hafen und wagt sich in das Abenteuer für das er nicht mal ein Ticket hat. Er steigt hinab wie Orpheus in die Unterwelt – begibt sich an einen Platz, an dem er sich nicht wohlfühlt, der voller Menschen ist, die ganz anders sind als er selbst und deren Freiheitsdrang er nur langsam nachvollziehen kann. Man fühlt mit ihm mit, wenn er krampfhaft versucht, die Dinge zu ordnen und eine Struktur in das Spiel aus freier (und wechselnder) Liebe zu bringen. Natürlich ist The Girl from the Song aber nicht nur ein romantischer Film mit toller Musik, einem Querverweis auf eine alte Sage, sondern auch eine Liebeserklärung an das Burning-Man-Festival. Das Wagnis, vor Ort zu filmen, ist den Machern komplett geglückt. Von den bunten und extrovertierten Fahrzeugen im Mad-Max-Stil über die hippiesken Besucher der Veranstaltung bis zum staubigen Flair der Black Rock Desert – der Film atmet den Dreck, Matsch und Lifestyle des Festivals. Einzig Sion Tudor Owen (Highlander – Es kann nur einen geben) als väterlicher Kumpel Caronte ist bisweilen ein wenig anstrengend.

Bild- und Tonqualität

The Girl from the Song hat ein etwas zu helles Bild, das bei den Tageslichtszenen schon eher kontrastreduziert ist und auch in dunklen Sequenzen nur bedingt kräftig rüberkommt. Farben dürften mehr Kraft haben und die Schärfe ist im unteren Bereich nicht immer ganz perfekt. Schwarztöne färben sich schon mal etwas bläulich ein, wenn die Szenerie abends in einen Club wechselt.
Beim Sound bleibt das Geschehen von The Girl from the Song zunächst noch verhältnismäßig frontbezogen und öffnet sich bisweilen nur für atmosphärische Umgebungsgeräusche. Dialoge kommen allerdings klar und deutlich zum Zuschauer. Die Songs und Musik werden außerdem recht weiträumig präsentiert. Richtig effektvoll und räumlich wird’s, wenn Eric auf dem Festival im unbeabsichtigten Drogenrausch Stimmen hört und durch die Gegend irrt (49’45).

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Girl from the Song findet sich neben den beiden Trailern noch ein Interview mit Produzentin Marta Rodriguez und Regisseur Ibai Abad sowie Kameramann Oriel Barcelona, die von den holprigen Dreharbeiten und dem ambitionierten Projekt berichten.

Fazit

The Girl from the Song atmet pure Lebensfreude und die Lust an der Musik. Besetzt mit einem großartigen Hauptdarsteller-Duo und angereichert mit faszinierenden Aufnahmen des Burning-Man-Festivals könnte Ibai Abads Werk das sein, was Singles – Gemeinsam einsam für die Generation-Grunge in den 90ern war.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 30%
Film: 80%

Anbieter: Koch Media
Land/Jahr: Spanien/USA 2017
Regie: Ibai Abad
Darsteller: Lewis Rainer, Joséphine Berry, Charlotte Atkinson, Charlie MacGechan, Rory Nolan, Sion Tudor Owen
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 102
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu The Girl from the Song

The Girl from the Song | MOVIE TRAILER HD VOSE

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