The Good Lie – Der Preis der Freiheit

Blu-ray Review

The Good Lie - Der Preis der Freiheit Blu-ray Review Cover
Highlight Communications, seit 11.06.2015

OT: The Good Lie

 


Lost Boys

Wenn ein US-Film sich eines afrikanischen Flüchtlingsthemas annimmt, kann er eigentlich nur Schiffbruch erleiden, oder …?

Inhalt

Mamere, Abital, Jeremiah, Theo und Paul sind Kinder aus dem Südsudan. Sie mussten Mitte der 80er auf ihrem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land fliehen und kamen nach einer Odysee über Äthiopien in ein Flüchtlingslager nach Kenia. Dort leben sie 13 Jahre lang, bevor sie auf eine Liste für die Ausreise in die USA gelangen. Dort angekommen werden Mamera, Jeremiah und Theo zunächst von ihrer Schwester Abital getrennt, für die eine Familie vorgesehen ist. Die drei Jungs wiederum werden von Carrie Davis abgeholt, die zwar ihre eigenen Probleme hat, aber dennoch dafür Sorge tragen möchte, den Neuankömmlingen einen Job anzubieten. Doch eine Arbeit alleine macht nicht glücklich und so vermissen die Drei ihre Schwester sowie den auf der Flucht gefangen genommenen Theo – wird es ein Wiedersehen geben?

„Just do it“ hat Mamere auf seinem Shirt zu Beginn des Films stehen. Ein Shirt, das er ganz offensichtlich aus Kleiderspenden bekommen hat. Aussortiert von den wohlhabenden und reichen Menschen der Ersten Welt, die für ihn so fremd und doch so hoffnungsvoll erscheint. So steht gleich das erste Bild von The Good Lie – Der Preis der Freiheit für den Beginn eines neuen Lebenskapitels, für die Hoffnung, dem Leid zu entfliehen aber auch für Ungewissheit. Was wird Mamere und seine Geschwister in den USA erwarten, nachdem sie ihre Eltern vor Jahren verloren haben, einen nicht enden wollenden Fußmarsch durch die Wüste hinter sich brachten und lange Jahre in einem Flüchtlingslager leben mussten? The Good Lie beginnt als authentisches Flüchtlingsdrama in Originalsprache und mit eindringlichen Szenen. Da brandschatzen die Regierungssoldaten des Nordsudan in Mameres Dorf, während die Kinder sich etwas abseits unter einem entwurzelten Baum verstecken. Auf ihrer Flucht kommen sie an einen Fluss, dessen Strom zig Leichen mit sich zieht und treffen erneut auf Soldaten, die rücksichtslos kleine Kinder erschießen. Diese tragischen Momente werden zunächst von toll besetzten Kinderdarstellern vorgetragen und fessel von der ersten Minute an. Nach etwas über einer halben Stunde beginnt dann der Culture Clash, der amüsante Momente integriert, ohne den Schenkelklopfer-Humor-Stil von Cool Runnings anzunehmen. So findet Mamere das „zivilisierte“ Essen auf dem Flug in die USA genauso eklig wie sein weißer Sitznachbar. Und wenn die drei Brüder das erste Mal eine Rolltreppe runterfahren, sorgt das für ein angenehmes Schmunzeln. The Good Lie behält dabei aber stets den Respekt vor seinen Figuren und macht sich zu keiner Zeit über sie lustig.

Eher das Gegenteil ist der Fall, denn stellvertretend für die Unwissenheit über alles, was außerhalb ihres eigenen Landes passiert, ist es Reese Witherspoon, die zunächst mal keinerlei Ahnung davon hat, woher die Flüchtlinge überhaupt kommen und dass sie erst Recht keine Ahnung haben, was ein Telefon ist. Überhaupt bekommen die USA, bzw. die Gepflogenheiten und Verhaltensweisen der US-Bürger immer wieder ihr Fett weg. So fragt Mamere den gemeinsamen „Verhaltenscoach“ Jack zu Recht, ob es nicht unehrlich sei, wenn man nur für eine Bewerbung ein falsches Lächeln aufsetzt. Der antwortet geradeheraus: „Na klar, es ist sogar totaler Schwachsinn, aber die Amerikaner stehen drauf“. Diese und ähnliche Szenen sind es, die erfrischend anders ankommen und vielleicht auch darin begründet liegen, dass Regisseur Falardeau Kanadier ist (ein politisch ausgebildeter noch dazu) und Autorin Margaret Nagle die Sudan-Sache am Herzen liegt – immerhin lässt sie ihrem Skript zu The Good Lie noch gleich das Drehbuch für eine Dokumention über die „Lost Boys from Sudan“ folgen. Immer wieder gibt es aber auch bittere Situationen, die einem bewusst machen, wie gut es uns allen geht. So zum Beispiel, wenn Mamere und Jeremiah die abgelaufenen aber immer noch guten Lebensmittel aus dem Supermarkt wegschmeißen sollen. The Good Lie verschließt konsequenterweise auch nicht die Augen vor den Problemen der Drei, vor den Schwierigkeiten der Anpassung an vollkommen ungewohnte Lebensverhältnisse und vor dem Heimweh nach einem Land, das trotz aller Gefahr doch die Heimat war.

Ein Glücksgriff in The Good Lie sind sämtliche Darsteller. Angefangen bei einer Reese Witherspoon (Der große Trip – Wild), deren Carrie zunächst naiv und oberflächlich, später mit absoluter Herzlichkeit die Einwanderer betreut. Man merkt der Aktrice an, dass der Film nicht einfach nur irgendeine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme war, sondern dass sie mit Überzeugung bei der Sache gewesen ist. Corey Stoll (Non-Stop) ist als Jack ein hemdsärmeliger und knuffiger Typ, der von der Situation zwar auch etwas überrumpelt ist, das Ganze aber ohne Vorurteile angeht und grundsympathisch rüberkommt. Und dann sind da ja noch die drei Darsteller der Flüchtlinge: Während Arnold Oceng zwar Sohn sudanesicher Eltern ist, aber schon seit seinem sechsten Lebensjahr als Profischauspieler engagiert wird, muss es für Ger Duany und Emmanuel Jal eine ziemlich außergewöhnliche Erfahrung gewesen sein, den Film zu drehen. Beide sind im Südsudan geboren, beide wurden schon in jungen Jahren zu Kindersoldaten gemacht und beiden gelang über viele Umwege und noch mehr Umstände die Flucht. Umso erstaunlicher ist es, dass sie ihre Rollen mit einer hintergründigen und humorvollen Note würzen, die beileibe nicht selbstverständlich ist, wenn man sich ihre Geschichte ansieht. Während Duany praktisch seine eigene Geschichte spielt und selbst als Lost Boy in die USA kam, war Jals Lebensweg nach der Zeit im Sudan von der Musik geprägt. Er stand schon mit großen Stars auf der Bühne (so zum Beispiel beim Konzert zum 90. Geburtstag von Nelson Mandela) und nutzt seine Bekanntheit für das Wirken in der internationalen Politik.

Bild- und Tonqualität

Die Aufnahmen in Afrika glänzen durch ihre erdigen Töne und einen tollen Kontrastumfang. Die Schärfe ist hier bereits erhaben und die Detailtiefe lässt auch in dunklen Szenen nicht nach. Nach der Ankunft in den USA ändert sich die Optik ein wenig und es wird etwas kühler. Weiterhin gut bleiben die Kontraste und auch die hohe Laufruhe von The Good Lie.
Auch der Ton von The Good Lie schlägt sich gut: Der Angriff auf Mameres Dorf zu Beginn beinhaltet einen effektvoll über die Köpfe flappenden Hubschrauber, dessen Raketen wuchtig ins Erdreich einschlagen. Herausragend auch die toll ausgesuchten Filmsongs, die räumlich und offen klingen. Bis auf die (amateurhafte) Synchronstimme der Sozialarbeiterin passen auch die Dialoge und gelangen gut verständlich ans Ohr.

Bonusmaterial

Neben den Originaltrailern und ein paar entfernten Szenen, wartet im Bonusmaterial von The Good Lie noch das Feature „The Good Lie Journey“. Das ist zwar relativ kurz, bietet aber deutlich mehr als das übliche Einheits-Selbstbeweihräucherungs-Blabla. So erfährt man beispielsweise, dass Arnold Oceng, der selbst keine Flüchtlingsgeschichte hat, den Film und die Zusammenarbeit mit Duany und Jal nutzen konnte, um mehr über seine Herkunft zu erfahren. Außerdem bekommen wir Einblicke in die Dreharbeiten in Afrika und im echten Flüchtlingscamp.

Fazit

„Wenn du schnell gehen willst, geh allein. Wenn du weit gehen willst, geh mit anderen.“ – das sagt ein afrikanisches Sprichwort, dass The Good Lie vor dem Abspann einblendet. Diese Worte drücken die Botschaft aus, mit der der Film den Zuschauer nach knapp zwei Stunden entlässt: Ein Plädoyer für Menschlichkeit, für Zusammenhalt und für respektvollen Umgang miteinander. Wenn ein US-Film einem das Thema des Bürgerkriegs im Sudan und die damit verbundenen Leiden der Menschen näherbringt, ohne mit dem Zeigefinger zu wedeln oder knietief im Gutmenschen-Klischee zu waten, dann ist das mehr als man erwarten kann oder konnte und weit entfernt vom eingangs befürchteten Schiffbruch. Dass The Good Lie dann auch noch hervorragend unterhält und berührt, ist umso schöner.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 90%

Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Philippe Falardeau
Darsteller: Reese Witherspoon, Arnold Oceng, Ger Duany, Emmanuel Jal, Corey Stoll
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 110
Codec: AVC
FSK: 12

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!